Ludwig Ottwald: Korrespondenzbericht zur Leipziger Oberon-Einstudierung (Teil 2 von 3)

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Aus Leipzig.

[Fortsetzung.] Um den Aufzug des Kaisers mit seinen Rittern prachtvoll und imposant genug zu geben, wie es in London mit erstaunenswerthem Aufwande geschah und den Effekt zum Schlusse noch so zu steigern, daß er sich an Pracht dem Feenreiche keck anreihen darf – fehlt es uns an brauchbaren Individuen für das Chor- und Statistenpersonale – in Berlin und Wien kann man so etwas eher leisten. Ich habe an letztgedachtem Orte einen Krönungzug in der Jungfrau von Orleans gesehen, der an Pracht alles Erdenkliche übertraf, und so soll in London Kaiser Karls Einzug in den Saal seyn. – Man hat hier viel für und dagegen gestritten, man wollte den Schluß beibehalten, der Tondichtung ihre Rechte ungeschmälert wissen; man zagte hinwieder an der Theilnahme des großen Publikums, wenn man durch keinen tüchtigen Effektschlag zum Schlusse auf dessen Perception hinarbeitete. Weber’s Tongemälde habe, meint man, und das mit aller Richtigkeit, drei charakteristische Elemente: das Reich des Zaubers, den prunkhaften Orient und das ritterliche Europa (die Romantik); lasse man eines von diesen (was mit dem Schlusse offenbar geschieht) weg, so sei diese charakterisirende Tryas in ihrer Einheit gestört. Nach Anderer Meinung wieder glaubt man, für den Theatereffekt sei Karls (dessen nur in der Exposition gedacht wird) Erscheinung am Schlusse nicht durchaus nothwendig, es genüge, wenn Oberon seiner Verzeihung ebenfalls nur wie vorhin erwähnt. In Summa: man kam bis jetzt dabei nicht in’s Klare. Um den Marsch ist’s freilich Schade, sehr Schade; aber wie ihn anbringen, da dem Theatereffekte durch den neuen Schluß ein Opfer gebracht werden mußte? – Nun, da Weber todt ist, hat jede Aenderung Schwierigkeiten; der englische Dichter hat für ein großes Londoner Theater und seine Mittel gedichtet; dem gemäß hat Weber componirt – ein deutscher Dichter hätte dieß alles mehr auf uns bemessen und der Uebelstand wäre vermieden worden. Auch tadelt man, daß der letzte Männerchor nun in den Mund der Feen umschrieben worden. So höchst charakteristisch alle früheren Chöre sind, so zulässig ist die Verlegung bei diesem, selbst der Text widerstrebt hier nicht; das kleine Schlußrecitativ hat nur einige Takte: aber der Marsch, der Marsch ist verloren. „Könnte man denn nicht – um auch mir einen Vorschlag zu gestatten – die Oper mit Karl dem Großen abschließen lassen, wie früher, und in dem Momente, wo er die Hände des liebenden Paares segnend in einander legt, im Hintergrunde die jetzige Schlußdecoration mit dem Rothfeuer, noch malerischer durch seine Perspective, erscheinen lassen?“ Der Anblick müßte, glaube ich, über alle Beschreibung prachtvoll sein und wenn ich nicht irre, charakterisirt die Schlußscene des Rübezahl* ein Aehnliches. – Doch wie die Stimmen jetzt noch für und wider das Geschehene lauten; so steht vielleicht noch eine neuerliche Veränderung bevor. Unsere wackere umsichtige Direction reicht gewiß zu jedem annehmbaren Vorschlage bereitwillig die Hand.

Ich hätte Ihnen noch so Manches, so recht Vieles über diese herrliche Schöpfung Weber’s zu sagen, auch Manches meines früheren Berichtes zu berichtigen, aber ich muß es, wie gesagt, Andern überlassen; denn zu Abhandlungen ist hier auch nicht Raum.

[…]

[Der Beschluß folgt.]

Apparat

Zusammenfassung

Teil 2 von 3

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ziegler, Frank; Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 11, Nr. 45 (21. Februar 1827), S. 180

    Einzelstellenerläuterung

    • „… charakterisirt die Schlußscene des Rübezahl“In Leipzig hatte am 21. März 1825 die Oper Rübezahl von W. Würfel Premiere gehabt. Möglicherweise ist allerdings Spohrs Rübezahl-Oper Der Berggeist gemeint, der am 16. September 1825 seine Leipziger Premiere erlebt hatte.

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