Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Der graue Mann“ von Karl Theodor Winkler am 10. Dezember 1818 (Teil 2 von 2)

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Der graue Mann.
(Beschluß.)

Die Schauspieler, die in diesem Stück betheilt waren, waren fast alle so gewählt, daß man sagen konnte, sie seyen ganz in ihrem Fache. Hr. Werdy hatte uns schon in andern Rollen seinen Beruf zum grauen Mann zur Gnüge bewiesen. Er predigt freilich viel, seine Geradheit wird oft Derbheit oder etwas noch stärkeres, seine redliche Dienstfertigkeit artet in baare Zudringlichkeit aus. Aber es ist so im Stücke. Vielleicht hätte hier etwas von der nordischen Bärennatur, die der Pariser Dichter ihm absichtlich gab, mit besonderer Laune und Humor vertauscht, der Rolle wohlgethan. Wir wissen es übrigens unserm grauen Mann Dank, daß er kein Gelächter erregen oder gar als Sonderling possirlich seyn wollte. In England hat der grüne Mann auch ein grünes Schnupftuch, womit er sich die grünen Schuhe abstäubt!! Es war schon recht, daß unser graue Mann, wenn er abseits stand, die Finger oft an’s Kinn oder an den Mund brachte. Allein wir hätten dem, der so alles erkundet hat, noch mehr Auflauerndes, Horchendes gegeben. Daß Hr. Julius den Baron schwach, aber doch lebenslustig und gutmüthig, Hr. Wilhelmi den windigen Schmarozer von Lindorf, Dem. Tilly die muthwillige naive Minna recht brav und erfreulich darstellen würden, ließ sich schon im voraus vermuthen. Der laute Beifall, der ihr gezollt wur¦de, war sehr gerecht. Wir haben an Hrn. Geyer einen Meister in den verschmitzten Kammerdienerrollen in allen Schattirungen, stärker oder feiner aufgetragen; Hr. Schirmer macht die Treuherzigkeit als alter Diener stets brav und gemüthlich, wie er noch neuerlich in der rührenden Rolle des Valentin, in der Waise und dem Mörder, mehr als zur Gnüge bewiesen hat. Auch das Kammermädchen, die Florine, Dem. E. Zucker, that redlich ihre Pflicht. Die Baronin war vielleicht an diesem Abend nicht wohl gelaunt. Hr. Zwick, der den Wucherer Biermann sehr fertig spielte, trat doch zu sehr als Windhund und Hungerleider auf. Sein Costüm war zu gemein und dürftig für diesen Kreis, der nur in Salons und hohen Zirkeln sein Wesen hat. Die hier in Thätigkeit gesetzte Gewinnsucht bedarf der Carikatur im Aeußern gar nicht. – Indem wir uns laut für den nichts weniger als gehaltlosen Werth dieses in’s wahre Vaterland zurückgeführten Stücks erklären, mögen wir uns doch nicht verbergen, daß ihm eine neue Ueberarbeitung noch weit stärkern Reiz zu geben vermöchte. Und dann ist, was wir sahen, in der Darstellung selbst nur der erste Versuch gewesen. Wir möchten doch nun noch eine zweite Leistung sehen!

Böttiger.

Am 12. Dec. La Danaidi. Mit dieser Vorstellung ist die Bühne in den Weihnachtferien bis zum 2ten Januar geschlossen worden.

Apparat

Verfasst von

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Der graue Mann“ von Karl Theodor Winkler (Teil 2 von 2), dazu eine Bemerkung zum 12. Dezember. Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 306 (24. Dezember 1818), Bl. 2v

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