Aufführungsbesprechung Karlsruhe, Hoftheater: 7. und 14. August 1831: Neueinstudierung Euryanthe

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(Eingesandt.)

Karlsruhe, den 15. Aug. Der glänzende Erfolg, dessen sich die am 7. und 14. August aufgeführte Oper Euryanthe von K. M. v. Weber erfreute, zeigt auf eine recht auffallende Weise, daß die nämlichen Kunsterzeugnisse zu verschiedenen Zeiten ganz verschieden von dem nämlichen Publikum aufgenommen und beurtheilt werden. Vor ungefähr einem Decennium wurde diese Oper zum ersten Mal bei uns gegeben, und der kurz vorher erschienene Freischütz, der mit ungetheiltem Beifalle aufgenommen und ein Lieblingsstück unseres Publikums geworden war, berechtigte zu den schönsten Erwartungen. Ganz anders war der Erfolg. Der Charakter dieser herrlichen Musik schien nicht im Geringsten anzusprechen, wenn auch einige Anklänge aus der Preciosa und dem Freischützen die Zuhörer hin und wieder recht freudig überraschten. Die meisten Gesangsstücke wurden mit sichtbarer Lauheit u. abstoßender Kälte aufgenommen, und brachten eine Wirkung hervor, die mit dem fatalen Uebernamen, welche diese Oper bei ihrer ersten Aufführung in Wien erhielt, durchaus nicht im Widerspruche stand. Nicht zu verdenken war es daher unserer Intendanz, daß sie, in Berücksichtigung des Vortheils der Theaterkasse, dem Geschmacke des Publikums huldigend, diese Oper vom Repertoire verbannt hat. Mit ihrem ersten Erscheinen schien Euryanthe ihr Todtenfest gefeiert zu haben, bis sie endlich nach einem Zeitraum von 8 bis 10 Jahren von dem Theaterkomité aus ihrem todtenähnlichen Schlummer erweckt wurde, und am 7. August im neu erstrohlenden Glanze wieder an unserm Bühnenhorizonte erschien. Vergleichen wir nun die freundliche Aufnahme dieser Oper, den rauschenden Beifall, dessen sich die mit raschem Zusammengreifen und lobenswerther Pünktlichkeit von unserm Orchester ausgeführte Ouvertüre erfreute, die stürmischen Huldigungen, womit die meisten Gesangstücke aufgenommen wurden, mit der frühern Lauheit so muß sich uns die natürliche Frage aufdringen; „Haben sich die Intelligenz des Publikums und sein Geschmack während dieser Zeit in dem Grade gebessert, um jetzt erst die vielen Schönheiten und erhabenen Gedanken dieser herrlichen Musik verstehen und würdigen können?“ Wer den jetzigen Standpunkt der Oper und die frühere Zusammensetzung des Opernpersonale kennt, wird diese Frage ohne Bedenken bewantworten. Die verschiedenartige Aufführung hat eine so ganz verschiedene Wirkung hervorgebracht. Alle Rollen, selbst die untergeordneten Singparthien, waren gut besetzt, und die Hauptrollen wurden vorzüglich gegeben. Besonders ausgezeichnet waren die Herren Reichel* und Haizinger, von welchem letztern Lysiart in der Introduktion des 1sten Akts so richtig und wahr bemerkt: „Kein Sänger ringt den Preis Dir ab.“ Als glänzender Stern erschien aber Madame Fischer als Euryanthe, der mit Recht der erste Preis zuerkannt wurde. Durch ihr einnehmendes Aeussere, den bezaubernden Wohlklang und die staunenswerthe Kraft ihrer metallrei|chen Stimme für diese schwirige Gesangsparthie reich ausgestattet, verbindet die freundliche Sängerin mit diesen schönen Naturanlagen eine einfache Manier und ein gewandtes Spiel, die sie für die treffliche Darstellung dieser glänzenden Rolle besonders geeignet machen. Dabei mußten wir es dankbar anerkennen, daß die ausgezeichnete Künstlerin nur in den leidenschaftlichen Momenten von der bewundernswerthen Kraft und Volltönigkeit ihrer Stimme Gebrauch gemacht, alle übrigen Gesangsstellen aber, worin der Tonsetzer die Motive einer schwärmerischen Liebe schilderte, mit dem seelenvollen Ausdrucke des innigsten Gefühls vorgetragen hat. Sich bei der ersten Aufführung eines stürmischen Beifalls erfreuend, wurde ihre höchst gelungene Leistung bei der zweiten Vorstellung wo möglich noch mit einem glänzenderen Erfolge gekrönt und mit ungetheilten Huldigungen ward Mad. Fischer am Schlusse der Oper gerufen. Möge sie die Rückerinnerung an diesen enthusiastisch gezollten Beifall auf ihrer Kunstreise begleiten, und uns die freundliche Sängerin noch recht lange als eine der schönsten Zierden unserer Oper erhalten werden.

Wenn wir dem Theaterkomité für den hohen Kunstgenuß, welchen uns die wiederholte Aufführung der Euryanthe brachte, unsern Dank aussprechen müssen, so können wir bei diesem Anlasse den Wunsch nicht unterdrücken, daß solches die genialen Meisterwerke unseres für die Kunst zu frühe verblichenen Feska recht bald aus ihrem langen Schlummer erwecken möchte.

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung der Neueinstudierung der Euryanthe am Karlsruher Hoftheater am 7. u. 14. August 1831 mit Rückblick auf die Aufführungen von 1824

Creation

Responsibilities

Übertragung
Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Karlsruher Zeitung, Jg. 1831, Nr. 227 (17. August 1831), pp. 1629f.

Text Constitution

  • “schwirige”sic!

Commentary

  • “… ausgezeichnet waren die Herren Reichel”Josef Reichel (auch Reichl, 1801–1856), Bass.

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