Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, 4.–12. Januar 1815

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Theater.

Den 4. Januar. Zum Besten der Mad. Grünbaum: Helene, Oper in 3 Aufzügen, von Mehul. Mad. G. schien bei der Wahl dieser Oper auf den Geschmack des Prager Publikums wenig Rücksicht genommen zu haben, welches auch im musikalischen Drama eine reiche und interessante Handlung zu finden wünscht; die etwas gedehnte und immer wiederkehrende eheliche Treue hat man in Leonore und Fidelio satt gesehen, und wenn ein wenig anziehender Stoff nicht einmal von einer schönen Composition begleitet wird, so ist es wohl kein Wunder, wenn selbst die anerkannte Kunst der Mad. Grünbaum nicht im Stande war, ihm eine günstige Aufnahme zu verschaffen, zumal bei einem Publikum, das durch Mozarts klangreiche Werke verwöhnt, dem französischen Opern-Genre nie großen Geschmack abgewinnen konnte.

Den 6. Jan. Die Zurückkunft aus Surinam, Lustspiel in 3 Aufzügen, nach Voltaire von Dr. Müllner. Der Name des Verfassers der Schuld und der Vertrauten erregte so große Erwartungen, daß wir, den Umstand übersehend, daß hier nur die Uebertragung sein Werk ist, einen eben so genußreichen Abend als in seinen ersten Lustspiel erwarteten, und – uns getäuscht fanden. Dieß Lustspiel hat einige sehr glückliche Situationen, es ist nicht so voll Inconsequenzen als die französischen Lustspiele gewöhnlich enthalten; dagegen aber fehlt es ihm auch an der Lebhaftigkeit, welche eigentlich die Würze der Intriguenstücke ist, und man kann mit Recht sagen, daß dieß Stück den Verstand seines berühmten Verfassers ausspreche, aber auch seine Kälte. Hr. Seewald gab den alten Schmalt mit Laune und auch Mad. Allram stellte das schnippische Kammermädchen recht brav dar; aber vorzüglich zeichnete sich Hr. Wilhelmi (Krum) durch ein durchdachtes und gleich gehaltenes Spiel aus.

Den 12. Januar. Menschenhaß und Reue. Schauspiel in fünf Aufzügen von Hrn. v. Kotzebue. Madame Quandt gab die Eulalia als Gastrolle. Es ist eine längst bewährte Betrachtung daß jedes Zeitalter einige sogenannte theatralische Paradeurs enthält, in welchen sich alle reisenden Damen produzieren; die Wahl der heutigen Rolle spricht deutlich aus in welche Zeit die Kunstblüthe der Mad. Q. fiel, und es ist möglich, daß die Jugend ihr damals einigen Anspruch auf Nachsicht gegen manche Stiefmütterlichkeiten der Natur gab. Wenn das vortreffliche Spiel der hiesigen Gesellschaft uns einigermassen für das Spiel dieser Eulalia entschädigte, so diente es jedoch auch dazu, die Kühnheit des Kunstgastes ins Licht zu setzen. Herr Polawsky (Major), Hr. Seewald (Graf von Bittersee), Hr. Reinecke (Greis) und Hr. Allram (Bittermann) spielten sehr brav, vorzüglich aber zeichneten sich Mad. Liebich, Hr. Bayer und Hr. Löwe aus. Die erstere gab die Gräfin mit so viel Gemüth als Würde, und erregte besonders in den äußerst schwierigen Szenen mit Horst und Eulalia die lebhafteste Theilnahme. Der zweite umging den Stein des Anstoßes der meisten Unbekannten, daß sie den Kavalier ganz vergessen und einen unerzogenen Sauertopf darstellen, sehr glücklich, und der letztere bewies daß man als Peter den höchsten komischen Effekt hervorbringen kann, ohne in eine eckelhafte Karrikatur zu verfallen.

Editorial

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Übertragung
Charlene Jakob

Tradition

  • Text Source: Kaiserlich Königlich privilegirte Prager Zeitung, Jg. 2, Nr. 44 (13. Februar 1815), pp. 183

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