Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: 26. July – 9. August 1816

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Theater.

Prag. – Den 26. July: Der alte Junggeselle, Lustspiel in 5 A. von Huber. So brav dieß Stück aufgeführt wurde, so hatte es sich doch nur eines getheilten Beyfalls zu erfreuen; es fehlt dem Ganzen durchaus an lebhafter Handlung und Charakterzeichnung, und der Dialog ist zwar rein und fließend, doch nicht im Stande, gegen die Fehler des Werkes zu verblenden.

Den 30.: Hamlet, Prinz von Dänemark, Trauerspiel in 5 A. Herr Stein vom Wiener Hoftheater gab den Hamlet zur ersten Gastrolle. Die Gestalt dieses jungen Mannes, der übrigens viel Talent hat, ist nicht die glücklichste für sein Rollenfach, zumahl da er, was ihm an Höhe abgeht, durch ein fortwährendes Heben auf die Spitzen zu ersetzen sucht. Seine Physiognomie ist edel und einnehmend, seine Stimme äußerst wohlklingend, und wenn es Herrn Stein noch möglich ist, sich von der gewaltigen Declamationsmanier los zu machen, in der er befangen ist, so lassen sich auf sein Talent die schönsten Hoffnungen gründen. Seine Darstellung des Hamlets, der es durchaus noch an Einheit und Rundung fehlte, hatte sehr gelungene Momente, z. B. die Scenen mit Ophelia, und zum Theil jene mit Oldenholm; dagegen mißglückte ihm der Monolog: „Seyn oder Nichtseyn,“ ganz, und das Ganze schien nicht aus seiner eigenen Seele geschöpft, sondern vielmehr die Wiedergabe einer fremden Ansicht zu seyn. Unmöglich können wir hier unsere Verwunderung unterdrücken, daß alle Hamlets ihren eigenen Vortheil so sehr verkennen, und niemahls statt der prosaischen Schröder’schen Übersetzung des Monologs Schlegels herrliche Wiedergeburt desselben zu sprechen, der durch Gedankenfülle mit Wohlklang vermählt, ihre Arbeit so sehr erleichtern und lohnreicher machen würde. Mad. Sonntag gab die Ophelia sehr brav, besonders die Wahnsinnsscenen stellte sie mit einer Vollendung dar, daß sie hier selbst mit einer Schröder wetteifern könnte. ¦

Den 5. August: Die teutschen Ritter vor Nicäa, Schauspiel in 5 A. Herr Stein gab den Balduin von Eichenhorst zur zweyten Gastrolle. Es ist eine gewöhnliche Erscheinung und in der Natur des Menschen gegründet, daß bey der allgemeinen dramatischen Völkerwanderung, die alle Sommer über die Jünger dieser Kunst kommt, und sie nach Ost und West jagt, ein jeder sich in Rollen zu versuchen wünscht, für welche er Talent zu haben glaubt, und welche ihm daheim nicht zu Theil werden; aber bey diesen Ausflügen gibt es nur zweyerley zu bemerken: erstens muß der Künstler allmählich fortschreiten; denn in der Natur gibt es keine Sprünge, und der junge Künstler, dem zu Haufe einige jugendliche natürliche Charaktere gelingen, erhebe sich nicht auf einmahl zu den Heroen der Tragödie, und berechne zweytens, ob der Ort und die Bühne, wo er erscheint, dazu geeignet ist, sich mit etwas Geringerem zu begnügen. Herr Stein schien das letztere gar nicht beherzigt zu haben, und in dem Wahne zu stehen, auf der Bühne einer Provinz könne man alles wagen. Daher kam es, daß sein Talent von den Kennern weniger gewürdigt wurde, als er es verdient, und nur die laute Stimme des großen Haufens ihn hervorrief. Er war heute noch mehr als im Hamlet in die Sucht zu declamiren – oder, wie man hier sagt, zu predigen – vertieft und von aller schönen Naturdarstellung entfernt.

Den 9.: Das Incognito, Lustspiel in 4 A. Herr Stein gab den Cadeten als dritte Gastrolle, und rechtfertigte schon im ersten Acte die Behauptung, daß er viel zu leisten vermöchte, wenn er seiner angenommenen Manier entsagen wollte. Er gab den ersten Act mit einer natürlichen Wärme und Wahrheit, die allgemein für ihn einnahm; allein schon im zweyten Acte verfiel er wieder, und zwar ganz am unrechten Orte, in sein falsches Pathos. Unter den braven Künstlern, die ihn auf’s vortheilhafteste unterstützten, verdient vorzüglich Dll. Brand genannt zu werden, welche die Rosalie mit der höchsten Vollendung gab.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Jakob, Charlene

Tradition

  • Text Source: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 123 (12. Oktober 1816), pp. 508

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