Der Musikdirektorenposten am Nassauischen Hoftheater in Wiesbaden von 1811 bis 1813
In Wiesbaden spielten bis 1811 wandernde Theatertruppen, die allenfalls auf finanzielle Zuschüsse des nassauischen Hofes hoffen durften. Nach dem Weggang der Schauspielgesellschaft von Carl Döbbelin, die anschließend an ihre Mainzer Saison (Februar bis Anfang Juli 1810)1 bis April 1811 in Wiesbaden aufgetreten war, sollte in der herzoglichen Residenz eine stehende Hofbühne errichtet werden; die Spielstätte im Schützenhof führte nun offiziell den Titel eines Herzoglich Nassauischen Hoftheaters. Die Intendanz wurde dem Regierungsrat Wilhelm von Ungern-Sternberg übertragen, der sich zunächst um die Anstellung eines festen Ensembles bemühte2 und eine Erhöhung der jährlichen Zuschüsse von 2.220 Gulden (1810) auf 18.000 Gulden (1811) bzw. 20.000 Gulden (1812) durchsetzen konnte.
Über den Mannheimer Klarinettisten Friedrich Ahl erfuhr Gottfried Weber von den Wiesbadener Planungen und von der Suche nach einem Musikdirektor für das neue Hoftheater. Umgehend informierte er seinen stellungslosen Freund Carl Maria von Weber, der sich zu diesem Zeitpunkt in München aufhielt, darüber per Brief vom 2. Juli 1811; laut Aussage von Ahl war für den musikalischen Leitungsposten ein Jahresgehalt von 1.600 Gulden im Gespräch. Den Empfang der Botschaft quittierte C. M. von Weber im Tagebuch ungläubig mit den Worten „weis überhaupt nicht was ich thun soll“. Auch im rückblickenden Brief an Johann Gänsbacher vom 22. September 1811 schrieb Weber: Ich „wuste nicht wozu ich mich entschließen sollte, meine so gut angefangene Reise, und den Weg zum Rufe, verlaßen und mich in ein Nest begraben?“
Im Antwortbrief an Gottfried Weber vom 8. Juli bat Weber den Mannheimer Namensvetter, ihm wenn möglich ein offizielles Angebot zu verschaffen, da er sich allein nach dem Hörensagen nicht an den Intendanten wenden wolle. Im Brief Gottfrieds vom 11. Juli erfuhr er jedoch, dass alle Informationen lediglich auf mündlichen Absprachen beruhten, und wandte sich daraufhin per Brief vom 19. Juli doch direkt an Wilhelm von Ungern-Sternberg, um seine generelle Bereitschaft für eine Anstellung zu signalisieren und Informationen über die „Dienst Verhältniße“ zu erbitten. Die Antwort des Intendanten war, wie aus einem Bericht an Gottfried Weber hervorgeht, schmeichelhaft, doch enttäuschend, denn statt 1.600 bot dieser lediglich 1.000 Gulden als Gehalt. Weber wandte sich daraufhin am 16. August nochmals an Ungern-Sternberg und erbat 1.400 bis 1.600 Gulden, erhielt allerdings, wie er wiederum dem Freund Gottfried mitteilte, auf sein Schreiben keine Antwort.
Nachdem die Unterhandlungen so im Sande verlaufen waren, wandte sich Webers Stiefbruder Fridolin, der als musikalischer Leiter bei der reisenden Theatergesellschaft von Georg Dengler im Badischen sowie der Schweiz tätig war, nach Wiesbaden und erhielt tatsächlich den vakanten Posten; er traf im September 1811 in der nassauischen Residenzstadt ein3 und war dort bis mindestens August/September 1812 als Musikdirektor des Hoftheaters beschäftigt (sein Gehalt betrug 1812 1144 Gulden)4.
Da Fridolin von Weber im Herbst 1812 zur Dengler’schen Gesellschaft zurückkehrte, musste Ungern-Sternberg nach einem knappen Jahr erneut einen Musikdirektoren für das Hoftheater in Wiesbaden suchen; er fand ihn in Carl Guhr, der das Amt für ein Jahresgehalt von 1.452 Gulden plus 100 Gulden Zulage für Korrepetitionstätigkeit übernahm. Ende 1813 wurde das Hoftheater allerdings aus politischen Gründen aufgelöst. Guhr führte das Theater daraufhin kurzzeitig in Eigenregie (ab 15. Dezember 1813), um Wiesbaden schließlich Anfang 1814 zu verlassen. Weber hatte von dem Wechsel im Herbst 1812 bis zum Januar 1813 offenbar noch keine Kenntnis erhalten, als er sich im Vorfeld seines Vertragsabschlusses als Musikdirektor des Prager StändetheatersT nochmals bei Gottfried Weber nach der Wiesbadener Stelle erkundigte, doch noch bevor er dessen Antwort erhielt, unterzeichnete er am 8. Februar 1813 seinen Prager Kontrakt.
Ausgewählte weiterführende Literatur
- Dr. N. Schalk, Carl Maria von Weber’s Beziehungen zu Wiesbaden, in: Annalen des Vereins für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung, Bd. 13 (1874), S. 359f. [wiederabgedruckt unter dem Autorennamen Karl Walter in: Monatshefte für Musik-Geschichte, Jg. 23 (1891), Nr. 8, S. 139f.]
- Otto Weddingen, Geschichte des Königlichen Theaters in Wiesbaden, Wiesbaden 1894 (u. a. S. 7f.)
- Wolf-Heino Struck, Wiesbaden in der Goethezeit (1803–1818), Wiesbaden 1979, S. 189–194
- Alexander Hildebrand, Zwischen Theatertruppen und Bürgerkommission 1765–1857, in: Theater in Wiesbaden, Wiesbaden 1978, S. 3–45
Endnotes
- 1Vgl. Hermann Maas, Das Mainzer Theater vom Beginn der zweiten Franzosenherrschaft bis zur Einweihung des Neuen Schauspielhauses (1798–1833), Diss. Gießen 1928, S. 29; auch Jakob Peth, Geschichte des Theaters und der Musik zu Mainz. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte, Mainz 1879, S. 129.
- 2Im September 1812 bestand der Mitarbeiterstamm aus 23 Darstellern (Oper und Schauspiel) und je 18 Personen im Orchester bzw. für die Technik.
- 3Die Anreise in Wiesbaden dokumentiert die Fremdenliste im Wiesbader Wochenblatt, Jg. 1811, Nr. 38 (17. September): „Herr von Weber, Musikdirektor von Darmstadt.“; vgl. Klaus Martin Kopitz, Der Düsseldorfer Komponist Norbert Burgmüller. Ein Leben zwischen Beethoven – Spohr – Mendelssohn, Kleve 1998, S. 343, Anm. 234 (dort fälschlich auf Edmund von Weber bezogen).
- 4Vgl. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abtlg. 428, Nr. 189: Hoftheater-Intendanz, Etat der Herzogl: Hoftheatercasse für das 2te Semester 1812 („Aufgestellt Wiesbaden den 23t May 1812“), darin Cap. I, Section I: Besoldungen, Tit. II: unter den Orchester-Mitgliedern als Nr. 1 „H. v. Weber“; ebd. Abtlg. 246, Nr. 676, Resolutio vom 17. September 1812: Verzeichnis sämmtlicher bei dem Hoftheater angestellter, darin in: II. (Orchester Mitglieder) als Nr. 1 „Herr Musickdirector v Weber“. In Fridolin von Webers Stammbuch (D-B, Mus. ms. autogr. S 7) finden sich drei Eintragungen aus Wiesbaden vom August 1812: vom 4. August (Bl. 12r: der Gothaer Gymnasialprofessor und Historiker Johann Georg August Galletti), vom 26. August (Bl. 26r) sowie 30. August (Bl. 29r).