Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Die vier Temperamente“ von Ziegler am 7. November 1819 (Teil 4 von 4)

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Die vier Temperamente.

(Beschluß.)

Der Phlegmatikus Lammer soll um alles kein Langsalm seyn. Herrn Geyer’s Ruhe war keine Faulheit. Darum war der zuweilen fest, schnell abfertigende Ton, der hie und da der Trägheit zu widersprechen schien, von bester Wirkung. Er ist aus Bequemlichkeit schneller, um des Dings nur bald quitt und ledig zu seyn. Der einzige Schnelligkeitsparoxysmus beim Knallgewehr war von der erquicklichsten Lebendigkeit. Er versinnlicht diesen Schreck durch eine Menge selbst erfundener höchst komischer Züge. Die Trockenheit, mit der er seine hausbacknen Reflexionen vorbringt und seine Putznärrin abführt, grenzen nie an Ironie. Es quoll dieß alles aus der Lage selbst. Nirgends zu viel, nirgends Anstreifen an Caricatur. Daher wirkliche Wahrheit. Das ist so leicht nicht, als es aussieht. Hr. Wilhelmi als der frohmüthige, sinnlich leichtfertige Maler Funk, schien wie geboren zu seiner Rolle. Nur wurde es einige Male doch zu sehr Ernst mit seinem Aufbrausen gegen Rollberg, so daß man wohl nicht wußte, wer der eigentliche Cholerikus in diesem Augenblicke sei. Noch mehr Schalk im Nacken, weniger Gutmüthigkeit in der Weichheit und es bleibt nichts zu wünschen übrig. Der auffahrende Polterer, die in allen Extremitäten zükkende Ungeduld, den prallen, absprechenden Ton, gab Herr Hellwig meisterhaft. Die kleine Bestellungsscene mit Lisetten und der Triumph beim Protokoll gelang vorzüglich. Es war der lebhafte Cholerikus. Ob hier und da der Stabsoffizier und Edelmann nicht noch individueller hätte gegeben, durch manche drollige Verpuffung im Geberden-spiel nach den zerbrechlichen und beweglichen Außendingen zu hätte gehoben werden können, wagen wir nicht zu entscheiden. Das gehört zum weitern Ausmalen bei Wiederholungen der Stücks! Auch die kleine Rolle des Jägers Puliz erhielt von Herrn Pauli ihr volles Recht. Ueber den Vortrag des ihm in den Mund gelegte[n] Angewöhnungswort[s]: paß auf! dürften die Meinungen verschieden seyn. Wir stimmen für die wenigere Betonung, mit der es wirklich gesprochen wurde, als müssiges Flickwort. Eine Menge kleinere, nebenbei angebrachte Einfälle und kleine Züge bekundeten die frohe Laune des Spielenden. Wenn Helene eine Stelle des Protokolls komisch benießt, Rollberg mit dem Aufschlagen der Handschuhe auf die andere Hand es versinnbildet, wie er sich seine Frau ziehen will, die kleine Lisette das herabhängende Rosenblatt in ihrem Bilde mit dem gehobenen Röckchen auffangen will, ihr Liebhaber Funk aber den wirklichen Rosenstrauß, den sie ab¦gelegt hat, plündert und sich damit putzt, so wären dieß freilich nur Männchen und Mätzchen, wenn es große Vorbereitung verriethe und immer wieder vorkäme; allein ein tüchtiger Künstlerverein überrascht den Mitspielenden selbst bei jeder wiederholten Vorstellung durch dergleichen Witzfunken und etwas davon sprüht am Ende wohl auch auf die unten herumsitzenden Eiszapfen herab. In Leipzig kamen am Schlusse des Nachspiels Funk und Rollberg mit verwechselter Hauptbedeckung herein gerannt. Funk hat Rollberg’s Offizierhut, Rollberg Funk’s Mütze aufgestülpt. Das ist leicht zu überbieten und wir werden gewiß etwas der Art bei der nächsten Vorstellung des Stückes hier sehen, auf welche wir in mehr als einer Rücksicht sehr begierig sind.

Böttiger.

Sonnabend, am 6. Nov. Camilia. Hr. Häser, Mitglied des K. Th. in Stuttgardt, den Herzog.

Montag, den 8. Nov. Johann von Paris, Hr. Häser den Seneschall. Wir behalten am Schlusse der Gastrollen dieses ausgezeichneten Künstlers uns eine nähere Beurtheilung vor.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Die vier Temperamente“ von Ziegler (Teil 4 von 4)

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 274 (16. November 1819), Bl. 2v

Textkonstitution

  • „der“sic!

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