Rezension: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber (Teil 1 von 3)

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Auch ein Gespräch über den Freischützen.

Von la Motte Fouqué.

Albert.

Wieder einmal schwermüthig, Bernhard? Und doch hallen die Marschesklänge so fröhlich aus dem Thal herauf!

Bernhard.

Eben darum!–

Albert.

Ach so! –

Bernhard.

Du bildest dir’s einmal wieder ein, du lieber, hofmeisternder Freund, als verständest du mich durch und durch; – wenigstens machst du die Miene darnach; – und doch könnt’ ich eine siegreiche Wette drauf eingehn, daß du mich für diesen Augenblick mißverstehst.

Albert.

Möglich, – aber eben wahrscheinlich nicht. Ich habe doch wohl schon oftmal tief in dich hineingesehn; – denn mir fehlt es, Gottlob, nicht an den Augen der Liebe.

Bernhard.

Gewiß, die hast du, mein guter Albert, und die trügen dich nimmer, und wo du mir gegenüberstehst, lässest du ihnen beinahe fort und fort ihr edles Recht!

Albert.

Also hätt’ ich auch fort und fort Recht dir gegenüber.

Bernhard.

Du überhörtest das: Beinahe, in meiner Antwort.

¦

Albert.

Jetzt wenigstens behielten die Augen der Liebe ihr volles Gewaltrecht bei mir; – ich hätte sonst nicht so zudringlich gefragt.

Bernhard.

Siehe mir nicht etwa gekränkt drein, alter Freund, – du immer jung bleibender in treuer Liebe! Ich meinte ja nur: dein Verstand war diesmal seiner Sache allzugewiß, und wo der Verstand sich seines Verstehens allzubewußt ist, behaupten jene höheren Anschauungen nicht allemal ihre volle Kraft.

Albert.

Das führt weit! Allzuweit vielleicht überhaupt für sterbliche Augen! – Wenigstens für die freundliche Rechthaberei dieses Stündleins! – Also – die Probe lobe das Werk! – Vernimm’s, ob ich hineinsah in deine Seele oder nicht, und ich will dir als ein verunglückter Hexenmeister gelten, wenn ich für dasmal irrte. Die Marschesklänge von dort unten regten dich so wehmüthig an, weil du nicht mehr mit den Kriegsleuten ausrückst, denen sie voraustönen! Und daran hast und thust du Unrecht, geliebter Freund. Denn erstlich –

Bernhard.

Halt inne, du lieber, verunglückter Hexenmeister. An mein kriegerisches Jägerleben dacht’ ich für diesmal so ganz unmittelbar nicht. Diese Klänge tönten ja damals noch nicht. Sie sind ja aus Friedrich Kind’s und Maria Weber’s Freischütz.

|

Albert.

Nun, so behalt’ ich dennoch Recht. So ist dir’s wehmüthig zu Sinne, daß damals die ganze schöne Oper noch nicht existirte, und daß Ihr diese echten Jägerworte und Jägerklänge noch nicht mit hinaus nehmen konntet in’s Feld!

Bernhard.

Da hast du schon etwas besser zum Ziele getroffen, mein kritischer Jäger. Wenigstens ist mir’s schon öfter in die Seele gefallen, wie schön dieses Jägerlied hätte klingen müssen, aus den frischen Herzen und Kehlen meiner wackern Kriegsgenossen herausgesungen, sey es vor rühmlich beginnender, sey es nach rühmlich bestandener Gefahr. – Für diesmal jedoch lag dabei etwas Beängstenderes über mir.

Albert.

Beängstendes vor diesen fröhlichen, die Brust adlergleich ausspannenden Klängen? –

Bernhard.

Nun ja, Klänge! – Klänge, die uns mahnen, daß wir fliegen sollen, wie die Adler, und doch zugleich uns erinnern, wie ärgerlich festgebannt wir an diese mangelhafte Erde sind! Festgebannt selbst mit den sogenannt freiesten Erzeugnissen unsrer Geister! Da siehest du nun einen Dichter, edel, phantastisch, liebreich und fromm, wie Friedrich Kind! Siehst ihn im heitern Künstlerverein mit einem Komponisten, liedesgewaltig, tief, zärtlich und kühn, wie Maria von Weber! – Hättest du nicht meinen sollen, ein vollendetes Kunstwerk müsse aus ähnlichem Bunde hervorgehn? So vollendet, als es die gebrechliche Natur des erdumbaueten Menschen hervorzubringen vermag!

Albert.

Nun freilich. Und nicht eben anders auch ist mir davor zu Muthe geworden. Aber du, mein leichtentzündeter, den Dichtern des Liedes und der Melodie noch obenein herzlich zugethaner Freund, – wie kam es denn, daß dir nur irgend anders davor zu Muthe werden konnte?

Bernhard.

Du fragst noch erst! – Da beginnt die schauerliche Sage vor uns aufzusteigen mit allem Hohn, welchen ein feindseliges Geschick auszugießen vermag über ein edelkühnes, ritterlichliebendes Menschenleben! Da zerreißt uns der bäurische Lachchor mit tausend Schmerzen die Brust, und zum Waidmesser möchten wir greifen mit dem wackern ¦ Jägerburschen, um die rohe Schmach mit Einem scharfen Hiebe abzuwälzen von ihm und von Allem, was man edel hienieden heißen darf!

Albert.

Und das geht nun eben mit Schwerthieben nicht!

Bernhard.

Und das ist nun eben das Unglück! – Aber auf dieses und alles sonstige tragische Unheil ist man einmal gestellt, – wie sehr auch mit theilnehmenden Wünschen widerstrebend, dennoch nach solchem Eingang nun einmal schier unwiderruflich darauf gestellt! – Und die schauerlich sinnvollsten Ahnung erheben sich, den furchbaren Ausgang näher und näher ankündigend, ihn bestätigend mehr und mehr, – und plötzlich – Nein! Ich kann nicht mehr weiter! Ich muß mich erholen! Die innige Liebe regt mir den Unwillen allzugewaltig auf! –

Albert.

Nimm dir nur Zeit, und schilt dann rüstig fürder. Wo Menschen auf diese Weise schelten, hör’ ich es gern.

Bernhard.

Es wird aber dennoch etwas arg damit kommen; darauf halte dich gefaßt. Denn scheint es doch, als hätte der Dichter einen poetischen Supplementband liefern wollen zu Allem, was je wider Ahnung geschrieben worden ist, oder für den nüchternen Satz: mir gilt nur, was ich mit beiden Händen fassen kann!

Albert.

Jetzt bitte ich dich: höre lieber auf, zu schelten! Denn jetzt schiltst du nicht gut. Möchtest du denn, daß ein Triumph der heraufbeschwornen Hölle an den Platz des Festes träte, wo Liebe und Glück ihre neuentblühende Sühnung feiern? Und hat der arme, vielfachgekränkte Jüngling nicht seinen Fehltritt hart genug gebüßt?

Bernhard.

Das hat er. Aber der unversehens hereingeschneite Eremit genügt mir zur vollen Sühnung nicht. „Woher?“ fragt man sich staunend. „Aus welcher Machtgewalt?“ erwiedert das Angesicht des Nebenmannes, dem man eben nichts zu erwiedern hat, als die weltalte Antowrt: „ich weiß es nicht!“

Albert.

Nun, ku könntest doch antworten: die weißen Rosen!

(Die Fortsetzung folgt.)

Apparat

Zusammenfassung

Rezension: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber (Teil 1 von 3). Die beiden fehlenden Teile folgen in den nächsten Ausgaben.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 22, Nr. 183 (19. September 1822), Sp. 1457–1460

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