Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Das Leben ein Traum“ von Calderon und der Übersetzung von Gries am 14. Februar 1819 (Teil 2 von 2)

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Das Leben, ein Traum.

(Beschluß.)

Mad. Werdy bewieß durch kunstgerechte und doch hinreichend lebendige Steigerung ihres Spiels, daß sie es nicht blos auf eine reizende Erscheinung, – denn auch dies war sie durch feine Berechnung aller Aeußerlichkeiten, – sondern auf ergreifende Wirkung wohl berechnet habe. Wiederholter, lauter Beifall mußte einem Spiele zu Theil werden, wie der im Hohn jubelnde Abgang nach dem erkämpften Porträt, – nicht zu vergessen, daß auch Madame Schirmer, als Estrella, den empörten Stolz, womit sie den doppelseitigen Astolf hier beim Abschied abfertigt, ihre Vermällung mit Sigismund am Schluß vollkommen rechtfertigt, – und wie die verzweifelnde, alles auf’s Spiel setzende Raserei in der letzten Zweisprache mit Clotald. Diese letzte Scene in’s besondere zeigt, bis zu welchem Grade Stimme und Aktion mit besonnener Kraft gesteigert werden können, und gelang durch richtige Kraftberechnung und das wackere Zuspiel Clotald’s diesmal vollkommen.

Es ist nur Gerechtigkeit, hier auszusprechen, daß diese Vorstellung eine der vollendetsten auf unsrer Bühne genannt werden muß. Ein Geist durchhauchte und gestaltete das Ganze im besten Einklange aller Haupt- und Nebenrollen bis auf die Statisten herab. Die Weisheit aus dem Loche verstummte gänzlich. Die mit der Herrlichkeit der Aufgabe durchdrungenen Künstler spielten, um der Kunst, nicht um des Beifalls willen, und doch erschallte dieser oft, selbst mitten durch die Rede. Man kann sich mit seiner Rolle nicht inniger durchdringen, man kann dem Hochpoetischen nicht mehr Schwung, dem Wetterleuchten des sich selbst adelnden Gefühls zwischen dem Aufgrollen des Stolzes und Zorns, dem wachenden Traum im Wechsel des Tons und der Geberde, nicht mehr Wahrheit geben, als Hr. Julius bei dieser wiederholten Darstellung des jähzornigen und dann wieder sich erwachenden, gleichsam bußfertigen Prinzen Sigismund. Daß die hochfahrenden, zornentflammten Scenen im Königspallast ganz ohne höhnende Bitterkeit nur trotzig und aufbraußend gegeben, und der mehr als höhnische Desestrations-Akt vollkommen und, bei einer zweckmäßigen Veränderung des Balcons, gar nicht lächerlich gegeben wurde, versteht sich von selbst. Das Frescogemälde thut seine Wirkung, und sieht sich nur nach einem zweiten fehlenden des Grazioso Clarin um. Aber unsers Julius Herrlichstes ist gewiß der Monolog, nachdem er den letzten Tumult roher Sinnlichkeit, der Schutz flehenden Rosaura gegenüber, niedergekämpft hat. Fürwahr hätte Calderon nichts gedichtet, als diesen Monolog, diese Verklärung der frömmsten Inbrunst, er müßte auf im¦mer der christliche Dramatiker heißen. Immer wird der weiche, ja, wenn der Ausdruck erlaubt ist, ätherische Ton in unserm Gedächtniß bleiben, mit welchem er die Worte sprach:

wer, für Glorien der Erde,möchte Himmelsglorien opfern?

Daß Hr. Werdy, als der greise König Basil sich in dieser von ihm trefflich aufgefaßten Rolle treu blieb, versteht sich; denn er ist ja Künstler, besitzt die Rolle, sie nicht ihn, und da muß stets bei solchem Zuspiel dieselbe Wirkung erscheinen. Zur wohlberechneten Maske paßte jede Bewegung der immer aufgeregten Alterschwäche und jede Schwebung des nur im äußersten Kampf sich verstärckenden Tons. Durch die Wiederherstellung der Scene, wo Basil den zum Kerker zurückgebrachten Sohn behorcht, war ihm mehr Raum zum Geberdenspiel geworden. Auch ließ Hr. Burmeister, als Klotald, durchaus nichts zu wünschen übrig. Gerade so mit mildernder Reife des Alters muß sich die auflodernde, nur durch den Hofdienst zurückgedrängte Leidenschaft aussprechen. Sein Augen- und Mienenspiel war beredt. Der denkende Künstler war nirgends zu verkennen. Und es kommt sehr viel auf diese durchaus vermittelnde, alles zusammenhaltende Rolle an! Sie darf keinem untergeordneten Schauspieler zu Theil werden.

Die Verse wurden mit Präcision und rhythmischem Klange so gesprochen, daß man, wer darauf achtete, selbst die Assonanz sehr wohl vernahm. Es ist nicht möglich, daß bei den Tiraden, die besonders Sigismund leidenschaftlich zu sprechen hat, alles gleich hervorgehoben und betont werden kann. Darum muß man ein solches Stück oft hören! Man lernt und genießt dabei mehr, als bei einem halben Dutzend Alltags-Vorstellungen. Eine besondere Schwierigkeit machen die auf unsere Bühnenherkömmlichkeit wenig berechneten Selbstgespräche in Gegenwart einer andern Person in dem Calderonischen Wortüberfluß. Hier kann sich die Kunst des stumm-beredten Zuspiels verherrlichen. – Wir haben indeß den ersten Theil der Calderonischen Uebersetzung von dem Baron von Malsburg erhalten (Leipzig, Brockhaus. 1819.) Es wird niemand gereuen, die sachreiche, tief in den Geist des südlichen Dramas eindringende Vorrede von 70 Seiten zu studiren. Aber wir wagen auch die Versicherung, daß das erste der zwei hier gegebenen Lustspiele: Es ist besser, als es war, als eines der ächtesten und reizendsten Kunstgebilde, mit wenig Abänderungen, die der sinnige Uebersetzer selbst angiebt, auf jeder bessern Bühne Glück machen und uns auch mit dem reinen Komischen dieses spanischen Shakspeare in eine fröhliche Wechselwirkung des Empfangens und Gebens setzen würde.

Böttiger.

Apparat

Zusammenfassung

Zweiter Teil der ausführlichen Besprechung von „Das Leben ein Traum“ von Calderon und der Übersetzung von Gries. Der erste Teil erschien in der vorigen Ausgabe.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 48 (25. Februar 1819), Bl. 2v

Textkonstitution

  • „Vermällung“sic!

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