Aufführungsbesprechung Berlin: “Euryanthe” von Carl Maria von Weber am 23. Dezember 1825

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Gestern ist Euryanthe zum erstenmale hier gegen, und ich eile, Sie, werthester Herr und Freund, zu benachrichtigen, welchen Erfolg ihr Erscheinen hervorgebracht hat. – Das Haus war zum Erdrücken voll. Als der Stundenzeiger auf sechs wies, war alles in der gespanntesten Erwartung. Weber erschien im Orchester. Der Jubel war ohne Grenzen. Freudiger Empfang. Bravorufen und Händeklatschen, wie es nur in einem Pariser Theater möglich seyn kann. Die Ouverture hob an. Gegen den Schluß wiederholter Jubel. Da Capo rufen. So nahm die Vorstellung ihren Anfang und nun glich der Beifall der entzückten Menge einem Strome, der groß und herrlich alle Dämme durchbricht, die ihn in seinem Laufe zu beschränken drohen. Nach dem ersten Akte schon wurde Weber laut gerufen, eine Auszeichnung, die vor ihm noch keinem Dichter oder Componisten zu Theil wurde. Er erschien. Als die Vorstellung beendet, wiederholte sich der Jubel, und man wußte nicht, ob es dieselbe freudige Menge war, die ihn zu Anfang begrüßt hatte, so lebendig, so warm und frisch war das Jubiliren. Ein edler Mensch zieht edle Menschen an, sagt Göthe*. Das haben wir gefühlt. Alle Künstler, Sänger und Musiker waren begeistert und bewegten sich auf diesen hellen Musikwellen wie erfahrene Schiffer. Madame Seidler war Euryanthe. Ihr ganzes Wesen war Liebe. Ihre Augensterne glänzten am schönsten im Leide. Als sie verfolgt, unschuldig leidend, in der Wildniß umherirrend, auf dem kalten Boden ermattet niedersank, erinnerte sie lebendig an die heilige Genoveva, wie sie in Legenden und Bildern dargestellt ist. So schön und lieb muß diese ausgesehen haben. Kunst und Schönheit im innigsten Vereine. – Ihr gebührt der erste Kranz unter den Künstlern. – Mad. Schulz sang Eglantine mit einem Aufwande von Mitteln, der in Erstaunen setzte. Hrn. Bader’s Gesang (Adolar) führte uns in die Zeit der Troubadoure zurück. Herr Devrient jun. als König, ernst und würdig im Gesange. Hrn. Blume’s (Lysiart) Streben wurde wahrgenommen. Die Chöre gingen trefflich. Decorationen und Costume dem Ganzen angemessen.

Nach der Vorstellung gaben die Freunde Weber’s ihm ein Festmahl. Während desselben sangen die Choristen seine Lieder und später brachten die Musikchöre ihm eine Abendmusik. Nur seine Melodieen, nur seine Lieder klangen. Es war Mitternacht, als die Freunde sich trennten. Der Mond schien hell, viele Sterne leuchteten. – Es ist ein schöner Glaube, alles was uns im Leben werth war, droben am ewig klaren Himmel in Sternen zu suchen. Als Mozart schied, suchten wir ihn, da wir auf Erden seines Gleichen nicht fanden. – Sein Genius umschwebt uns jetzt wieder und Weber ist es, dem die Musen dieß Flügelkleid verliehen haben.

Justus.

Editorial

General Remark

In A112680 als “Brief eines Zeitgenossen” teilveröffentlicht.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Ziegler, Frank

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 11, Nr. 1 (2. Januar 1826), pp. 4

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