Aufführungsbesprechung München, Hoftheater: Konzert von Carl Maria von Weber am 2. August 1815

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Conzert.

München, den 10. Aug. 1815.

Verflossenen Mittwoch den 2. Aug. gab hier im königl. Hoftheater Herr Carl Maria v. Weber ein großes Vokal- und Instrumental-Conzert. Schon die Wahl der Stücke, welche gegeben, so wie die Personen, von denen sie gegeben wurden, haben diesem Conzerte einen ausgezeichneten Glanz ertheilt, welcher aber dadurch, daß der Herr Conzertgeber selbst ein in der musikalischen Welt mit Ruhm gekrönter Künstler war, einen wahren Zauberschimmer erhielt. Voraus gieng eine kraftvolle Ouvertüre aus der Oper Peter Schmoll von C. M. v. Weber, welche mit großem Beyfalle aufgenommen wurde.

Hr. Mittermayr sang hierauf eine Arie von Bar. v. Poißl, und Sänger und Compositeur ärnteten ungetheilten Beyfall. Zum Schlusse der ersten Abtheilung spielte Herr C. M. v. Weber ein von ihm selbst componirtes Pianoforte-Conzert.

Der originelle Geist des genialen Künstlers in Erfindung der überraschendsten Uebergänge, hoher Schwung, eine Fülle von Gedanken, rißen wahrhafte Kenner und gemüthvolle Zuhörer zur Bewun¦derung hin. Wir wollen bey dieser Gelegenheit ein wenig verweilen, um dem Leser manches zu bedenken zu geben, wenn er von der Zahl derjenigen seyn sollte, die in den Geist der Musik des Hrn. C. M. v. Weber nicht völlig einstimmen wollen. Diese nämlich gestehen dem Künstler alle Eigenschaften eines Compositeurs, gründliche Kenntnisse und ausserordentliche Talente zu, behaupten aber, er gehe in seinem Streben nach Neuheit und Originalität zu weit, und verfehle dadurch die Einheit und den Zusammenhang. Dieser Vorwurf hat viel Wahrscheinlichkeit für solche, welche aus dem Gange, den die Musik größtentheils bisher beobachtet hat, nicht herausgebracht werden können, und alles so hübsch glatt und an der Tagesordnung haben wollen, daß es nicht viel Mühe kostet, den Gedanken immer zu finden und zu behalten, wie auch für diejenigen, welche eben nicht tiefer in das Wesen der Kunst eingeweiht sind und sich gerne alles aufschwätzen lassen, was andre mit einer Art von Kennermiene ihnen vorsagen. Uns hat es ganz anders geschienen. Wir haben nichts von schneidenden Contrasten, nichts von gewaltsamen Uebergängen aus einer Stimmung in die andere, wir haben nur eine liebliche,* von einer großen Phantasie zeugende Varietät wahrgenommen, und haben uns durch scharfe Aufmerksamkeit überzeugt, daß neben einer strengen grammatikalischen Ordnung der Künstler genau darauf sah, nie von seinem Hauptgedanken abzugehen, wohl aber denselben durch sein Genie so vielfältig abwechseln ließ, daß diejenigen, welche an Bildersprache in der Musik nicht gewöhnt sind, ihn leicht für verloren geben konnten. Ist es doch aber hier gerade wie in der Poesie. Sobald der Dichter sich in Darstellung von Bildern ergötzt, nennt er wohl seinen Gegenstand noch immer, aber es sind ganz andere Namen, und wer Anfangs ein Gedicht an schöne Augen zu hören erwartete, und nun von Sternen, Blumen, klaren Quellen, Perlen und dergleichen reden hört, der kann eben so gut dem Dichter den Vorwurf machen, von dem Hauptstoffe, den schönen Augen abgegangen zu seyn, ohne deßwegen seinen Tadel vor den Augen der wahren Kunstgeweihten rechtfertigen zu können, da | gerade in Metaphern, Tropen &c. der Reichthum der poetischen Sprache besteht. Musik und Poesie haben sich auf eine neue Bildungsstufe geschwungen, und es dürfte der Verstand der Profanen leicht an der Einen auszusetzen haben, was heut zu Tage so sehr an der Andern getadelt wird. Ich glaube, daß, wer tiefere Aufschlüsse darüber verlangt, am besten thut, sich an den Künstler selbst zu wenden, der von der Planmässigkeit seines Styles eine zu beruhigende Ueberzeugung hat, als daß es ihm wie wir hoffen, unwillkommen seyn sollte, seinen Gegner durch die Partitur da zu überzeugen, wo eine Mittheilung auf dem Papiere zu einseitig und zu wenig anschaulich ausfallen muß. Ja, wir glauben dieses um so mehr, als wir an Hrn. C. M. v. Weber einen Künstler schätzen und verehren, welcher der Welt durch theoretische Darstellung seiner Kunstansichten vielfältige Beweise gegeben, wie richtig sein Geist über diesen Gegenstand denkt, und es scheint uns wirklich unmöglich, daß man sich in seinen Grundsätzen so klar seyn und in der Ausübung derselben einen offenbaren Widerspruch begehen könnte.

Wir gehen nun zur zweyten Abtheilung dieses Conzertes über und ergreifen mit Vergnügen die Gelegenheit Hrn. Rovelli, der ein Violinconzert von Creuzer mit wahrer Virtuosität spielte, unsern ungetheilten Beyfall zu schenken. Wir können mit fester Ueberzeugung versichern, daß in Hrn. Rovelli einer der größten Künstler auf seinem Instrumente heranblüht; das hiesige Orchester hat an ihm eine seiner kostbarsten Zierden erhalten. Eine von Hrn. C. M. von Weber componirte Arie aus der Oper Ignez de Castro wurde von Mad. Harlas mit einer Schönheit der Stimme, mit einem Ausdrucke des Gefühles gesungen, daß sich Alles zur höchsten Bewunderung hingerissen fühlte. Der Gesang dieser großen Künstlerin übersteigt alles Lob; es gibt nichts in der Kunst, was mehr zu bezaubern im Stande ist, als ihre himmlische Kehle. In einem Conzertante für Clarinette und Pianoforte von C. M. v. Weber, gespielt von Hrn. Bärmann und dem Componisten, bewährte sich wieder ganz alles, was wir schon oben über Hrn. C. M. von Webers Art zu componiren, gesagt. ¦ Welche Weichheit, welche tiefe Klage, welches Dulden und Leiden der Seele! – Himmlische Mächte der Tonkunst, hätte man ausrufen mögen:

Wer nie sein Brod in Thränen aß,Wer nie die kummervollen NächteAuf seinem Bette weinend saß,Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!

Und das Rondo: welcher schöne Uebergang der Trauer zur Freude! welche reiche Empfindung in beyden! Man denke sich dazu einen Laut auf dem Clarinette, wie ihn Hr. Bärmann, aber auch nur Hr. Bärmann hervorzuzaubern versteht, und wer anders Phantasie und Gemüth hat (zwey Dinge, um die unsre gar zu verständige Welt wenig wissen will), dem müssen solche Töne das innerste Herz ergreifen.

Zum Schlusse hörten wir drey von Hrn. C. M. v. Weber compinirte Gedichte des trefflichen Theod. Körner, nämlich das Schwertlied, das Gebet und Lützows wilde Jagd! – Zarter den Geist des Dichters auffassen, ausdrucksvoller ihn darstellen, ist wohl nicht möglich. Diese Lieder sind ein neuer Schatz, womit Hr. C. M. v. Weber den Gesang bereichert und wofür, wie für die ausgezeichneten Genüsse dieses herrlichen Abends wir ihm unsern Dank und wärmsten Beyfall ertheilen.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Jakob, Charlene

Tradition

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    • “,”In der Vorlage steht hier ein Apostroph. Hierbei handelt es sich wohl eher um einen Druckfehler.
    • compinirterecte “componirte”.

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