Karl von Decker: Der Freischütz in Paris (Teil 5), 1826

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Der Freischütz in Paris.

Dramatische Analyse, von Adalbert vom Thale.

(Fortsetzung.)

Das Theater stellt beim Anfang des dritten Akts einen Wald vor, rechts die Försterwohnung, links eine Statue, vor der Agathe kniet, nach dem Ritornell aufsteht und die Arie singt: „Und ob die Wolke &c.“ Die Arie sang sie gut, aber desto schlechter war sie angezogen, obwohl im Brautstaate. Annchen kommt – im alten Anzuge aus dem zweiten Akt, wie fehlerhaft! – aus dem Hause dazu und hält das Zwiegespräch mit ihrer Freundin, ziemlich treu wiedergegeben nur etwas in die Breite gedehnt. Die Scene zwischen den beiden Jägern, und die zwischen Max und Caspar, wobei der letztere die sechste Kugel dem Füchslein auf den Pelz brennt, fällt weg, natürlich, weil statt sieben Kugeln nur drei mitspielen. Auch Annchens Arie von der seligen Base mit der kreideweißen Nase fiel weg, und die Brautjungfern treten auf, Alles im Walde. Den „schönen grünen Jungfernkranz“ singt Annchen allein – wahrscheinlich waren die Brautjungfern auf ein Solo nicht gefaßt, – aber im schnellsten Eccossaisentempo, die Todtenkrone bleibt aus, der Theil des Liedes aus a moll wird zum Ritornell, denn die Damen gehen sammt und sonders ihrer Wege.

Caspar tritt auf, wirft ziemlich echauffirt Hut, Flinte und ein Pistol, worin die magische dritte Kugel steckt, von sich, empfindet Gewissensbisse (wie gefällt Ihnen das?) und – singt die Arie der Rache, aus dem ersten Akt als eine Art reuiger Sünder, der selbst nicht weiß was er will, und den Zustand seiner Seele durch ein Handthieren mit den Händen, die wie Windmühlen-Flügel umhertanzen, zu erkennen giebt. – Max tritt auf und bittet Caspar um seine dritte Kugel, weil er die seinige auf einen Eber verschossen hat, der Agathens Vater zerreissen wollte (o edler Jüngling!), aber Caspar will sie nur unter der Bedingung ausliefern, daß Max ein blutrothes Blatt unterschreibt, was dieser mit Abscheu verwirft. Ueber diesem Zank kommt der Jäger-Chor, singend mit dem bewußten Eber auf einer Tragbahre, dazu. Der Gesang fiel schlecht, das Ho ho! drallara etwas dumm aus, aber das | Publikum applaudirte und rief einstimmig sein bi – s, bi – s (soll heißen da Capo) bis die Jäger ihm den Willen thaten.

Von dieser Scene an ist der letzte Theil des Stücks bis an das Ende völlig französirt und trägt kaum noch eine Spur vom Original an sich. Der Schluß ist indessen, wie man in Berlin zu sagen pflegt, nicht ganz ohne, und soll hier näher beschrieben werden.

Scene VII. Der Intendant (mit Papieren in der Hand, sich zum Schreiben an einen Tisch setzend) und das ganze übrige Personal, die beiden Frauenzimmer mit eingeschlossen.

Cuno und Agathe überhäufen Max mit Lobsprüchen über seine gegen den Eber bewiesene Bravour, Max spielt dabei den Bescheidenen, der Intendant händigt dem Cuno eine Liste der Kandidaten ein, die Alle sich heute, die Braut mit der Försterei er-schießen wollen, und die ganze Gesellschaft begiebt sich nach dem Schießplatz; nur Caspar, Agathe und Max bleiben zurück.

Scene VIII. Man hört Apelltrommeln – Trommeln? ja, ja, Trommeln! – und: Tony! Tony! rufen. Max ringt die Hände, Agathe beschwört ihn, zu gehen, weil die Reihe zu schießen an ihm sey, Caspar bietet ihm seine mit der quasi dritten Kugel geladene Flinte mit der einen und das blurothe Papier, zur Unterschrift, mit der andern Hand. Max schwankt, ein zweiter Trommelwirbel und der Ruf: Richard, Richard! worauf dieser abgeht, und nur Agathe und Max zurückbleiben.

Scene IX. Man hört einen Schuß und Beifallklatschen, Agathe läuft davon, um sich ihrem Vater zu Füßen zu werfen, Max bleibt allein und sagt gar nichts.

Scene X. und XI. Die ganze Gesellschaft tritt auf, Caspar als Sieger führt Agathe an der Hand. Jetzt reißt dem Tony die Geduld; er ergreift das Pistol, das Caspar vergessen hatte, will sich damit erschießen, aber Annchen (warum grade diese?) schlägt an die Waffe, der Schuß erhält dadurch eine andere Richtung und streckt Caspar nieder, worauf das Chor: „Schaut, schaut &c.“ als Finale einfällt, aber durch Blitz und Donner unterbrochen wird; Samiel steigt unter Flammen aus der Erde herauf, packt Caspar, zieht ihn zu sich an die Versenkung, und geht mit ihm unter. Die Gesellschaft springt um das Loch herum und beguckt neugierig die leere Stelle, wobei Dick-Kilian possenhafte Gesten macht; der Chor fällt mit zwei kurzen Couplets ein, Agathe dem Max in die Arme, und der Vorhang unter dem allerheftigsten Applaus.

So endet der Freischütz in Paris!

(Der Schluß folgt.)

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler
Korrektur
Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Berliner Schnellpost für Literatur, Theater und Geselligkeit, Jg. 1, Nr. 16 (6. Februar 1826), pp. 61–62

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