Über Helmina von Chézy als Rezensentin

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Frau Helmina von Chezy, der literarischen Welt vorzugsweise bekannt durch ihren corrupten und faden Text zur Oper „Euryanthe“, hat nun ihrer Neigung zum Recensiren und Kritisiren, die ihr schon von früher Kindheit an eigen war, wieder ganz den Zügel schießen lassen, vermuthlich aus Aerger, weil alle ihre dramatischen Arbeiten schmählich durchgefallen sind, jenen Opern-Text mit eingerechnet, der an und für sich überall fiasco machte, und sich nur unter der mächtigen und unabweisbaren Protection von C. M. v. Weber’s vortrefflicher Musik auf dem Deutschen Theater widerrechtlich eingedrängt hatte. Die Dichterin erzählt in ihrer Broschüre: „Eßlair in Wien“ *)*, daß in ihrem neunten Jahre, als sie einmal eine Recension vorlesen hörte, die Wirkung derselben auf sie so unbeschreiblich war, daß sie, malgré bongré, unwiderstehlich zum Recensiren angetrieben wurde, zu Feder und Tinte eilte, und sich, in Rücksicht auf das in ihrem elterlichen Hause obwaltende Papier-Ersparungs-System, mit einem mühsam eroberten Waschbuch, in welchem noch ein weißes Blatt vorhanden war, in das einsamste Winkelchen des Hauses flüchtete, um – – eine Recension zu schreiben. Diese Neigung klebt nun der guten Frau gewaltsam an, ja sogar das Waschbuch scheint sich, ungeachtet seit jener Zeit eine lange Reihe von Jahren verflossen sein mag, nicht verloren zu haben, sondern sie scheint es noch häufig bei ihren Kritiken zu Exerpten zu benutzen. […] Der Leser nehme jene Kritik zur Hand und das Waschbuch wird ihm bei jeder Zeile einfallen, er wird es gar nicht wieder los werden können, besonders wenn er liest, wie die Deutsche Corinna über Musik urtheilt, ungeachtet ihr doch gar nicht die leiseste Ahnung von dem innern Sein und Wesen dieser Kunst, von ihrem theoretischen und praktischen Umfange beiwohnt, wie sie sich dagegen in den abgedroschensten Hyperbeln gefällt, um, ihren Mangel an näherer Einsicht hierin zu überkleiden und zu verdecken. […]

[Originale Fußnoten]

  • *) O, ein zuckersüßes Dingelchen! Aber die große Eile, mit welcher es erscheinen mußte, entschuldigt die gründliche Oberflächlichkeit desselben. D. R.

Apparat

Zusammenfassung

stichelnder Kommentar über H. v. Chézy als Rezensentin und Kritikerin

Generalvermerk

Aufsatz mit „Amandus Modestus Severus“ gezeichnet; lt. Rosamunde, Drama in fünf Akten von Helmina von Chézy, Musik von Franz Schubert, hg. von T. G. Waidelich, Tutzing 1996, S. 10f. ist M. G. Saphir, der Redakteur und Herausgeber der Berliner Schnellpost auch Autor

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Solveig Schreiter
Korrektur
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Berliner Schnellpost für Literatur, Theater und Geselligkeit, Jg. 1, Nr. 98 (16. August 1826), S. 390

    Einzelstellenerläuterung

    • „… gründliche Oberflächlichkeit desselben. D. R.“Gedruckt bei Wallishausser, Wien 1824.

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