Freischütz aus fremder Feder? – Ein Plagiatsfall fürs Sommerloch?!?
Schlagzeilen in der Mitteldeutschen Zeitung am 20. August 2003: “Freischütz aus fremder Feder?. Melodien der populären Oper könnten von dem Ballenstedter Komponisten Carl Christian Agthe stammen.” Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Nachricht – schon am 21. August schrieb Klaus Geitel in der Welt eine Glosse unter dem Titel “Weber oder Agthe?” und befürchtete, ein Operntitel Agthes könnte das richtige Stichwort in dieser Affaire geben und der ganze Plagiat-Vorwurf sich als eine “musikwissenschaftliche Milchmädchen-Affaire” entpuppen. – – Worum ging es überhaupt?:
Der Ballenstedter Lehrer, Chorleiter und Musikforscher Siegfried Hünermund, der sich seit längerer Zeit mit Agthe beschäftigt, hatte im vergangenen Jahr zu dessen 240. Geburtstag (Agthe erblickte im Juni 1762 in Hettstedt das Licht der Welt und starb 1797 in Ballenstedt) 14 Tänze des Komponisten aufführen lassen, die beim Erklingen die Musiker sehr erheiterten, kamen doch unerwartet “Melodien aus dem Freischütz zu Gehör.” Man fragte sich, ob “Agthe bei Weber abgekupfert” habe – aber dies war unmöglich für einen Komponisten, der 20 Jahre vor Beginn der Arbeit am Freischütz bereits das Zeitliche gesegnet hatte. Mußte man also nicht umgekehrt den Dresdner Meister des Melodien-Klau’s verdächtigen?
Laut Hünermund sind nicht bloß ein paar Takte, sondern ganze Abschnitte der Melodien Webers in den Tänzen Nr. 1, 2, 13 und 14 enthalten (Wir können ergänzen: auch in Nr. 12). Verbindungen Agthes zu Weber ließen sich rasch finden: Die Ballenstedter Malerin Caroline Bardua hat Weber porträtiert, und vielleicht hat ja auch die Wahl des Namens Agathe doch etwas mit Ag(a)the zu tun?...
Hünermund hat mit gutem Recht die These vom Plagiat “einfach mal in den Raum” gestellt und hofft darauf, daß die “Weber-Experten bald Genaueres herausfinden”. Offensichtlich war das Sommerloch aber abwegig tief, denn die Presse scheint die Nachricht begierig aufzugreifen. Könnten wir doch mal Ähnliches von unserer “normalen”, täglichen Arbeit sagen … Wir sind jedenfalls sehr angetan davon, daß Weber auch auf diese Weise einmal wieder ins Gespräch kommt!
Die sogenannten “Weber-Experten” bzw. die, die sich dafür halten, verfielen bei (wie meist: verspätetem) Wahrnehmen der Sensation natürlich in ängstliches Bibbern und suchen nun eifrig nach den entsprechenden kühlen Quellen, die die große Aufregung wieder dämpfen können. So rasch wie möglich soll daher an dieser Stelle eine ausführlichere “Gegendarstellung” veröffentlicht werden. Nur soviel sei jetzt schon im Hinblick auf das Ende des Sommerlochs verraten: “Und ob die Wolke sie verhülle, die Sonne bleibt am Himmelszelt”!!
Editorial
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