Aufführungsbesprechung Frankfurt a. M.: “Euryanthe” von Carl Maria von Weber, April 1824

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(Beschluß.)

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Die neue Oper Jossonda von Spohr wurde günstiger aufgenommen als Webers Euryanthe, wird indessen eben so mit dem Faust in nachtheilige Vergleichung gesezt, wie Euryanthe mit dem Freyschütz. So ungerecht auch solche Vergleichungen im Allgemeinen sind, da nicht ein Werk wie das andere seyn kann und nach dem augenblicklichen Eindruck eines neuen Werkes die Parallele mit einem älteren mit weniger Sicherheit gezogen werden mag, so treffen diese Vergleichungen doch in beyden Opern etwas Wahres. An der Euryanthe hatte ich in meinem lezten Bericht im Wesentlichen zweyerley auszusetzen, Armuth an Melodie und das Manierirte. Den lezteren Fehler kann man dieser Spohrischen Oper nicht wohl zum Vorwurf machen. Wurde man hie und da an Faust und sehr oft an Zemire und Azor erinnert, so schienen doch diese Anklänge nichts Gesuchtes zu haben, und ich möchte sie, wo nicht offenbare Wiederholungen ganzer Passagen nachzuweisen sind, nicht allein entschuldigen, sondern als ehrenwerthe musikalische ¦ Individualität, als Eigenthümlichkeit des Styls in Schutz nehmen. Armuth an Melodie ist wohl auch hier fühlbar, aber doch in minderm Grade als bey der Euryanthe. Es kommen in der Jossonda mehr ansprechende Musikstücke vor, wie mir überhaupt diese Oper innigere und gemüthlichere Motive zu besitzen scheint. Spohr zeigt sich mir im Ganzen mehr als milder lyrischer Dichter, welchem die Sprache der Sehnsucht mehr zu Gebote steht, Weber dagegen als charakteristischer, daher ich ihm auch größeres dramatisches Talent zuschreiben möchte und es doppelt traurig finde, wenn er in einem andern Geiste zu dichten unternimmt, der nicht sein eigner ist und in das Reich des Formlosen führt. Wenn wir nun beyde Opern, wie sie sich dem unbefangenen, sinnigen Hörer zuerst geben, zusammenhalten wollen, so steht die ernstere Euryanthe an Originalität und an lyrischer Kraft höher, die zartere Jossonda dagegen im natürlichen Ausdruck und in romantischer Bedeutsamkeit. Um jedes dieser beyden Werke als Kunstganzes gehörig zu würdigen, bedarf es größerer Sammlung und tiefern Eindringens in den Geist der Komposition, als ein- oder zweymaliges Anhören möglich macht. –  […]

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Editorial

General Remark

Laut Redaktionsexemplar der Zeitschrift aus dem Cotta-Archiv (Schiller-Nationalmuseum Marbach) war der Honorarempfänger (und somit wohl auch Autor) des Beitrages Guido von Meyer.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Bandur, Markus

Tradition

  • Text Source: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 18, Nr. 133 (3. Juni 1824), pp. 532

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