Bericht über Weber-Aufführungen im Leipziger Theater Anfang 1827 (Teil 2 von 2)

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Correspondenz.

(Beschluß.)

Seine letzte Oper, Oberon, König der Elfen, ist auf unserm Theater, das sich die seltene Ehre zu erringen gewußt hat, ein bedeutendes Werk in ganz Deutschland zuerst zu geben, wohl 15 Mal bei immer gefülltem Hause vorgestellt worden*. Von allen Seiten strömten Fremde herbei, das vielgepriesene Stück und die Pracht der Darstellung desselben in Augenschein zu nehmen und – glückt es, es auch zu hören. Die Musik ist im Ganzen genial, wenn auch hin und wieder seltsam und gesucht, wie z. B. ziemlich das Meiste, was Huon singt und einiges Andere. Dafür bietet jedoch das Uebrige, also bei weitem der größte Theil, reiche Entschädigung. Es gehört zu dem Herrlichsten, was er je schrieb und wird von den Meisten geradehin dafür erklärt und unbedingt für meisterlich gehalten. Das Gedicht hingegen können wir zwar nicht verfehlt, das würde der gute Stoff kaum zulassen, aber auch nicht vorzüglich nennen, und die Uebersetzung von Theodor Hell auch nicht, ob wir gleich gelesen haben, was man zu Gunsten derselben vorbringen kann. Die Verse, die der geübte Uebersetzer sonst recht fließend zu machen weiß, lassen sich doch zuweilen zu holprig vernehmen und singen sich mitunter recht übel. Aber das thut jetzt noch weniger, als sonst, denn die Instrumente wollen sich auch hören lassen, die übertönen nun einmal doch die Worte. Wir leben jetzt in mancher Hinsicht in der Zeit der Instrumente und sollen auch darin leben. Man muß sich wirklich billig verwun¦dern, wie schön das Alles bläs’t. Ach wenn doch einmal ein genialer Amtsphysicus oder sonst Einer die nützliche Erfindung einer Doppellunge machen wollte. Mit diesem Stückchen könnte sich Einer recht viel Geld und Ehre erwerben, und für unsere Sänger, und nebenbei für andere weniger bedeutende Leute, wäre das doch ein kaum zu bezweifelnder Vortheil. Vielleicht könnten sie dann wieder durchdringen! Aber da müßten sie auch wieder die Worte aussprechen lernen, wenn uns Zuhörern die Sache etwas helfen sollte; und am Ende müßten auch die Verse wieder besser seyn, und das wäre unbequem. Und so sehen wir, wie wir auf Erden auch bei den glücklichsten Erfindungen immerdar den großen Satz festzuhalten haben, daß alle Generationen, vom König bis zum Referenten, jederzeit mit einer rechten und einer linken Seite geboren werden und mit denselben wandeln, bis beide werden, woraus sie genommen sind. Dasselbe auffallende Phänomen zeigt sich auch auf unserm Theater, und wir müssen sogar mit Bedauern bemerken, daß auf demselben auch mitunter einige Sänger und Sängerinnen krank werden und unter solchen Umständen nicht singen können. Da hat nun die Direction die Hauptrollen im Oberon doppelt besetzt; Rezia wird von Dem. Canzi und von Mad. Streit gesungen, und von beiden, was nicht wenig sagen will, gut; Fatime wird von Mad. Devrient und von Frau v. Zieten vorgestellt, auch gut. Man sagt, auch Huon wäre doppelt besetzt worden: aber Hr. Vetter-Huon ist noch nicht krank geworden und hat einen tüchtigen Tenor, womit er auch etwas anzufangen und durchzuführen weiß. Die einfachen Rollen werden überall am wenigsten krank. Und so geht Alles gut auf unserm Theater. Gesetzt aber, es ginge hin und wieder Einiges nicht gut: so hat doch Referent noch keinen Schauspieler kennen gelernt, der nicht, wie natürlich, Alles viel besser wüßte, als seine dankschuldigen Zuhörer. Wer aber wird mir den Pinsel mit den großen Borsten leihen, in der Stunde des Mittages in hundert Regenbogen getaucht, den Reiz vor Augen zu malen, der aus Oberon’s Schlummerpalaste den betroffenen Blicken zauberisch entgegenflimmert! Schmuckvoll prangend ist des Geisterbeherrschers Schlafgemach, und seine Elfen, von denen keine, so sehr sie es sonst nach Grimm lieben, in die fernhin duftenden Pilze gegangen ist, umstehen und umtanzen den schwurbeklommenen Träumenden so zart und dünn und leicht, daß die wonneberauschten Aeltern es nicht lassen können, den lieben Kleinen gleichfalls die süße Freude des holden Anschauns mild zu gewähren. Der Himmel stehe den Schulmeistern bei, und den Aeltern, wenn sie alt, und den Kindern, wenn sie groß geworden sind. So eine Feenoper ist recht hübsch. Man fühlt sich gehoben, wenn Oberon in seinem Pfauenwagen mit des Nordens schneeigen Schwänen in die Lüfte fährt; welche Schauer erwachen, wenn die feurigen Gestalten der Schrecknisse einer verborgen waltenden Sturmwelt aus allen Schlünden und Ritzen des | Gebirgs hervorflammen, und hohnlachend in Nacht und Graus zerstieben. Darauf der Seesturm mit der endlich siegreich durchbrechenden blutrothen Sonne; das Plätschern der Wassermädchen und der Zephyrschritt der mondbefreundeten Elfen und zuletzt das rosenfarbene Prachtfeuer, in dem Oberon und sein freundlicher Spuk untertauchen – gewiß, es macht der Direction alle Ehre. – […]

Editorial

Summary

Teil 2 von 2

Creation

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler

Tradition

  • Text Source: Journal für Literatur, Kunst und geselliges Leben, Jg. 42, Nr. 54 (5. Mai 1827), col. 429–431

    Commentary

    • “… immer gefülltem Hause vorgestellt worden”Die ersten 15 Vorstellungen der Oper in Leipzig fanden am 24. und 29. Dezember 1826, am 2., 6., 10., 21., 24. und 31. Januar, 13. und 21. Februar, 4., 16. und 25. März sowie 7. und 20. April 1827 statt.

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