Heinrich Graf Vitzthum von Eckstädt an Friedrich August I., König von Sachsen in Dresden
Dresden, Mittwoch, 29. Januar 1817

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Des Freyherrn von Weber Gesuch um Ernennung zum Köngl: Capellmeister betr:
Allerunterthänigster Vortrag

In der Original-Anfuge sub No I.* hat der OrchesterDirector, Freyherr von Weber, Folgendes an mich gelangen lassen:

Er hoffe, ganz im Geiste der anerkannten Huld, Güte, Gerechtigkeits- und Kunstliebe Ew: Königl: Majestät zu fühlen, wenn er zu glauben sich unterstehe, daß bei einer neu zu gründenden vaterländischen Kunst-Anstalt, es hauptsächlich darauf ankomme, ihr die Achtung der öffentlichen Meinung zu sichern; indem durch das ehrende Beispiel von Oben, schon jeder Versuch auf den ehrenvollen Aussichts-Punct gehoben würde, der allein ein Streben und künftiges Vorwärtsschreiten möglich mache.

Die öffentliche Meinung habe darinnen nur den Maasstab der Vergleichung. Sie messe nach dem, was für andere Kunstanstalten geschehen, den Werth der neuen. Daß dieses unmittelbar dann auch auf die dabei Beschäftigten einwürke, sey klar.

Aus dieser einfachen Ansicht gehe ferner, daß die Art und Weise, in der der Repräsentant des Ganzen - der jeweilige Leiter der Oper, - im Verhältniß zu seinen Kunst-Collegen stehe, auch die Ehrenstuffe bestimme, die er durch die Anstalt, und die Anstalt durch ihn erhallte: Von dieser Ansicht von jeher erfüllt, sey seine Hoffnung dahin gegangen, als Köngl: Capellmeister die Leitung der deutschen Oper zu übernehmen. Nur in dieser Form habe er es annahmbar finden, ja nothwendig fühlen können, in der vorläufigen Anstellung auf Ein Jahr, zu versuchen, sich der Allerhöchsten Gnade theilhaftig zu machen, um dann würdig befunden zu werden, auch ferner sein Streben dem Königl: Dienste weihen zu dürfen.

Hieraus entspringe von selbst collegialische Aushülfe in nothwendigen Fällen, bei jeder Art des Allerhöchsten musikalischen oder theatralischen Dienstes. Ohne dieses träte blos ein subordinirtes Substituiren ein, welches dem Beispiel aller Hof-Capellen zuwider sey, und, nach den Begriffen von Künstler-Ehre die in der Welt festgestellt, jedem Künstler heilig seyn müssen, ihm durchaus nicht annehmbar seyn könne. Ja er würde sich der Ehre unwürdig halten, ein Königlicher Diener zu seyn, wenn er anders denken, fühlen und handeln könnte, als es ihm nicht nur die deutsche Kunst, sondern die KunstEhre aller Zeiten und Orte gebiete.

Es gehe also seine Bitte an mich dahin, die Hoffnungen zu erfüllen, die er vermöge früherer Unterhandlung zu hegen berechtiget zu seyn glaube, um so mehr als alle Künstler, die auf ähnliche Art, auf Ein Jahr in Königliche Dienste zu treten das Glück gehabt, zum Beispiel der Capellmeister Morlacchi, der Conzertmeister Polledro pp doch sogleich mit dem Tittel und Vorrechten begabt worden, die ihnen später geblieben. Aber auch im schmerzlichen Falle der Nicht-Erfüllung, würde er es sich zur Pflicht machen, so lange, bis ein Würdigerer gefunden worden, die Leitung der deutschen Oper auf einige Monate freiwillig fortzusezen. Denn wenn ihm auch die Form im Leben, um des Lebens willen etwas heiliges sey, so wolle er doch nicht, auf irgend eine Weise glauben lassen, daß das Gedeihen eines Kunstzweiges, so weit dessen Pflege sich mit seiner Künstler-Ehre vereinbare, ihm weniger heilig sey.

So ernstlich und anhaltend ich mich auch bestrebet habe, den von Weber, - nur allein um Ew: Königl: Majestät nicht behelligen zu dürfen, - über diesen Gegenstand zu beruhigen, und dessen weitere Verfolgung wenigstens vor der Hand abzulehnen, so kann ich doch, da meine Bemühungen fruchtlos geblieben, und ich daher gezwungen bin, die Sache sofort zu Allerhöchster Kenntniß zu bringen, nicht umhin, den Ansichten des Freyherrn von Weber durchgehends beizutreten, und meiner pflichtmäßigen Uiberzeugung nach bei Allerhöchst-Denenselben auf dessen alsbaldige Ernennung zum Köngl: Capellmeister hierdurch ehrerbietigst anzutragen.

Zuvörderst beweißt der sub II. allerunterthänigst angeschlossene frühere Brief des Freyherrn von Weber in facto, daß derselbe gleich anfänglich die persönliche Auszeichnung durch Ernennung zum Königl: Capellmeister, als eine wesentliche Bedingung bei den mit mir, über seine Anstellung, gepflogenen vorläufigen Unterhandlungen ausgesprochen habe, weshalb ich auch vorhin schon meine ohnmaasgeblichen Anträge ausdrücklich dahin gerichtet hatte. Demnächst ist es aktenkundig daß alle diegenigen, welche gleich ihm ursprünglich nur Einjährige Anstellung bei Ew: Königl: Majestät Capelle, zu Theil geworden, dennoch gleich anfänglich den Tittel derjenigen Stelle erhalten haben, in welcher sie functioniren sollten, wie solches die Beispiele von Bassi, Morlacchi und Polledro bestätigen, von denen besonders die erstern bei ihrer Annahme doch gewiß in der Kunstwelt den ausgebreiteten Ruf bei weiten nicht erlangt hatten, welcher dem von Weber schon vorausgieng, und welcher die Veranlassung ist, daß Webers Aufnahme in Ew: Königl: Majestät Dienste, als ein vorzüglicher Beweiß der hohen Gunst, welche Allerhöchst-Dieselben auch der deutschen Kunst zu schenken geruhen, bereits in allen öffentlichen Blättern mit großer Auszeichnung erwähnet wird. Und daß Weber von Ew: Königl: Majestät zunächst für die deutsche Oper, und nur in gewissen Fällen zur Uibertragung bei andern musikalischen Aufführungen bestimmt worden, begründet wohl keinen wesentlichen Unterschied, da demselben, wenn seine Anstellung den Nuzzen gewähren soll, den sie nach dem großen Umfang seiner Virtuosität zu gewähren vermag, wenigstens für die deutsche Oper durchaus denselben Wirkungs-Kreis, dasselbe Ansehen und Einfluß eingeräumet werden muß, welcher den Capellmeistern für die italiänische Oper, jederzeit und ohne Ausnahme zugestanden worden.

Nicht zu berechnen wäre der Nachtheil, welchen die von dem von Weber, auf den unverhoften Fall einer abschläglichen Allerhöchsten Resolution mit Bescheidenheit angedeutete alsbaldige Wiederaufgabe seiner hiesigen Dienstverhältnisse, dem neu zu schaffenden, von Ew: Köngl: Majestät vorzüglich auch in finanzieller Hinsicht als ganz unentbehrlich anerkannten Institut der deutschen Oper, in seiner Bildung und Fortschreiten sowohl, als in der öffentlichen Meinung bringen würde. Uibrigens habe ich den von Weber schon in der kurzen Zeit seines Hierseyns, als einen vielseitig gebildeten, Kenntnißreichen Mann, und ganz vorzüglich auch von Seiten des Charakters, auf eine sehr vortheilhafte Art, namentlich so kennen zu lernen Gelegenheit gehabt, daß er zwar seines eigenen Werthes bewußt, sich in keiner Weise etwas vergiebt, jedoch über die kleinlichen Hülfsmittel der Leidenschaftlichkeit erhaben, nur die Beförderung des Dienstes, durch Vervollkommnung aller Art von Kunst-Genüssen vor Augen hat, und auf Erreichung dieses Zieles, in möglichster Uibereinstimmung mit den übrigen Vorstehern der Königlichen Capelle, mit unpartheiischer Rechtlichkeit und Ruhe fest hinzuwirken strebet.

Heinrich Graf Vitzthum Eckstädt

Apparat

Incipit

In der Original-Anfuge sub No I. hat der Orchester-Director, Freyherr von Weber

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsisches Hauptstaatsarchiv (D-Dla)
    Signatur: 10026, Geheimes Kabinett Loc. 15146/04 (Bd. 20), Bl. 129–134

    Quellenbeschreibung

    • 3 DBl. (8 b. S.)
    • Vermerk am Anfang: „prs. den 1. Febr. 1817.“

Textkonstitution

  • „… Director , Freyherr von Weber“rot unterstrichen, darauf Randbemerkung in roter Tinte bezogen: „Er ist durch das allerhöchste Rescript vom 14. Decbr: als Musik-Director der deutschen Oper angenommen worden.“
  • „durch“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… der Original-Anfuge sub No I.“Vgl. den Brief von Weber an Vitzthum vom 23. Januar 1817.

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