Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: „Das Haus Barcellona“ von Rudolph vom Berge, 10. Dezember 1815 (Teil 3 von 3)

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Theater.

Das Haus Barcellona.
(Beschluß.)

Die Besetzung dieser wahren Schicksalstragödie war größtentheils sehr geglückt. Herr Bayer gab den Alfons, und wenn wir die Darstellung des tiefsten Schmerzes in der Gruftscene bey den Worten:

               Ich kenne dich,Du bist der Tod – die Gräber sind gebrochen –Das Rachschwert flammt –Würgengel! harre noch – Mathilde bethe!Der Tag verlischt – Versöhnung Bruder! –

mit zerrissenem Gemüthe vernehmen, so theilen wir auch den tiefgefühlten Jubel des beglückten Vaters, als er mit Gewißheit den Sohn an’s Herz drückt:

Ich will ihn leeren, diesen Freudenbecher,Vergessenheit der Schmerzen aus ihm trinken,Mir ist ein Sohn geboren, ich bin Vater!Jauchzt alle mit mir, dieser ist mein Sohn!Der Wellen Beute, wähnt’ ich ihn geworden,Und aus den Flammen mußt’ er mir ersteh’n.

Eine fast noch schwierigere Rolle hatte Herr Wilhelmi (Garcias): ein ganz verwahrlostes Gemüth, durch sein Schicksal im Innersten zerrüttet und keiner süßen Empfindung mehr fähig, ist er erkoren, die traurige Weissagung des Arabers zu bewähren. Es ist dieß, nächst Franz Moor, wohl eine der schwersten Aufgaben der teutschen Tragik, und wer die Art sah, wie Herr Wilhelmi selbe löste, würde wohl schwerlich glauben, daß dieser talentvolle junge Mann erst seit wenigen Jahren sich der Kunst zum Priester weihte, und wenn manche seiner frühern Darstellungen noch dem Tadel Raum gab, so kann man mit Recht sagen, daß er durch diese sich als wahrer Künstler beurkundet habe, und selbst den Fehler, die Verse allzuhörbar zu accentuiren, den man ihm sonst machte, hat er hier ganz beseitigt. Wenn ihm nun gleich die ganze Rolle gelungen, so ist doch nach unserer Meinung das Selbstgespräch, nach dem Ansuchen Alvaros, Emanuel um Clara werben zu lassen, der vorzüglichste Lichtpunct seines Spieles:

Die Sehne dieses Bogens ist zu schlaffUnd alle meine Pfeile gleiten kraftlos ¦ An ihm hinab – Wie? – wenn es mir gelänge,Der Liebe starken Pfeil in seiner BrustZu meiner Rache Werkzeug umzuschaffen? –Wird auch Alfons die Tochter ihm gewähren,Wenn er erfährt? – unmöglich! – wird das VolkIn seinem blinden Wahne? – nimmermehr!Zur That den selbst Gekränkten dann zu reitzen,Es kann nicht fehlen – und beschließt AlfonsVielleicht aus Furcht den Untergang des Knaben –O dann – ! – Und doch – wenn ich mich täuschte? –                         Wenn erDie Tochter ihm – ihm? – Auch in dieser SchaleLiegt Tod für dich Alfons! und mehr als Tod.Früh oder spät, wenn das entsetzlicheGeheimniß sich enthüllt. –

Der Ausruf: Halt! als er erräth, daß er sein eigenes Kind gemordet und die letzten Ausbrüche seiner Verzweiflung:

Sie bersten – sie stürzen – die Felsen – sie kommenDie Fluthen des Meers und herein bricht der FluchÜber den Erstgeborenen Julians,Der verderben sollte den BruderUnd die mörderisch frevelnde HandTauchen in’s eigene Blut. – –– Mit feurigen Zungen ruft es aus den WolkenMit dumpfen Krachen aus unterird’schen KlüftenHinab! hinab den Mörder Garcias! –Nicht soll sie dich in ihren Schooß verbergen,Hinab in’s Meer – die Wogen rauschen auf!Hinab! vollendet ist des Sünders Lauf,

waren in den beyden ersten Vorstellungen etwas zu grell markirt, doch in der dritten hatte sich der Künstler aller Mäßigung beflissen, die ihm die Kunstwahrheit gestattete.

Dlle. Böhler (Clara), Herr Seewald (Alvaro) und Herr Löwe (Emanuel) gaben ihre Rollen mit Fleiß und Kunstsinn. Das übrige Personale ist von keiner großen Wichtigkeit, da die Last des Ganzen nur auf jenen fünf Personen haftet. Die Theilnahme des Publicums an diesem echt tragischen Gedichte ist ungetheilt und bey allen Productionen müssen nicht nur die gemordeten Liebenden aus ihren Gräbern erstehen und Graf Alfons aus der Einsamkeit zurückkehren, sondern selbst Garcias aus dem Grunde des Meeres hervorkommen, um den Tribut des Beyfalls in Empfang zu nehmen.

Apparat

Zusammenfassung

Teil 3 von 3

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 23 (22. Februar 1816), S. 94

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