Rezension: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber (Teil 3 von 3)

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Auch ein Gespräch über den Freischützen.

(Beschluß.)

Bernhard.

Und warum brachte er die Ahnung nicht zur Wirklichkeit?

Albert.

Vermuthlich nur, weil sich nicht jede Ahnung zur Wirklichkeit bringen läßt. Was in hochzarter, idyllischer Kraft vor des Dichters innerm Auge schwebte, was ihm auch wohl dem Sinne seines Lesers in gleicher oder doch ähnlicher Kraft einzuströmen gelingt, – wie selten vermag sich eben das auf der Bühne zu gestalten, ohne die Menge kalt zu lassen, – vielleicht höhnisch erkältet sogar!

Bernhard.

Nun ja, die Menge! die Menge!

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Albert.

Man baut nun doch einmal die Theater für die Menge, und thut wohl daran. Ja, der Schriftsteller auch schreibt als solcher eigentlich für die Menge. Wie leicht würde es ihm sonst, die paar Abschriften für ganz gleichfühlende Seelen zu besorgen, oder diese sorgten wohl in ihrer anmuthigen Liebe unter einander selbst dafür. Aber, wie unser jubelgekrönter Poetenfürst sehr wahrhaft sagt:

"Dichter lieben nicht zu schweigen,Wollen sich der Menge zeigen!"

Und also muß auch mit auf diese Menge der Blick des Dichters fallen; wie viel mehr noch der Blick des Theaterdichters und des Theaterkomponisten!

Bernhard.

Du hast einigermaßen Recht. Verstehe mich wohl: einigermaßen.

Albert.

Nein, das verstehe ich gar nicht wohl. Man hat Recht oder Unrecht. Ein einigermaßen gibt es dabei nicht.

Bernhard.

In unsern schwindlichen Erdeverhältnissen doch wohl öfter, als man denkt. Wenn ich hier zum Beispiel nachgebe, daß Maria Weber es nicht wagen durfte, den ganzen Eindruck der Dichtung und Musik in theatralischer Hinsicht an die Idyllenzartheit jener ersten Scene zu wagen, – wer hindert ihn jetzt, wo der Siegerkranz um seine Schläfe grünt, der Poesie seines Kunstgenossen ihr volles Recht angedeihen zu lassen, und das anmuthige Einleitungsbild nachzukomponiren?

Albert.

Du fragst seltsam. Seine eigne Ouvertüre hindert ihn. Wie sie hinüberjubelt in das Getümmel des Schützenfestes, kann sie doch unmöglich zu gleicher Zeit uns die Wohnung des frommgewaltigen Einsiedlers erschließen sollen.

Bernhard.

Ich ging eines Abends spät, sinnend über Vieles, auf den stillgewordenen Straßen einer großen Hauptstadt umher. Da schwebten Pianofortklänge aus hohen Fenstern halb verhallend zu mir herab. Aber was ich vernahm, bannte mich fest, und drang tief in meine Seele. Die kühnste Wildheit verschmolz in die zarteste Weichheit, und dennoch blieb die gleiche Kraft darin lebendig, schwang sich wieder adlergleich zu den früheren gewaltigen Flügen empor, gestaltete sich dann zum feierlichen Choral, – ¦ "das muß Maria Weber seyn!" sprach ich erglühend vor mich hin. Und ein Freund – mir unbemerkt von gleichem Gefühl an dieselbe Stelle gezogen – erwiederte: "ja wohl! das ist er! In der Wohnung eines wundersam begabten Kunstverwandten gießt er diesmal ganz frei und kühn vor nur wenigen Hörern die Urne seiner Töne aus." – Ich aber fühlte seitdem in mir: "es gibt wohl kein unauflösbares Problem für Maria Webers Begeisterung!" –

Albert.

Sieh dort, wo das ferne Gewitter in den Schimmern des sanften Abendrothes verschwimmt!

Bernhard.

So meine ich es.

L. M. Fouqué.

Apparat

Zusammenfassung

Rezension: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber (Teil 3 von 3). Die ersten beiden Teile erschienen in den vorigen Ausgaben.

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 22, Nr. 185 (21. September 1822), Sp. 1474–1476

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