Aufführungsbesprechung Brünn: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber am 29. März 1822
Brünn, — Ende März
In den Monathen Februar und März ist von hier aus als bemerkenswerth für die Tendenz Ihres Blattes anzuführen: […] | […] ¦ […] Sowohl des neue, à la Müllner abgefaßte Trauerspiel von Mad. Weissenthurn „Ruprecht, Graf zu Horneck“ als das neue, nach dem Französischen von Lembert bearbeitete und mit seinen Begebenheiten nach Dresden verpflanzte Lustspiel: „die Reise zur Hochzeit,“ – gingen in dieser Zeit ohne sonderlichen Erfolg über die Bretter, bis endlich in der Vorstellung der herrlichen Oper von C. Maria von Weber, „der Freischütz“ an dem Theater-Horizont ein neuer Stern aufging*, der zur Befriedigung des Kunstgeschmacks und der Casse – gleich wohlthätig wirkte, und den Kenner[n] wie den Laien die anziehendste Unterhaltung gewährte und dem Kapellmeister Platzer, der heute ohne Instrument dirigirte, mit vollem Recht und nach Verdienst die seltene Ehre des Hervorrufens verschaffte. – Jedem Musikstücke war sein volles Recht geschehen. – Gut einstudiert und daher mit belebendem Ausdruck vorgetragen, mußte jedes die vom genialen Tonsetzer beabsichtigte Wirkung hervorbringen. – Besonders zeichneten sich auch die Chöre aus, die diesmal verstärkt wirkten – so wie auch das Orchester, gleichfalls verstärkt durch rasches feuriges Zusammengreifen alles Lob verdient. Unter den Solo-Parthien zeichnete[n] sich besonders Mad. Schmidt und Dem. Schmidt als Agathe und Annchen, und Hr. Hosp als Max aus. – Letzterer bewährte sehr bedeutende, erfreuliche Fortschritte auf der erst kürzlich betretenen Bahn. – Er sang mit Fleiß, Empfindung und Kraft und auch sein Spiel war weit sicherer und gehaltener. Agathe trug ihren Part mit innigem Gefühl und tiefem Ausdruck vor und Annchen sang mit der Leichtigkeit und erheiternden Freundlichkeit, die einen wohlthuenden Gegensatz zum düstern Colorit des Ganzen bilden, und wovon auch ihr Spiel belebt war. – Hr. Michalesi bewährte sich im Vortrag des Partes des Caspar neuerdings als braver Sänger, so wie Herr Rünner und Herr Müller in den Rollen des Cuno und Kilian ihren Wirkungskreis entsprechend ausfüllten. – Die Oper war auch in scenischer Hinsicht gut geordnet und ausgestattet, die Garderobe neu – und so schloß das diesjährige Theaterjahr auf eine sehr befriedigende, freundliche und ehrenvolle Weise. – Möge uns dieser Schluß ein günstiges Omen für das künftige Jahr seyn!
Editorial
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler
Tradition
-
Text Source: Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens, Jg. 15, Nr. 56 (9. Mai 1822), col. 223f.