Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: „Lodoïska“ von Luigi Cherubini am 29. August 1820

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Dienstag, am 29. Aug. (und vorher am 26. d. M.) in der Stadt: Lodoiska, Oper in 3 Akten, Musik von Cherubini. – Nach langer Ruhe kehrte dieß Meisterwerk Cherubini’s endlich einmal wieder zu uns zurück, zur Freude Aller, die noch (trotzend der jetzigen musikalischen Epidemie) Sinn und Gefühl für wahre, gediegene Musik haben. Wenn übrigens ein Werk, wie dieses, im Geist der Kraft und der Wahrheit geschaffen, in der gegenwärtigen sibaritischen Epoche der Musik die, durch süßliches Getändel und leeres Getöse verweichlichten und verwöhnten, Ohren der Mehrzahl des Publikums (aller Orten) nicht mehr so anspricht, als in den Jahren seiner ersten Erscheinung, wo man der Tonkunst doch noch eine würdigere Bestimmung einräumte, als die, bloß zeitvertreibender Ohrenkitzel zu seyn, so liegt dieß eben im Geist und Wesen genannter Epoche, und kann, wo sie die laue Aufnahme des Werkes selbst, den erfahrnen Beobachter nicht befremden; denn tempora mutantur etc. Betreffend die Darstellung, so beziehe ich mich hier nur auf die zweite, da ich der erstern nicht beiwohnen konnte. Dlle. Willmann, als Lodoiska (obgleich sie, wie es schien, nicht so bei Stimme war, wie sonst gewöhnlich, welches wohl auch nach so bedeutenden Anstrengungen in einem so kurzen Zeitraum nicht unnatürlich ist, auch dem Sänger nicht zur Last fallen kann), verdient alles Lob. […] – Hr. Gerstäcker, der mit männlicher Festigkeit, unangefochten vom Schwindel des musikalischen Zeitgeistes, in seiner edlen Einfachheit des Gesanges beharrt, aber eben darum auch immer groß bleiben wird, gab den Floresky, besellet vom Geiste Cherubini’s, mit hinreißender Kraft, Lebendigkeit und Zartheit. – Hr. Mayer gab den Varbel mit vieler Munterkeit, ohne Uebertreibung, und ist hier besonders wegen seiner (früher oft vermißten) Deutlichkeit der Aussprache, sehr zu loben. Auch Hr. Toussaint, als Starost, und Hr. Wilhelmi, als Tizikan waren wacker und brav, wiewohl die, größtentheils in der Begleitung stark ausgestattete Parthie des Tizikan für die mehr angenehme, als eben starke Stimme mitunter etwas zu anstrengend ist. Im Allgemeinen war die Darstellung genügend, obwohl hie und da, besonders in den (freilich sehr schweren) Ensembles, noch etwas mehr Sicherheit, Präcision, und Abrundung im sogenannten Ineinandergreifen des Ganzen zu wünschen blieb. Doch kann dieß, trotz aller Proben, bei einem in der Ausführung wirklich so bedeutend schwierigen Werke sich nur nach mehreren Vorstellungen in ganzer Vollkommenheit finden. Das Orchester ¦ zeigte sich seines und des großen Cherubini Ruhmes würdig. Das Weglassen des eigentlich letzten Finales ist nicht zweckmäßig und macht den Schluß stumpf und unbefriedigend. Durch einige Abänderung in Anwendung der Sturmscene, könnte dieß vielleicht vermieden und es den Sängern möglich gemacht werden, den eigentlichen Schluß der Oper noch auszuführen. Doch will ich hierdurch keinesweges der bessern Einsicht unserer wackern Regie zu nahe treten.

Fr. Uber.

Apparat

Zusammenfassung

Chronik der Königlichen Schaubühne zu Dresden, 1. Teil gezeichnet: Fr. Uber

29. Aug., Stadt: Lodoiska

1. Sept., Bad: Menschenhaß und Reue, 1. Teil

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 4, Nr. 222 (16. September 1820), Bl. 2v

        XML

        Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
        so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.