Aufführungsbesprechung Wien, Burgtheater: “Preciosa” von Carl Maria von Weber am 22. Juni 1825

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(K. K. Hoftheater nächst der Burg.) Am 22. Juny zum ersten Mahle: Präciosa. Schauspiel in vier Aufzügen von P. A. Wolff. Musik von Carl Maria von Weber, königlich-sächsischem Hofcapellmeister.

Wir können uns für dießmal einer Inhaltsanzeige sowohl als einer weitläufigen Beurtheilung dieses Schauspieles selbst um so eher überheben, da einer Seits das gedruckte Buch zu haben ist, (in der Wallishausser’schen Buchhandlung) und ander Seits das Werk durch mehrere Aufführungen im k. k. priv. Theater an der Wien, hinlänglich bekannt, und auch in unserm Blatte bereits besprochen worden ist. Einige flüchtige Bemerkungen aber können wir uns hier um so weniger versagen, da die gedachte frühere Beurtheilung von einem andern Referenten herrührt, mit dessen Ansichten der Schreiber dieser Zeilen nicht immer übereinstimmen kann. Unstreitig ist es, daß in diesem Schauspiele viele Kenntniß der Bühnenwirksamkeit wahrgenommen wird; daß die Sprache zuweilen mit vieler Gewandtheit und Geschick gehandhabt ist, und daß es einer begabten jungen Küntlerinn in der Hauptrolle viele Gelegenheit zur Auszeichnung biethet. Hiemit aber dürfte es mit den Vorzügen dieser Dichtung wohl ziemlich zu Ende seyn. Den Maßstab höherer Kritik darf man durchaus nicht an dieselbe legen. Offenbar soll es der romantischen Gattung angehören; aber wenn irgendwo die Verwechslung von romantisch mit romanhaft Statt gefunden hat, so war es hier; Ritterthum und Mienendienst, jene beyden erhabenen Gipfel romantischer Dichtung, wie verflächt und komödienhaft erscheinen sie hier in den Verhältnisssen Präciosens und Alonso’s; wie gänzlich entfremdet jener tiefen Bedeutsamkeit, deren sie fähig sind! – Die gelungenste Characterzeichnung ist wohl unstreitig die Zigeunermutter; die Gestalt des Schloßvogtes, so drollig sie auch durch gewandte Künstler zur Anschauung gebracht wird, erhält doch nur ihre komische Wirkung durch die verkehrt gebrauchten fremden Redensarten; da steckt also die Komik durchaus nur in der Hülle. Komische Natur ist hier nicht zu finden, und der Anwald Dupperich, unstreitig das Vorbild dieser Gestalt, hätte den Verfasser wohl über die künstlerische Verbindung beyder Elemente belehren können. Die häufigen, sogenannten Theatercoups, z. B. der Schluß des dritten Actes u. f. w. zeigen sich wohl zuweilen wirksam auf der Bühne, sind aber der höhern Würde einer Dichtung, welche auf romantischen Geist Anspruch macht, nicht angemessen. So glauben wir denn, daß die Art und Weise, wie der Stoff hier verarbeitet worden, dem Stücke alle Ansprüche zu einem tauglichen und wirksamen Bühnenproducte geben, ohne es zu höheren Forderungen zu erheben. Wir gehen nun zu der Darstellung über, welche mit der reichsten scenischen Ausschmückung auf der Hofbühne Statt fand. Mad. Neumann erschien als Präciosa, und leistete Vorzügliches. Nicht leicht dürfte eine Schauspielerinn gefunden werden, welche alle Theile dieser Aufgabe genügend zu lösen im Stande wäre. Die Gaben Thaliens, Polyhymniens und Terpsichorens an einem Wesen verbunden zu erblicken, wird uns nur selten oder nie vergönnt werden, zumahl in solchem Maße, als es die vollkommenen Darstellung dieser Rolle erfordern möchte. Mad. Neumann zeigte ein reiches, ¦ schönes Talent in allen Beziehungen. Sie war liebenswürdig als Schauspielerinn, lieblich als Sängerinn, anmuthig als Tänzerinn. Daß das Ideal nicht erreicht ward, kann ihr unmöglich zum Vorwurfe gereichen. Im Allgemeinen schien es uns, als ob zu große Lebendigkeit in der Darstellung vorherrschend geworden wäre. Dieß eben ist der Reitz, welcher ganz Madrid bezaubert, daß ein Mädchen wie Preciosa, einfach, bescheiden, und fromm, eine seltene Perle aufgeblüht war, in dem wilden ruhelosen treiben einer Zigeunerhorde. Dieß mehr noch als die seltene Schönheit Preciosens ist es, welches alle Herzen ihr zuzieht, und diesen Geist vermißten wir zuweilen in der Erscheinung Präciosens. Im zweyten Acte wurde er am sichtbarsten, und wir stehen auch nicht an, diesen als vorzüglichst gelungenen Theil der Darstellung der Mad. Neumann zu bezeichnen. Die Scenen mit Alonso in diesem Aufzuge und die Prophezeyung waren meisterhaft zu nennen. Das Publicum bewies übrigens der Künstlerinn im Laufe der gesammten Darstellung die regste Theilnahme. Mad. Neumann wurde dreymal gerufen. Ihr zunächst müssen wir hier Mad. Koberwein* nennen, welche als Zigeunermutter Vorzügliches leistete. Sie hatte den Geist ihres Characters vollkommen aufgefaßt, und brachte die Rolle mit der größten Wirksamkeit zur Anschauung. Die Künstlerinn errang lauten und wohlverdienten Beyfall. Hr. Heurteur (Zigeunerhauptmann) wußte seiner Rolle ein anziehendes Colorit zu verleihen. Seine Schilderung des Nomadenlebens war lebendig und feurig, und verfehlte die Wirkung nicht. Hr. Kettel (Don Alonso) verdient ebenfalls Lob, für die zweckmäßige Gestaltung seines Helden. Seine Darstellung athmete den Geist der Ritterlichkeit und glühenden Liebe des edlen spanischen Jünglings. Das Publicum belohnte die Wärme und Innigkeit seines Spieles mit der vollkommensten Anerkennung. Hr. Wilhelmi (Pedro) erschien höchst ergetzlich und entfaltete eine reiche und wirksame Komik. Unter den kleineren Rollen bemerkten wie mit Vergnügen Hrn. Krüger als Don Contreras, und Dlle. Lefevre als Donna Petronella. Diese drolligen Gestalten können keine glücklicheren Darsteller finden, als diese beyden trefflichen Mitglieder unserer Hofbühne. Schon die äußere Erscheinung war höchst zweckmäßig, und das treffliche Spiel der Künstler gab den wenigen Worten, welche sie zu sprechen hatten, erhöhten Reitz. Wohl der Bühne, welche im Stande ist, auch so unbedeutende Episoden durch solche Künstler zur Anschauung zu bringen. Alle übrigen Darstellenden wirkten mit Fleiß und Eifer zur vollkommenen Gestaltung des Ganzen. Weber’s treffliche Musik verschafft diesem Schauspiele einen ganz eingenthümlichen Reitz. Auch mit diesem Theile der Darstellung hatte man Ursache vollkommen zufrieden zu seyn, und sowohl Gesang als Tanz zeigte sich auf eine der Würde der Hofbühne angemessenen Weise. Die Ausführung der Chöre war trefflich, und in jeder Hinsicht wurde für die scenische Ausschmückung gesorgt, so viel der Raum des Hauses nur immer gestatete. Die neuen Decorationen von Hrn. de Pian waren zweckmäßig und schön. Die Trachten, nach der Angabe des Hrn. von Stubenrauch, reich und geschmackvoll. So vereinigte sich alles in dieser glänzenden Darstellung, den Genuß des Publicums zu erhöhen. Dasselbe hatte sich auch in ungewöhnlicher Menge versammelt und sprach seine Zufriedenheit deutlich aus. Die Vorstellung wurde seitdem noch einige Mahle bey stets vollem Hause wiederhohlt.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Aida Amiryan-Stein

Tradition

    Commentary

    • “… müssen wir hier Mad. Koberwein”Beim Lithographischen Institut Wien erschien ein Rollenbildnis von Mad. Koberwein als Viarda (Lithographie von Anton Wagner).

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