Aufführungsbesprechung Wien: “Euryanthe” von Carl Maria von Weber

Back

Show markers in text

Die Aufführung der Oper: „Euryanthe“ von Fr. v. Chezy, mit Musik von K. M. v. Weber im k. k. Hofoperntheater zu Wien, gab dem kunstliebenden Publikum wieder Gelegenheit, dem geistreichen Compositeur neue Beweise seiner Liebe zu geben. Weber, unstreitig einer der vorzüglichsten der jetzt lebenden Tondichter, der kühn seinen Gang geht, ohne sich zu den Schwächen seiner Zeit verleiten zu lassen, hat auch hier wieder seine Meisterschaft beurkundet. Auf eine originelle, liebliche, und doch wieder großartige Ouverture folgt ein charakteristisches Tongemählde, mit herrlichen Chören durchwebt, von welchen der Jägerchor wiederhohlt werden mußte. Groß und erhaben ist das zweite Finale, und unübertrefflich der Moment in der Musik ausgedrückt, wo Euryanthe als schuldig erkannt wird, unwillkührlich an Schillers Jungfrau mahnend. Ausgezeichnet schön sangen Mad. Grünbaum und Dem. Sonntag, minder glücklich war die Besetzung der männlichen Rollen; doch wurde allgemein der Mangel einer eigentlichen Bravour-Arie bedauert, da beide Künstlerinnen so ganz dazu geeignet sind, selbst die schwierigste mit Vollendung durchzuführen. Die Kenner sind entzückt von Webers neuem Werke und verwundern sich, daß das Ganze zwar huldigt, doch nicht mit ihrer Innigkeit. Der Grund dieser Erscheinung dürfte wohl in dem Umstande liegen, daß die Oper etwas zu ernsthaft ist. Euryanthe ist ein höchst anziehender, romantischer Stoff und von Fr. v. Chezy gut behandelt. (Einen Beweis zarter Sittigkeit gibt der Moment, wo die gesammten Frauen des Hofes bei des Grafen frevelhafter Bemerkung, es gebe keine treue Frau, sich erheben und entfernen) doch pathetisch und gleichförmig, und als Oper, zumahl heutzutage, schwer zu behandeln. Weber ist kein Rossini, der, bloß seiner üppigen Laune folgend, selbst in der Semiramis Mutter und Sohn, in einer höchst tragischen Stelle – jodeln läßt; gewissenhaft folgt er dem innersten Gefühl der Dichtung und kann hervorheben, aber mit einem Stoffe, der sich nur für den kleinern Kreis gebildeter Kunstliebhaber ganz eignet, nicht das große Publikum – wenigstens nicht das erste Mahl – so wie durch den universellen Freischützen in steten Enthusiasmus versetzen; doch ist nicht zu zweifeln, daß die Theilnahme an dieser Oper, wie es mit so manchem wackern Kunstwerke der Fall war, mit den folgenden Aufführungen wachsen werde.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Bandur, Markus

Tradition

  • Text Source: Der Kranz, oder: Erholungen für Geist und Herz, vol. 4, Jg. 1823, Nr. 19 (November), pp. 76

Text Constitution

  • “versetzen”sic!

      XML

      If you've spotted some error or inaccurateness please do not hesitate to inform us via bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.