Aufführungsbesprechung Berlin: „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber

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Aus Berlin über Berlin.

(Fortsetzung.)

[…] Die „Euryanthe“ von Weber, hat ungeheures Aufsehen gemacht, der geniale Kompositeur, der selbst dirigirte, wurde empfangen, und zwey Mal herausgerufen. Ich sage Ihnen weder etwas über den unausstehlichen TextT der Mad. Klenkin, noch etwas über die Vortrefflichkeit der Musik. Beydes ist bereits in allen deutschen Blättern genügend geschehen. Doch die hiesige Ausstattung und Exekution verdient enthusiastisches Lob. Ich habe die Oper sehr oft, und auch ihre erste Darstellung in Wien gehört, sie hält aber mit der hiesigen gar keinen Vergleich aus, sowohl an scenischer Pracht als an künstlerischer Ausführung des Werkes selbst. Mad. Seidler als Euryanthe war beseelt von einem Kunstgotte, der in jeder ihrer Töne seine Herrlichkeit verkündete, auch ihr Spiel zeigte die vollendete Künstlerin, sie wurde stürmisch gerufen. Mad. Schulz als Eglantine ließ uns den herrlichen Vollklang ihrer Töne hören. Hr. Bader als Adolar war vortrefflich, minder wollte mich Hr. Blumer als Lysiart ansprechen. Die Chöre waren trefflich. Das Orchester vollendet. Ich sah in einer Loge die Wiener-Euryanthe (Dem. Sonntag) sitzen; liebster Herr Redakteur, darf ich es Ihnen gestehen, daß sie sehr reitzend aussah? Darf ich es gestehen, daß ich mich zurück erinnerte an diese Euryanthe-Sonntag, und daß sie dastand vor mir in aller ihrer persönlichen künstlerischen Liebenswürdigkeit? daß ich so zu sagen eine Doppel-Euryanthe heute genoß? Denn die Wahrheit muß ich sagen, sie war als Euryanthe ganz vortrefflich! und ich wage nicht unter diesen beyden Euryanthen zu wählen. Aber wehe that es mir sie da sitzen zu sehen als Gast in einem Hause, in dem sie eigentlich heimisch wäre, und zu denken, sie ist heimisch in einem Hause, wo sie ewig nur ein Gast bleiben wird!* ach, ich sah der guten Henriette (darf denn ein Korrespondent nicht auch einmal zärtlich seyn?) durch die klaren Aeuglein bis in die Nachtigallenseele, und da schien mir deutlich geschrieben zu stehen: []kennst du das Haus, wo solche Opern blühen? dahin, dahin, dahin, möcht’ ich mit dir, geliebte Mutter! zieh’n!“ Hätte sie nur einmal einen Blick auf einen maliziösen Korrespondenten, wie ich bin, geworfen, sie hätte in meiner derben Wahrheitsseele gelesen, daß ich zwar weiß, wie Ueberschätzung ein schönes Köpfchen schwindeln machen kann, allein daß ich doch überzeugt bin, daß Dem. S. es bald wird einsehen lernen, daß ein würdiger Altar der Kunst mehr Reitz für sie haben muß in seiner edlen Einfachheit, als ein Alltagsaltar, und wär’ er auch mit ächten Shwals umwunden, und knieeten auch Tausende vor ihm.

(Der Beschluß* folgt.)

Apparat

Generalvermerk

Laut Redaktionsexemplar der Zeitschrift aus dem Cotta-Archiv (Schiller-Nationsmuseum Marbach) war der Honorarempfänger (und somit wohl auch Autor) des Beitrages Moritz Gottlieb Saphir; vgl. auch Briefentwürfe der Chézy an Saphir vom Juli 1826

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Bandur, Markus

Überlieferung

  • Textzeuge: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 20, Nr. 35 (10. Februar 1826), S. 140

Textkonstitution

  • „jeder“sic!
  • „Shwals“sic!

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