Aufführungsbesprechungen aus Kassel (darunter Erwähnung d. Freischütz)

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Correspondenz-Nachrichten.

Aus Kassel.
(Fortsetzung.)

[…] Von Opern sahen wir keine neue, dafür aber in mehreren uns schon bekannten einen sehr willkommenen Gast – Mad. Krüger-Aschenbrenner aus Darmstadt, welche sich des allgemeinsten stürmischsten Beifalls und auch, was hier sonst eben nicht der Fall ist, ausser dem Theater einer sehr günstigen Aufnahme zu erfreuen hatte, indem sie Einladungen in die ersten Häuser erhielt. Wir hörten und sahen sie als Amenaide, Agathe, Sofie im Sargines, Jessonda in der Spohr’schen Oper gleiches Namens und Desdemona, in den vier letzten neben unserm Gerstäcker, der neben dem liebenswürdigen Gaste zu vergessen schien, daß er erst von einer Lungenkrankheit, die uns sehr um ihn besorgt machte, genesen sey, und mit einem Feuer und einer Virtuosität sang und spielte, daß es öfters schwer war, zu entscheiden, wem die Palme gebühre, und die Wage zuweilen auf seine Seite sich zu neigen schien. Wer an jenem Abend den Sargines von ihm gehört hat, und nicht entzückt gewesen ist, der hat böotische Ohren und bitte die Götter flehentlich um andere Nerven! Mad. Krüger, welche gleich bei ihrem ersten Erscheinen als Amenaide so entzückte, daß das

Impromptü an Frau Krüger Aschenbrenner,

Gäb’ Frauennamen man noch jetzt die Endung: in,So reimt’ auch, was Du bist, sich auf Dich – Siegerin!

zu welchem sie einem unserer Poeten Veranlassung gegeben, Vielen – versteht sich, männlichen Geschlechts – zwischen 20 und 60 Jahren aus der Seele geschrieben war, wurde – mit Ausnahme der Jessonda, wo sich schon ein gewisser Partheigeist regte, – nach jeder Vorstellung, ja als Desdemona sogar auch, was hier unerhört ist, nach dem zweiten Akte und zwar bei dieser Gelegenheit mit einem Sturme des Beifalls gerufen, wie wir ihn hier nur zweimal erlebt haben, einmal an dem Abend, an welchem Dem. Reuter (nunmehrige Mad. Arnold) zum letzten, und das anderemal, als Mad. Feige nach einer langen Krankheit wieder zum erstenmale die Bühne betrat. Am Abend der Aufführung des Othello war überhaupt das Publikum, wenigstens ein Theil desselben, sehr aufgeregt, und die unter Rossini’s Antipoden, unsers trefflichen Spohr’s Leitung gegebene Ouvertüre, gewiß das Schlechteste an dieser Oper, wurde so stürmisch beklatscht und bebravo’t, daß sich augenblicklich die Anwesenheit der Parthei auch dann zu erkennen gege¦ben haben würde, wenn man auch nicht um die schon einige Tage früher beschlossene Beklatschung gewußt hätte. Da mir gerade jetzt der angebellte Mond einfällt, und mit ihm die Nacht, so will ich deren Schleier vor jene Erscheinung ziehen und Ihnen, m. werther Fr., noch einige Verse mittheilen, welche ein anderer hiesiger, dem Vernehmen nach, junger Dichter nach der Aufführung des Freischützen an Frau Krüger gedichtet hat.

Agathe *) ςεφανηφόρος.

Wie schöpf’risch in das Wortgebild der SpracheDer Griech’ oft einwob inhaltwahren Sinn,So ward auch Dir am ersten Lebenstage,Agathe, durch den Namen schon Gewinn.Doch da Du auch durch That ihn schön gehoben,Durch Deiner Wonnetöne Zaubermacht,So sey ein Kranz, den Alle wir gewoben,Dir auch, Καλϗ, als Huld’gung dargebracht!

Wir hatten die Hoffnung, die Gefeierte in sechs Rollen zu hören, allein sie reiste nach der fünften mit der Versicherung ab, daß sie die ihr hier zu Theil gewordene gütige Aufnahme nie vergessen werde. Uebrigens haben wir sie doch an sechs Abenden gehört, denn sie sang in dem ersten der neulich erwähnten Winter-Concerte eine Arie der Vitellia und dann die: Nein, ich singe nicht, mein Herr &c., aus Isouard’ s Lotterieloos, letztere mit einem solchen Beifall, daß man, wie ein hießiger Kunstrichter öffentlich äusserte, das Applaudissement, noch ehe es ausbrach, gleichsam als in der Luft schwebend, gewahr werden konnte. In diesem Concert sang auch Gerstäcker nach der erwähnten Krankheit zuerst wieder und zwar eine Arie von Cimarosa und wurde mit freudigem Applaus begrüßt, welcher Applaus auch unserm braven Clarinettbläser de Groot* nach seinem mit der größten Reinheit und Lieblichkeit des Tons und der ausgezeichnetsten Fertigkeit vorgetragenen Concert von Canoncia, in noch höherm Grade aber Hrn. Spohr zu Theil wurde, welcher ein Potpourri über Themen aus seiner Jessonda auf der Geige spielte – nein, sang, so edel sang, wie man nur einen Gesang vernehmen kann. Welchen Schatz besitzen wir in diesem Manne! Und wie immer mehr wird er als solcher anerkannt von Allen, die ihn zu würdigen wissen! Die Liebe und Achtung eines großen Theils dieser letztern sprach sich am 22. Nov., als dem Tage der h. Cäcilie, recht sinnig und ungeheuchelt aus. Der hiesige Singverein, der sich nach der eben genannten Heiligen nennt, und dem großen Meister sein Entstehen und schönes Gedeihen verdankt, feierte nämlich das Fest seiner Stiftung, zu welchem sich eine fast 150 Personen starke Gesellschaft im Oestreichischen Saale versammelte, an dessen Ende eine von Hrn. Carl Arnold, einem hiesigen wackern Künstler, aus dessen Steindruckerei wir nächstens manches Treffliche hervorgehen sehen werden, verfertigte sehr gelungene Nachbildung der Raphaelischen Cäcilie als schönes Transparent leuchtete. Nachdem die Gäste Platz genommen, wurde das Feska’ sche Vater unser, und dann eine von einer hiesigen geistreichen Dame gedichtete und von Spohr componierte Hymne an die h. Cäcilie gesungen, worauf unser trefflicher Bariton, Hr. Häser*, einen kurzen, gediegenen Vortrag über den Zweck und Sinn dieses nach dem Zelter’schen Vorbilde eingerichteten Vereins und die Bedeutung des Tages seiner Feier hielt.

(Beschluß f.)

[Original Footnotes]

  • Anspielung auf das sinnige: καλοκάγαθòν d. Griechen.

Editorial

Summary

über ein Gastspiel der Sängerin Auguste Krüger-Aschenbrenner in Kassel, bei dem sie u.a. die Agathe gab

Creation

Responsibilities

Übertragung
Dubke, Esther

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 8, Nr. 7 (8. Januar 1824), pp. 28

    Commentary

    • ςεφανηφόροςrecte “στεφανηφόρος”.
    • “… unserm braven Clarinettbläser de Groot”David Edouard de Groot.
    • “… unser trefflicher Bariton, Hr. Häser”Karl Georg Häser (1777–1873).

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