Euryanthe. Große romantische Oper in drei Aufzügen

Back

Show markers in text

Euryanthe. Große romantische Oper in drei Aufzügen, von Helmine von Chezy. Wien, 1824.

Ueber die Deutschen Opern scheint ein Unstern zu walten. Auch diese neueste große romantische Oper ist mißrathen. So reich man sie auch finden mag an lieblichen Minneliedern, so arm ist sie an wahrhaft romantischem Geist nicht nur, sondern auch ohne allen nothwendigen innern Zusammenhang, und bei der Willkühr in Behandlung des nicht ungünstigen Stoffs unklar, und überdieß überladen mit romantischem Apparat. Es ist in der That, als wenn dieser den fehlenden Geist des Romantischen ersetzen solle; denn eine Scene des Pomps und Prunks, der damit grell contrastirenden schaudervollen Einöden u. dgl. m. folgt auf die andre im buntesten Wechsel. Unklar wird die DichtungT dadurch, daß der Schicksalsring, an welchen die Auflösung hängt, als solcher bloß einmal mit den orakelmäßigen Versen erwähnt wird:

– nicht eh’ kann Ruh’ mir werden,Bis diesen Ring, aus dem ich Tod gesogen,Der Unschuld Thräne netzt im höchsten LeidUnd Treu’ dem Mörder Rettung beut für Mord –

und diese Verse werden überdieß bloß einer Geistererscheinung erzählend in den Mund gelegt. Es heißt wahrlich sehr viel verlangt, daß die Zuschauer diese doch so sehr wichtige Phrophezeihung sogleich fassen, und das ganze Stück hindurch gegenwärtig behalten sollen. Dieß ist so gut wie unmöglich, und daher denn eine, die ganze Vorstellung hindurch währende Unklarheit, um nicht zu sagen Verworrenheit, unvermeidlich. – Schlechthin | willkührlich wird die Verwicklung plötzlich durchhauen, indem Euryanthe dem Könige bekennt, daß sie der Eglantine das Geheimniß des Ringes vertraut habe. Es ist schlechterdings kein Grund denkbar, warum sie dieses Bekenntniß nicht schon früher und namentlich ihrem Geliebten abgelegt hat; dadurch freilich wäre dann die Oper, kaum angefangen, schon zu Ende gewesen, und wir hätten statt drei Acte nur zwei bekommen. – Dem Musiker ist übrigens Gelegenheit in Fülle, man möchte fast sagen, in Ueberfülle gegeben, sich auf die glänzendste und mannichfaltigste Weise wirksam zu erweisen – und so werden sich denn wohl die Zuschauer zunächst an die Tondichtung, an die hübschen Liebeslieder und an den Prunk und Pomp der Decorationen und Aufzüge halten – und so läßt es sich erklären, daß auch diese verfehlte Operndichtung Furore gemacht hat und noch machen wird.

Kannte denn die so talentvolle Dichterin Shak[e]speare’s Imogen nicht, und wenn sie diese kannte, warum behandelte sie den so ähnlichen Stoff nicht auf die Weise, wie Shak[e]speare ihn behandelt hat? Dann wäre sie gewiß nicht in ein solches Nebeln und Schwebeln hineingerathen.

Hier stehe eins von den trefflichen Minneliedern:

Der Mai bringt frische Rosen dar,Die Rose schmückt der Jungfrau Haar,Und Niemand weiß im grünen Mai,Was Rose, noch was Mädchen sey.Chor.Denn was da blüht, ist Ros’ im Mai!Stimme.Der Mai, der holde Mai erhelltNach Wintersleid die schöne Welt,Und Niemand weiß im grünen Mai,Was einsam Leid und Sehnen sey.Chor.Denn Lieb’ und Treu frohlockt im Mai.Stimme.Der Mai bringt frische Blüthen viel,Die Liebe ist des Maien Spiel,Und Niemand weiß im grünen Mai,Was Blüthe, noch was Liebe sey.Chor.Denn was da blüht, das liebt im Mai. | | Stimme.Der Mai bringt dir, du theures Paar,Der Blüthen allerschönste dar,Wohl wißt Ihr Zwei im grünen Mai,Wie seelig Lieb’ und Treue sey.Chor.Denn eure Treu’ krönt heut’ der Mai!

Nach solchen Erfahrungen scheinen freilich die Verächter der Oper Recht zu haben, wenn sie behaupten, bei dieser Dichtart gelte der Spruch: „Je toller, je besser!“

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Bandur, Markus

Tradition

Text Constitution

  • “1824”sic!

      XML

      If you've spotted some error or inaccurateness please do not hesitate to inform us via bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.