Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: „Der Kuß und die Ohrfeige“ von Carl Schall, 15. Dezember 1815

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Theater.

[…]

Prag. – Den 15. Dec.: Der Kuß und die Ohrfeige, Lustspiel in 1 Aufzuge von Carl Schall. Wir glauben gegen das Stück nicht ungerecht und gegen Herrn Schall nicht allzugerecht zu seyn, wenn wir offen gestehen, daß der Nahme des Verfassers des Trau-schau-wem und der Theatersucht größere Erwartungen in uns rege gemacht hat, als diese, übrigens recht artige Kleinigkeit zu erfüllen vermochte. – Der Dichter Arist (Herr Polawsky) ist in die schöne und reiche Rosalinde (Dlle. Brand) verliebt und hat seinem Oheim, der zugleich ihr Vormund ist, Dorant (Herr Liebich) 5000 Thaler versprochen, wenn er ihr Gemahl wird. Aber Rosalinde liebt ihren Vetter Ergast (Hr. Löwe) und erklärt, daß sie nicht eher eine Wahl treffen werde, bis ihr der Vormund durch eine förmliche Acte ganz freye Wahl gestattet hat. Bey Eröffnung des Vorhanges findet man Arist beschäftigt, zur Feyer von Rosalindens Geburtstage unter einer Linde, mit ihrem Bild geschmückt, einen Altar mit einem Rosenstock u. s. w. aufzustellen. Er hofft sie durch diese Galanterie und ein so eben verfertigtes Sonnett zur endlichen Erklärung zu bringen, und dringt in den Oheim, ihr den verlangten Freyheitsbrief zu geben; aber dieser scheint von ihrer Liebe noch nicht so fest überzeugt zu seyn, und ahnet noch immer Gefahr bey diesem Schritte. Endlich kommt Rosalinde, empfängt die Galanterie mit Scherz und Lachen, und als Arist auch das erklärende Sonnett lesen will, empfiehlt sich Dorant und versteckt sich hinter einen Busch. Arist liest:

Hinaus zum Hain drängt inn’rer Drang mich täglich,Es lockt mich hin die schöne hohe Linde;Und schneid’ ich holde Zeichen in die Rinde,Da säuselts in den Blüthen so beweglich. ¦ Und neue Wonne füllet mich unsäglich,Wenn in der Beete farbigem GewindeIch dann die holde rothe Rose finde,Da sind mir and’re Blumen unerträglich.So werde denn die Königinn der BlumenDer Königinn der Bäume schön vereinet,Und süßer Blüthenduft umher verbreitet.Das Heiligste von allen HeiligthumenMir dann in dem Vereine schön erscheinet,Weil Ros’ und Lind’ auf Rosalinde deutet.

Die feine Ironie, welche in diesem, nur etwas gezierten, nicht aber ganz werthlosen Gedichte liegt, ist um so bemerkenswerther, da die Dichter in der Komödie, wenn sie als Liebhaber den kürzern ziehen, meist auch so elende Verse machen müssen – so elend, als man in manchen Gelegenheitsgedichten findet. Arist begehrt und raubt einen Kuß, welchen Ergast erblickt; Arist will sie zum zweyten Mahl küssen, da ruft Rosalinde:

Halt, halt, zwey Küsse sind für ein Sonnett zu viel.

Nun glaubt sich der Dichter ganz beglückt, fällt ihr zu Füßen und treibt sie durch seine Liebeserklärung so in die Enge, daß sie schon fliehen will, als sie Dorant hinter dem Busch erblickt. Das schlaue Mädchen erräth das ganze Spiel, macht Arist Hoffnung, und spielt auf die Acte des Vormunds an; darauf geht sie fort. Arist dringt in den Vormund, die schon fertige Entsagungsschrift zu hohlen; aber dieser mag dem Landfrieden noch nicht recht trauen und fordert noch deutlichere Beweise. Ergast kommt und Onkel und Neffe ziehen sich hinter den Busch zurück. Auch Rosalinde kommt zurück und wird von Ergast mit den bittersten Vorwürfen empfangen. Rosalinde wird unschlüssig, ob sie gehen oder bleiben soll; endlich aber bemerkt sie die beyden Lauscher und fängt einen derben Zank mit Ergast an, der endlich mit einer Ohrfeige, die sie ihm gibt, endet. Wüthend rennt Ergast fort und Dorant eilt, die Schrift zu hohlen. Als Rosalinde die Acte erhält, Arist sich schon in ihrem Besitz und Dorant im Genuß der 5000 Thaler glücklich wähnt, ruft sie Ergast zurück, als sollte er ein beschämter Zeuge ihrer Wahl seyn und spricht:

                    So ist es denn gewiß,Ich bin jetzt majorenn, das steht in dieser Acte,Und schreite frank und frey zu jedem Ehepacte.So sprech’ ich’s also aus: ich liebe lange schon,Und reiche diese Hand dem, den sie schlug, zum Lohn.

Eben so artig ist der Schluß des Lustspiels, wo sich Rosalinde zum Parterre wendet:

Ihr Herren, lernet hübsch geduldig es ertragen,Wenn Euch zuweilen auch der Schönen Hände schlagen.Ihr seht aus unserm Spiel, das größte Glück für EuchIst oft mehr als ein Kuß – ein kleiner Backenstreich.

Die vier spielenden Personen hatten alles aufgebothen, diesem kleinen Spiel die höchste Lebendigkeit zu gewähren; dennoch blieb das Publicum kalt, und es ist noch nicht wieder gegeben worden.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 17 (8. Februar 1816), S. 68

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