E. Morgenstern (Buchhandlung) an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Breslau, Mittwoch, 23. Februar 1876
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- 1876-02-12: to Jähns
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Geehrter Herr!
Nachdem ich meine Bemühungen nach allen Richtungen erschöpft habe, muß ich Ihnen leider melden, dass dieselben gänzlich erfolglos geblieben sind. Der Sachverhalt ist folgender.
Die seit beinahe 400 Jahren bestehende Stadtbuchdruckerei ist Eigenthum der Barth’schen Familie. Der letzte dieses Namens, welcher zu der hier in Frage kommenden Zeit Besitzer der Druckerei war, ist vor wenigen Jahren gestorben* u. sein Schwiegersohn Namens Friedrich, ist gegenwärtig Besitzer der Druckerei*, Ich wandte mich zunächst an diesen, welcher mich aber versicherte, dass er von der ganzen Sache nichts wisse u. ausser Stande sei, etwas darüber zu ermitteln.
Unter derselben Firma (Grass Barth & C°)* und in demselben Hause bestand eine Reihe von Jahren hindurch neben der Buchdruckerei auch eine Verlagsbuchhandlung u. Ihre Angabe lässt es unentschieden, ob dieselbe sich auf die Buchdruckerei oder Verlagshandlung bezieht. Die Verlagsbuch|handlung hat vor ungefähr 10 Jahren bankerott gemacht, ich war gerichtlicher Verwalter der Concursmasse, habe s. Z. sämmtliche Verlagsartikel öffentlich versteigern lassen, u. dieselben sind dadurch in alle Winde verstreut. Das Verlags-Verzeichnis besitze ich noch, in demselben ist aber das von Ihnen Gewünschte nicht aufgeführt. Eine Anzahl musikalischer Artikel sind damals als Maculatur verwerthet, andere sind nach Ratibor & Oppeln gekommen. Nach beiden Orten habe ich schreiben lassen, aber leider ohne Erfolg. Ich bedaure hienach herzlich, Ihren Wünschen nicht entsprechen zu können.
Was Ihre Frage über Referate des Componisten Berner betrifft, so bemerke ich Folgendes:
Es gab damals im Ganzen 2 Zeitungen, die Breslauer u. die Schlesische Zeitung. Für die Erstere hat Berner, wie ich bestimmt festgestellt habe, niemals geschrieben. In der Letzteren habe ich ebenfalls nachgefragt, aber keine genügende Auskunft bekommen, anscheinend weil die Herrn zu bequem waren, nachzusehen. Wenn Sie sich direct an die Redaction wenden, würden Sie vielleicht ein besseres Resultat erzielen Wahrscheinlich hat übrigens Berner auch für diese Zeitung nicht geschrieben; denn in einem längeren Nachruf an seinem Beerdigungstage, welchen ich in der Breslauer Zeitung fand, ist nichts über Zeitungsreferate erwähnt. | Dagegen erschien hier im Leuckart’schen Verlage (jetzt in Leipzig) der auf anliegendem Zettel* bemerkte Psalm.
Sollte ich ferner Ihnen nützlich sein können, so erkläre ich mich gern bereit dazu und empfehle mich Ihnen
Achtungsvoll
ergebenst
EMorgenstern
Editorial
Summary
kann ihm in seiner Frage nicht weiterhelfen (geht um die Barth'sche Druckerei); des weiteren kann er zur evtl. Rezensententätigkeit Berners nichts aussagen, mit Bestimmtheit hat er in der Breslauer Zeitung nicht geschrieben, in der Schlesischen Ztg ist es fraglich, jedoch ist im Nachruf der Breslauer Zeitung keine derartige Tätigkeit erwähnt; lediglich einen Notendruck bei Leuckart kann er nachweisen: Der 150. Psalm für 4 Sgst., Orch. u. Orgel (1826)
Incipit
“Nachdem ich meine Bemühungen nach allen Richtungen”
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler
Tradition
Commentary
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“… ist vor wenigen Jahren gestorben”Hermann Barth (1812–1862), Buchdrucker und Verleger, Begründer der Breslauer Zeitung, Sohn des Buchhändlers und Buchdruckers Johann August Barth (1765–1818).
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“… ist gegenwärtig Besitzer der Druckerei”Wilhelm Friedrich (1798–1872), der Neffe von Stanislaus Hermann Barths Schwager Carl Sigismund Zäschmar (1776–1842), war seit 1843 Geschäftsführer, seit 1855 Besitzer der Buch- und Steindruckerei. Ihm folgten dessen Söhne Carl (nur bis 1877), Wilhelm und Hermann; vgl. Festschrift zum 450jähr. Bestehen der Buchdruckerkunst unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung des Buchdrucks in Breslau, Breslau 1890, S. 27–29.
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“… Barth & C ° )”Im Verlag Graß und Barth waren 1808 (also noch unter Johann August Barth) die „Favorit-Gesänge“ von J. Millers Oper Die Verwandlungen im Klavierauszug erschienen. Da Jähns sich gerade u. a. mit diesem Werk beschäftigte, dürften seine Anfragen vom November 1875 und 31. Januar 1876 (erwähnt im Zwischenbescheid der Buchhandlung Morgenstern vom 12. Februar 1876) u. a. auf diese Ausgabe bezogen gewesen sein.
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“… ) der auf anliegendem Zettel”Auf dem noch beiliegenden Zettel ist notiert: „Berner: Der 150. Psalm für 4 Singstimmen, Orchester und Orgel. – Dem k. Ministerium der geistl. pp. gewidmet. Leuckart 1826. Partitur.“