Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Dienstag, 28. März 1843
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Gewiss meine lieben Kinder hat es Euch Euer Herz gesagt dass nur etwas recht Bedeutendes mich abhalten konnte des guten Wilhelms trübseligen Brief zu beantworten aber ist es Euch Ihr Armen nicht gut gegangen, so ging es bey uns auch nicht zum Schönsten, ja man könnte sagen auch miserabel. Von Alex’ens Dumenstreich in Altenburg schrieb ich Euch schon, und hoffte die Sache würde ohne schlimme Folgen vorüber gehn. Aber der hinkende Bote kam nach. Alex kränkelte erst ohngefehr 8 Tage, und dann bekam er eine Blasenentzündung die so bedeutend war, dass während 14 Tage lauter Blut durch den Urin abging, ja später zeigte sich sogar Eiter. Ihr könnt denken welche Schrekenszeit das war. Wir haben aber einen recht gescheiten Artzt angenomen der ganz nach meinem Herzen, nur durch Diät [und] Wasser kuriert. Früh um 5 Uhr schon muss Alex in den grossen Garten gehn, und da 8 bis 10 Gläser Wasser trinken, Er darf nicht Wein, nicht Bier nicht Kaffee trinken, und nur sehr wenig Fleisch essen. Er muss auch stehend arbeiten, und muss seine lieben Cigarren fast ganz lassen Allem dem unterwirft er sich mit männlicher Festigkeit, und so ist er doch nun wieder von dem garstigen Uibel halbwegs befreit, und auch der Kopfschmerz, welcher so heftig war dass er zuweilen gar nicht stehen konnte kömmt nur sehr selten. Kaum hatte das arme Mutterherz wieder angefangen ruhiger zu schlagen, als durch eine Erkältung meine dummen Augen sich wieder entzündeten, und ich nichts anderes thun durfte als in halb dunkler Stube ein wenig stricken. Alles Lesen und schreiben, war verboten und fast unmöglich, nur um den Max nicht zu ängstigen schrieb ich dem unter fortwährenden Thränenden Augen. Seit ein paar Tagen geht es besser aber nun bekam ich gestern von Max wieder einen so trübseligen, melancholischen Brief, dass ich nicht anderst denken kann als der ist auch nicht wohl, und will mirs nur nicht sagen. So ist denn nun der böse Winter vergangen, und wir alle wollen auf bessere Zeiten hoffen. Ich ziehe wieder ins Lämchen*, aber vorher gehe ich noch so Gott will! zu Maxens Geburtstag nach Altenburg, weil der arme Mensch jetzt fast keinen Urlaub mehr bekomen kann. Mit unendlicher Sehnsucht wünscht er sich hieher, und mir kommt es vor als habe er völlig das Heimweh. — — So lange habe ich nun schon von Euch, meine lieben, armen, Kinder nichts gehört dass ich hoffend und zagend einem Brief entgegen sehe. Was wird er bringen? ist Wilhelms böse Krankheit gehoben? ist Ida wieder wohl? ach, schreibt mir bald, und auch ob Ihr noch reisst, und über Dresden kommt! Wollte doch Gott ihr könntet ein paar Monate hier bleiben und Wilhelm in Kreischa die Wasserkur brauchen. — Doch nein! keine Kur, keine Medizin! gesund, und munter sollt Ihr hieher kommen und in unserer schönen Gegend alle überstandene Noth vergessen. Es ist aber eigen, wenn man eine längere Zeit immer in Angst und Sorge gelebt hat so kann sich die Seele lange noch nicht von dieser drückenden Fessel frey machen und immer fürchtet man, es könnte noch was Uibles nachkommen; ja man geniesst das Gute was sich darbietet mit einer gewissen Angst und Scheu. So freute ich mich sonst immer ins Freye zu ziehn und das Erwachen der Natur da zu geniessen diesmal aber erlaube ich mich gar so ein freudiges Gefühl noch nicht, und die gewissen Frühlingsgefühle, die uns fortziehen und dem Körper Schwingen geben mögten um wie ein Wandervogel fort zu ziehen, fehlen mir noch ganz. Freylich wird man auch alle Jahre älter, und mit der Zeit werden diese jugendlichen Regungen wohl ganz aufhören. Man wird körperlich erdeschwer und der Geist bedeckt sich mit einen trüben Nebel durch den man alles grau in grau erblickt. Villeicht verscheucht Eure liebe Nähe diesen bösen Nebel und alles erscheint wieder in seiner wahren Gestalt, oder verklärt durch Eure Liebe. Schreibt mir nur recht bald meine guten Kinder, und schreibt mir Gutes.
Sag mir einmal lieber Wilhelm weist Du nicht wo die Noten sind die Meyerbeer von uns hatte? ich strenge mein Gedächtniss vergeblich an mich zu besinnen wem er sie für uns gegeben hat. Ich habe sie nicht*.
Nun so lebt denn wohl meine Geliebten Kinder möge Gott Euch schützen und bewahren und uns ein frohes Wiedersehen schenken Ich umarme und küsse Euch alleEure Mutter Weber
Apparat
Zusammenfassung
Incipit
„Gewiss meine lieben Kinder hat es Euch“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Frank Ziegler Eveline Bartlitz
Überlieferung
Einzelstellenerläuterung
-
„… hat. Ich habe sie nicht“Die im Rahmen der geplanten Vollendung der Pintos-Entwürfe ausgeliehenen Musikalien erhielten die Webers erst 1852 von Meyerbeer zurück; vgl. die Bestätigung. Möglicherweise ist aber auch lediglich das sogenannte „grüne Heft“ mit Webers Liedautographen gemeint, das Meyerbeer bereits im Dezember 1839 an F. W. Jähns übersandt hatte. Der Nachbesitzer des ersten Blattes dieses Hefts (Titelseite und Lied Die Kerze), Ernst Ludwig Hellwag, behauptete später allerdings, dass er das Autograph, vermittelt durch A. B. Fürstenau, von Caroline von Weber erhalten habe; vgl. die Abschrift seines (undatierten) Briefes an Max Maria von Weber. Somit müsste das komplette Heft zuvor an die Witwe zurückgelangt sein.