Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, 26. Dezember 1814: Axel und Walburg
Theater.
Den 26. Dez. 1814 Axel und Walburg, Tragödie von Oelenschläger. So oft auch dieses Werk schon ¦ beurtheilt worden ist, so beschäftigte sich doch die Kritik meist zu sehr mit den einzelnen Theilen desselben, ohne das Ganze aus dem wahren Standpunkt dieser poetischen Form zu würdigen, und es sei uns vergönnt hier unsre Ansicht von demselben aufzustellen. Die Tragödie der neuern Zeit kann nach ihrem Inhalt in zwei Gattungen getheilt werden; entweder eine edle Natur erliegt den Stürmen der Welt, und geht gleichsam siegend in ein besseres Daseyn über; oder aber ein sündiges Gemüth sühnt sein Vergehen durch den Tod. In beiden Gattungen muß ein waltendes Schicksal über den Hauptpersonen herrschen. Hier ist weder das eine noch das andre der Fall, sondern die Vernichtung zweier edlen Seelen ist bloß das Werk des Zufalls, den ein Bösewicht geschäftig aufgreift, um der Leidenschaft seines Fürsten und Herrn zu fröhnen. Dieser wenig ergreifende Stoff ist mit einer Menge moderner Empfindsamkeit vermengt, und das Ganze strotzt von Vergehungen gegen das historische und poetische Costume. Axel kommt aus Rom zurück, und führt seinen Freund in die Kirche; findet da seinen Feind, seine Geliebte – er scheut sich nicht diesen heiligen Ort zum Schauplatz seiner Liebesschwüre zu machen; er begrüßt selbst den König in der Kirche. In der Kirche wird der Bösewicht ermordet, und aus der Kirche soll Walburg entführt werden, von da eilt Axel, den König zu retten; in die Kirche wird der verwundete König geführt, und sogar die Schlacht muß sich bis in die Kirche verbreiten, damit Axel an heiliger Stätte niedergestochen werden kann. – Welche lobenswerthe Sparsamkeit an Decorationen!
Daß diese sonderbare Zusamensetzung‡ von Glauben und Gleichgültigkeit gegen das Heiligste ziemlich viel Beifall fand, ist größtentheils der guten Rollenbesetzung zuzuschreiben. Hr. Bayer gab den Axel mit all der Festigkeit und Gediegenheit des nordischen Helden; nur wäre zu wünschen gewesen, daß er in der Szene mit dem König nicht zu sehr den Vasallen vergessen hätte, da doch die letzten Acte aufs deutlichste die tiefgewurzelte Ergebenheit an den Fürsten, der ihm alles hatte rauben wollen, beweisen. Dem. Böhler spielte die Walburg mit ächt jungfräulicher Zartheit, und ersetzte durch Innigkeit, was ihr etwa noch an Kraft gebricht. Hr. Seewald als Erland stellte uns ganz den ehrwürdigen Greis dar, welchen der Dichter schilderte. Wenn die Rolle des Königs hie und da ein weiches Gefühl verletzte, so ist die Ursache davon wohl meistens in der grellen Characterschilderung desselben zu suchen. Am stiefmütterlichsten hat Hr. O. die beiden Personen bedacht, welche abwechselnd die Handlung leiten: Knud ist ein ganz gewöhnlicher Komödiebösewicht, und Ritter Wilhelm eine durchaus so fremdartige Episode, sein Charakter eine so unnatürliche Mischung von Rechtlichkeit und Frevel, daß es wohl nie möglich seyn wird, ein Publikum lebhaft für dies verzeichnete Bild zu interessiren; so scheiterte auch diesmal das Bestreben zweier braven Schauspieler an diesen undankbaren Rollen. Hr. Bayer und Dem. Böhler wurden vorgerufen.
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Charlene Jakob
Tradition
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Text Source: Kaiserlich Königlich privilegirte Prager Zeitung, Jg. 2, Nr. 10 (10. Januar 1815), pp. 39