Friedrich Rochlitz: Rezension zu Webers „Oberon“, Teil 2/2

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Beschluss der Recension: Oberon. Romantische Oper in drey Akten.

Ouverture. Einleitung: überaus liebliches Adagio. Das Oberonshorn allein fängt an; die Saiteninstrumente in leiser, mildschwermüthiger Melodie und Harmonie – einigemal durchzuckt von sonderbarer, auf das leichte Geisterwesen deutender, kurzer Figur der Flöten und Klarinetten – folgen, bis, nach einem Halt, der klare D dur-Accord allein, bloss von Trompeten nnd Hörnern, frisch-Ritterliches ankündigend, erklingt – und so fort: Alles, wie es wahrhaft noch gar nicht dagewesen ist. Hierauf ein grosses Allegro con fuoco, von dem wir nur sagen wollen, dass es, ohne alles Schroffe und Ueberscharfe, seinen Namen mit vollestem Rechte führt, von den sanftesten Zwischensätzen durchflochten wird, und auch mit mehr Consequenz im Technischen ausgeführt ist, als die anderen, obschon sonst gleichfalls trefflichen Ouverturen Webers. Das ganze, grosse Instrumentalstück ist, wie irgend eine Ouverture, ein vollkommen getroffener Umriss des ganzen Werkes für Phantasie und Empfindung. Dass es auch ganz aus Ideen der Hauptscenen desselben gewebt ist – was man freylich hier, wie überall, wo es angewendet worden, erst nach und nach bemerkt, wenn man mit dem Werke vertrauter geworden – das wollen wir nur erwähnen, ohne darauf viel Gewicht zu legen, obgleich es freylich einen Nebenreiz hinzufügt: aber bewundern müssen wir den Meister hierbey darüber, dass er jene Ideen mit solcher Leichtigkeit, in so natürlichem Flusse und gutem Zusammenhange hier zur Vorkost aufgestellt hat, als wenn sie ihm erst im Augenblick gekommen wären und das Alles gar nicht anders seyn könnte.

Introduction und Chor der Feen. Auf Beydes ist in vollem Maasse anzuwenden, was ¦ wir oben von W.s Behandlung des Sylphenreichs überhaupt gesagt haben. Man kann diess treffliche Musikstück eben so zauberhaft im Milden und Zärtlichweichen nennen, wie das zweyte Finale im Freyschütz, zauberhaft im Grauerlichen und Wildschwärmenden. Die weitere Benutzung und nun bestimmtere Anwendung verschiedener Ideen des Einleitungssatzes der Ouverture giebt ihm noch einen Reiz mehr.

Arie Oberons: heftig im Ausdrucke, sehr geschärft in der Harmonie, im Gesange etwas unmelodisch.

Vision: Rezia erscheint dem Hüon im Traume und singt eine kurze, höchsteinfache, schön declamirte Romanze zur Guitarre. Das Oberonshorn leitet sie ein, wie das erste Tempo der Ouverture, nur in anderer Tonart.

Chor der Elfen und Genien, mit kurzen Zwischensätzen Oberons, Hüons und Scherasmins: jenes, zum Preiss des Königs, munter und rasch; in diesen, nur das Nöthige zum Ausdruck der Worte und der Handlung.

Grosse Arie Hüons in drey Abschnitten: der erste und dritte feurig und glänzend, der zweyte sanft, in schönem Gesang. Der allmählige Uebergang von diesem zweyten in den dritten Abschnitt ist besonders wirksam angeordnet. W. muthet in dieser Arie der Tenorstimme sehr Vieles, und Schwieriges bis zum Uebermaass zu; und da eben das Schwierigste derselben nicht mit halber Stimme, sondern möglichst stark aus voller Brust gesungen seyn will: so wird es für die meisten, auch vorzüglichen Tenoristen zu einem Wagstücke, das leicht umschlagen kann. Desshalb weigerte sich auch der alte, erfahrne Sänger in London (Braham), die Arie zu übernehmen und W. war genöthigt, ihm eine andere zu schreiben, die nicht in diesem Klavierauszuge steht. Sie ist gleichfalls in drey Abschnitten; beträchtlich länger, als jene, ausgeführt, | und im zweyten und dritten Tempo jener wenigstens nicht nachzusetzen: doch dürfte sie weniger theatralisch und mehr concertmässig befunden werden. Wir haben sie nicht von der Bühne gehört.

Finale. Es war dem Componisten durch den Dichter unmöglich gemacht, sich, wie er sonst in seinen Finalen gern thut, auszubreiten. Wir erhalten, nach kurzer, recitativischer Einleitung, eine feurige, effectvolle Arie der Rezia; ein kurzes Solo Fatimens, die eiligst mit der Freudenpost von Hüons Ankunft eintritt, und das, um die Dienerin feiner und edler zu halten (artig genug), in den Instrumenten nur plappert, nicht im Gesange; hieraus wird ein, nicht langes, freudiges Duett Beyder: und nun, zum Schluss, kömmt eine curiose, launige, und, in ihrer Art, allerliebste Musik. Man sieht nämlich in der Ferne auf der Terrasse die sklavischen Haremswächter auf- und vorüberziehen; sie verkünden die grosse Wahrheit, dass es Abend sey, und rathsam, schlafen zu gehen. Eine faulere, plumpere, ungeschlachtere Musik ist nie geschrieben und von Klarinetten und grosser Trommel ausgeführt worden. Rezia, vorn, spricht dazwischen ihr Entzücken, vom Orchester munter begleitet, in heiterster Melodie aus. Dann kommen diese beyden Musiken zusammen und werden Eine; wodurch jeder Bestandtheil nur noch mehr gewinnt, und der Zuhörer allerdings gleichfalls. Mehrmals hatten wir uns an jenem abenteuerlichen Mummum schon ergötzt, als uns kund ward, dass wir hier, Note für Note, einen ächten orientalischen – zwar nicht babylonischen, doch ägyptischen – Nationalmarsch bekommen. Niebuhr hörte ihn; und da das Ding, wie hier bey Weber, immer von vorn wieder anging: so konnte er leicht ihn behalten. Er hat ihn aufgezeichnet in seiner Reise durch Arabien und die umliegenden Länder. Weber liebte es, sich selbst und Andere mit dergleichen Besonderheiten zu erfreuen und es stecken ihrer in seinen Werken (auch in manchen Klavierstücken) weit mehre, als bis jetzt noch, wenigstens öffentlich, bemerkt worden ist. So sind, um nur Eins anzuführen, die Melodieen, aus denen er seine Ouverture zur Preciosa gebildet hat, ächte spanische Volkslieder.

Der zweyte Akt ist an grossen Musikstücken der reichste und über die Wirkung der Oper im Ganzen der entscheidendste. Er besteht aus folgenden Sätzen: ¦

Chor der Leibwache des Sultans zum Preiss ihres Herrn: kräftig, abenteuerlich, in Tone rauher, trotziger Fröhlichkeit.

Kleiner Tanz beym Eintritte Rezia’s.

Ariette Fatimens: originell, sehr bezeichnend, lieblich und seelenvoll; eben für das, was sie seyn soll, in jeder Hinsicht meisterlich.

Quartett; Hüon und Rezia, Scherasmin und Fatime, indem sie, gerettet, zum Schiffe flüchten: voller Leben und Freude, in einfachen, sogleich Jeden ansprechenden Melodieen, und in leichter, doch interessanter Harmonie; von mittler Länge; weniger als eigentliches Quartett, mehr als vierstimmiger Gesang überhaupt, behandelt.

Arie Pucks, der auf Befehl Oberons die Geister aller Elemente aufruft, jenen Flüchtlingen den heftigsten Seesturm zu bereiten; untermischt vom Chor dieser wilden Gesellen. Diess grosse Gesang- und Instrumentalstück, dazugerechnet seine unmittelbare Folge, den Sturm selbst, wird Jeder für ein originelles, keckes, fremdartig-wunderliches, ächt Webersches Stück anerkennen und preisen. Es ist reich und breit ausgearbeitet; von unfehlbarer Wirkung auf Jedermann, und doch, dem Style der ganzen Oper gemäss, ohne übermässige Schärfen und musikalische Gewaltstreiche.

Preghiera Hüons, nachdem er die Geliebte für todt aus den Wellen getragen: höchsteinfach, und fast nur in gehaltenen Accorden von gedämpften Saiteninstrumenten begleitet. Es lässt sich für die schönsten Töne eines Tenors wohl kaum melodiöser und inniger schreiben. Bey allen hiesigen Vorstellungen der Oper erwiess dieser ganz kurze Gesang mit seinem Paar Noten eine unverkennbare Gewalt über das gesammte, wenn auch noch so verschiedenartig zusammengesetzte Auditorium und bewegte es zu Mitgefühl.

Scene und Arie der Rezia; Beydes wahrhaft grandios und die gesammten Kräfte einer ausgezeichneten Bravoursängerin, recht eigentlich deutscher Art, in Anspruch nehmend; sie nach sehr verschiedenen Seiten hin im reichsten Maasse beschäftigend, und die Brust fast über Gebühr anstrengend durch das Alles, was sie zu singen, noch mehr aber, wie sie es zu singen hat, und zwar, bey langer Ausdauer, fast ohne allen Ruhepunkt. Es ist ein Pracht- und Characterstück, wie ihrer, für Eine Person, wenige von jeher auf der Bühne gewesen sind. Der Dichter hat es gut angelegt und Weber’n Gelegenheit im Ueberflusse | geboten zum Ausmalen mannichfaltiger innerer Gemüthszustande und äusserer Naturerscheinungen. Dass W. diese Gelegenheit mit Lust und Liebe ergriffen und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln benutzt habe, wird Jeder, der seine Eigenthümlichkeiten kennt, im voraus ihm zutrauen. Rezia ist auf der wüsten Insel mit Hüon; sie ist aus jener Betäubung erwacht; der Zauberbecher hat ihre Kräfte gestärkt; Hüon besteigt die Felsen, nach Hülfe zu forschen; sie ist allein, versunken in den Anblick des Meeres. Sie klagt nicht über ihr Geschick, sie seufzt nicht als Liebende u. dgl. sie rafft sich auf zu einer glänzenden Apostrophe an das Meer selbst. „Ocean, du Ungeheuer: schlangengleich hältst du umschlungen rings die ganze Welt“ – so beginnet sie, schildert im reich begleiteten Recitative seine Schrecken (wobey ein lächerlicher Stichfehler des Auszuges zu berichtigen ist: „zermalmend das mächt’ge Schicksal“ – statt Schiff – „als wär’s ein Rohr“) und fährt dann in der Arie fort, ihrer Empfindungen dabey sich zu erinnern. Doch jetzo wird es allmählig still und heiter, endlich bricht die Sonne hindurch; (diese Uebergänge, breit ausgeführt, sind trefflich in der Musik;) aber sie will sie nicht sehen: leicht wär’ es in dieser Einöde zum letztenmale. (Desgleichen.) Gleichwohl kann sie es nicht lassen, hinzublicken: da zeigt sich ihrem Auge Etwas in der Ferne, das nach und nach sie für ein Schiff erkennt, ein rettendes Schiff. Nun weiss sie sich vor Wonne nicht zu lassen (letztes Tempo der Arie); sie wehet den Nahenden zu, erhält Zeichen, erkannt zu seyn: aber Hüon ist nicht da. Sie eilt zum Felsen, ihn zu entdecken: findet ihn nicht; sie ruft: er hört sie nicht; das Schiff landet: sie preiset Oberon, der es müsse gesandt haben; entzückt eilt sie den an’s Land Steigenden entgegen: es sind – Seeräuber. Alles diess hat W., der Empfindung und der Handlung Rezia’s nach, mit einer Mannichfaltigkeit, Wahrheit und Anschaulichkeit in seine Musik zu legen gewusst, dass man ihn bewundern muss, und dass die Sängerin, ist sie zugleich Schauspielerin genug, und kann, was er vorgezeichnet, in beyderley Hinsicht erfüllen, des lautesten Beyfalls gewiss seyn kann. (In ihr Entzücken spielt der glänzende Schlusssatz der Ouverture mit hinein.)

Finale. Weber, der, als erfahrner, äusserst gewandter Theatercomponist, sehr gut wusste, ¦ dass bey einer Oper von drey Akten das zweyte Finale der, über die Aufnahme des Ganzen entscheidendste Moment sey; und dass der Höhenpunkt dieser seiner Oper – nicht, wie im Freyschütz, in möglichst gesteigerter Schilderung des abenteuerlich Grauenhaften, und nicht, wie in der Euryanthe, in möglichst gesteigerter Schilderung leidenschaftlicher Zustände und Contraste, sondern in möglichst gesteigertem mildem, zartem, aber feenhaftfremdartigem Reize liege, bot bey diesem, in der Dichtung kurzem und nicht einmal in die rechte Form gebrachten, in der Musik nur mässiglangem Finale zu jenem Zwecke alles auf, was, innerhalb so enger Gränzen, seine Phantasie erfinden, seine Kunst und Erfahrung ausspinnen, seine Kenntniss der Eigenthümlichkeiten aller Instrumente und deren vortheilhaftester Stellung und Benutzung vermitteln konnte. Was er nun hier geschaffen, das erklären wir unbesorgt in den beyden lang ausgeführten Sätzen, dem ersten und dritten (der zweyte, in zwey kürzeren Tempos, ist gut, aber nur überleitend), in seiner Art, für das Originellste, Schönste und Vollendetste, was je ein Meister hervorgebracht hat. Wird es von den Singstimmen und Instrumenten in vollkommener Uebereinstimmnng mit Delicatesse, Wohllaut und Zierlichkeit ausgeführt, auch – was hier wesentlich zur Sache gehört – für das Auge wohlgeordnet und angemessen ausgeschmückt: so fühlt sich Jeder, Kenner oder nicht, wie bezaubert; und gleichwohl geschieht während des ganzen Finale eigentlich gar nichts, sondern es bietet nur ein einziges Bild, mit wechselnden Gruppen und Bewegungen. Rezia nämlich war von den Räubern fortgeschleppt; Hüon, der dazukam und für sie kämpfte, bis er erschöpft dahinsank, liegt nun im tiefen Schlafe der Ohnmacht. Jetzt beginnt das Finale. Es ist Abend. Leichtgesinnte, sanftheitere Meermädchen tauchen auf im Wasser und erfreuen sich in einem Liede des lauen Abends – erster Satz; Oberon mit Puck und seinem Elfen-Hofstaate kömmt; Puck berichtet, er habe mit Rezia vollbracht, was ihm befohlen war, und fragt an, ob er mit dem Chore aller Unterthanen des Reichs seines Herrn den Abend feyern dürfe und bekömmt Zustimmung – zweyter Satz; den König zu erheitern, und sich selbst mit den Brüdern und Schwestern Genüge zu thun, rufen sie einander auf, preissen ihr Loos, vereinigen sich in milder Freude, die sie zugleich in zierlichen Bewegun|gen und Verschlingungen ausdrücken (der Gesang wird fünfstimmig), und diese gehen über in einen leichten, graziösen Tanz – dritter Satz, in zwey Tempos: und das ist es alles. Was nun aber Weber daraus gemacht hat, das muss man von ihm selbst hören, und zwar nothwendig vor der Bühne, wo man, was er gewollt, zugleich sehen kann, und auch die vielfältigen, ganz eigenen, feinen und pikanten Details seiner Musik bemerken, auf welche es hier gar sehr mitankömmt. Leicht könnte man hiervon Mancherley in Worten angeben: aber es bliebe ein Mancherley und würde nimmermehr ein Ganzes, auch nur im Umrisse, nicht einmal für die Erinnerung, viel weniger für die Vorbereitung. Was bey W. leichtbewegt vorüberschwebt, wie kleine bunte Abendwölkchen, das fiele, in wörtlicher Beschreibung zu Boden, wie schwere, breite, farblose Bleykuchen.

Der dritte Akt bekömmt, nach diesen unmittelbar einander folgenden Hauptstücken des zweyten, einen schweren Stand; und vielleicht kann man ihm nur erst sein Recht wiederfahren lassen, wenn man die Oper schon einigemal gehört hat, von dem Eindruck ihres Hervorstechendsten weniger befangen ist, weniger von ihm den Maassstab für das Folgende festhält. Dieser Akt enthält folgende Musikstücke:

Arie Fatimens: gewissermaassen in der Art der französischen Romanze; die Musik (Gesang und Begleitung) charactervoll und höchstbezeichnend für das anmuthige Wesen des Mädchens, in welchem eine leichte Wehmuth und ein leichter Scherz einander so nahe liegen, so oft mit einander sich mischen: ein allerliebstes Gesangstück.

Duett, Scherasmin und Fatime, in zwey Tempos; im ersten klagen, im zweyten ermuntern sich beyde: diess und jenes ihrer Sinnesart gemäss; das zweyte Tempo besonders artig und pikant.

Terzettino, Fatime, Hüon, Scherasmin: angenehmer Zwischensatz.

Cavatine, Rezia: einsame Klage; einfach, rührend , trefflich: eine Art Seitenstück zu Mozarts: Ach ich fühl’, es ist verschwunden – in der Zauberflöte, nur noch wehmüthiger und affectloser.

Rondo, Hüon: sehr lebhaft, ziemlich lang; an dem Orte, wo es steht, nicht von besonderer Wirkung.

Chor, mit wechselnden Solos Hüons, und Ballet, nicht der Elfen, sondern der Sklavinnen ¦ im Tunesischen Harem: lebhaft, lang; muss durch den Tanz selbst gehoben werden.

Finale. Das Oberonshorn allein fängt es wieder an und leitet ein. Chor der Sklaven: volksmässig, sehr bezeichnend. Kurze Zwischenmusik zur gänzlichen Verwandlung der Dinge bey des nun befriedigten Oberons letzter und abschliessender Erscheinung. Dessen Erklärung: kurz und gedrängt. Aufzug mit glänzendem Parademarsch. Schlusschor: kräftig und freudig.

Sollten wir nun schliesslich noch ein ganz allgemeines Urtheil über diese Oper fällen, so würde es kürzlich also lauten: Sie ist, wie jede Webersche, von seinen andern Opern geschieden und für sich bestehend; sie ist mithin auch so zu betrachten. Zu dem, was sie ward, war er durch den Dichter – mehr veranlasst, als geführt, und dabey mehr eingeschränkt, als erhöhet. Das Vorzüglichste, was sie enthält, musste W. sich selbst aussinnen und auch allein ausbilden: diess aber ist ihm unvergleichlich, doch auch das Andere achtungs- und beyfallswerth gelungen. Von jenem nahm das Werk den in ihm herrschenden Character milder Freundlichkeit, zarter Heiterkeit an, ohne darum rascher, energischer Kraft und eines wahrhaft begeisterten Schwunges zu entbehren. Es regt uns auf, gleich von seinen ersten Tönen an, zu einem geistvollen, innerlichst belebenden und erfreulichen Spiele im Reiche der Phantasie und reiner, leidenschaftloser Empfindungen; verflicht uns immer mehr in dieses Spiel und lässt von ihm uns nicht los, bis es uns überhaupt entlässt. So ist sein Gesammteindruck keinesweges aufreissend, erschütternd, bestürmend, sondern hebend, bewegend, beruhigend. Das Terrain, das es einnimmt, ist weder ein düsterer, erhabener Eichenhain mit einzelnen lichten Durchsichten, noch eine rauhe Gebirgskette mit einzelnen freundlichen Thälern, oder gar ein Schlachtfeld, wo Glänzendes und Schreckhaftes, Siegesjubel und Todtesschmerz, sich mischen: es ist ein Garten, nicht ohne ernste, stolze, hochaufstrebende Bäume, aber weit mehr erfüllt von blühenden Sträuchern und duftenden Blumen, meist eines fremden, weit entlegenen Klima’s, mit dessen höheren Farben und reizenderm Schmelz; zwischen solchen Beeten wohlgemessene reinlichgrüne Plätze, wo durch den, das Auge erheiternden Rasen selten etwas hervordringt, was nicht sollte, und was, näher besehen, doch vielleicht | ein Veilchenstock ist. Lasst uns dem trefflichen Künstler danken, der den Garten eben so angelegt, so ausgeführt, so aufgeschmückt, und uns Allen eröffnet hat; und hört er unsern Dank nicht mehr, so lasst uns in seiner Schöpfung lustwandeln, nicht mit Anforderungen, die hier nicht anwendbar sind, (hat er doch auch diese anderswo erfüllt!) sondern mit unbefangenem, heiterm Genusse dessen, was er hier so reichlich verbreitet hat; und auch mit freundlichem Andenken an ihn selbst. —

Das deutsche Gedicht können wir, in wiefern es Uebersetzung ist, nicht beurtheilen, da uns das englische Original fehlt. Bey dem gewandten, sach- und sprachkundigen, deutschen Dichter wird ein Jeder mit uns voraussetzen, dass die Uebersetzung so treu ist, als bey so Etwas nöthig: und vielleicht ist sie diess noch mehr; denn Einzelnes in ihr singt sich etwas hart und unbequem. Ein Vorzug dieser Opernverdeutschung vor vielen ist, dass die musikalischen Accente und sonstigen Hebungen, Betonungen u. dgl. richtig fallen; was bey dem vielen Ungleichen und Willkürlichen der englischen Sprache in Beziehung auf Musik keine kleine Aufgabe gewesen seyn mag.

Der Klavierauszug, vom Componisten selbst verfertigt, ist, wie gleichfalls ein Jeder ohne unsere Versicherung voraussetzen wird, so gut, als er nur zu machen war: er enthält Alles, was er enthalten konnte, und ohne unspielbar oder auch nur zu spielen sehr schwer zu seyn; aber Eines enthält er nicht: nämlich die Andeutung der Instrumentation, wenigstens da, wo sie eine besondere und auf den eigenthümlichen Klang einzelner Instrumente wesentlich berechnet ist. Letztes ist aber, wie bekannt, in Webers Opern sehr oft, doch bey keiner in dem Maasse der Fall, als beym Oberon.

Papier und Stich sind gut: der Preis ist aber ziemlich hoch. —

Und nun gehe hin, du mein Blatt! Fliege umher, so weit du kannst: dann senke dich auf das einsame, ausser dem Vaterlande entlegene Grab des theuren Freundes! Kannst du Andern Etwas seyn, so sey es dadurch, wodurch du Ihm selbst Etwas gewesen seyn würdest: durch Aufrichtigkeit ohne Rückhalt, aber nicht ohne Bedachtsamkeit, und nicht ohne Liebe!

Rochlitz.

Apparat

Zusammenfassung

Rochlitz: Rezension des Oberon

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 29, Nr. 16 (18. April 1827), Sp. 265–273

    Einzelstellenerläuterung

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