Carl Maria von Weber an die Berliner Freunde
Dresden, Mittwoch, 18. Dezember 1822
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Absolute Chronologie
Vorausgehend
- 1822-12-18: an Berliner Freunde
- 1822-12-18: von Lannoy
Folgend
- 1822-12-18: an Lichtenstein
- 1822-12-19: von Gänsbacher
Wenn je der Wunsch zu billigen war, des Fortunatus Wunschhütlein* zu besizzen; so konnte er gewiß Niemand weniger verargt werden, als mir Armen, Reichen, – wegen dem Grund seiner Verzweiflung Beneidenswürdigen.
Durch eine Reihe von Jahren, habt Ihr theuren Versamelte mir so zahllose Beweise inniger Theilnahme, liebender Nachsicht, und treuer Freundschaftswärme gegeben; habt den wohl oft wunderlichen Kauz so gerne gehätschelt, ermuthiget, erhoben, und ihm die rauhe Bahn zu ebnen gesucht, daß er es wohl für eine seiner schönsten Freuden auf Erden halten dürfte, den Abend den Ihr seinem Andenken weiht*, durch des Wunschhütleins Macht eine Stunde in Eurer Mitte hausen zu dürfen, um in seiner treuen Umarmung Euch fühlen, und in seinen Augen lesen laßen zu können, wie über alles wohlthuend ihm diese Erneuerung so manchen unvergeßlichen Abends ist, der einwirkend auf sein ganzes Seyn war.
Da es nun aber nichts hilft daß ich singe „wenn ich ein Vöglein wär“ — oder, „Samiel hilf“ rufe, welches ich vollends gar für nichtig halte; so weiß ich doch daß ich der Fortunatus — wenn auch ohne Wunschhütlein — bin. denn man zeige mir noch einen Weber der solche billige und ihn liebende Kaufherrn hat, als ich. | Die mit dem Herzen empfangen, was das Herz gegeben, und die somit auch aus diesen wenigen Zeilen den innigen Dank, und die unwandelbare Treue für Sie herausfühlen werden, die kein Wort und kein Ton wiederzusagen im Stande sind: die nur das Leben bewährt,und auch nur mit ihm von mir scheiden werden.
Und nun mein Lebewohl aus der Ferne, indem es mich unwiderstehlich dazu drängt Euch mit Matthison zuzurufen
Apparat
Zusammenfassung
würde sich gerne durch Fortunatus Wunschhütlein in den Kreis seiner geliebten Berliner Freunde zaubern, derer er so gern gedenkt; grüßt mit Gedicht von Matthison
Incipit
„Wenn je der Wunsch zu billigen war des Fortunatus Wunschhütlein“
Generalvermerk
Das Schreiben legte Weber seinem Brief an Hinrich Lichtenstein vom selben Tag bei und bat ihn, diesen Gruß nach der Jubiläumsaufführung des Freischütz vorzulesen, da er selbst nicht kommen könne (vgl. Brief an Lichtenstein vom 18. Dezember 1822 sowie den Tagebucheintrag vom 19. Dezember.)
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: 55 Ep 179Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
- auf der Versoseite unter dem Brieftext von der Hand Lichtensteins: „Die Freunde Webers hatten sich kurz | vorher seinen Geburtstag [sic!] in festlicher Ver- | sammlung gefeiert und ihm einen gemein- | samen Glükwunsch gesandt. Darauf diese | Antwort.“
- am unteren Rand der Versoseite von der Hand Lichtensteins: „Herrn Quartett-Meister Bernhard Müller in Meiningen | zum Andenken. | Lichtenstein | Berlin den 17t Nov. 1856.“ Gemeint ist wohl der Primarius des von 1854 bis 1864 in Meiningen angestellten (jüngeren) Müllerschen Streichquartetts Carl Müller (1829–1907), nicht sein Bruder Bernhard Müller (1825–1895), der die Bratsche spielte. Insofern ist der Aufschrift Lichtensteins auf seiner eigenhändigen Abschrift des Briefes (Leipzig MB, PB 37, [Nr. 38]) mehr Glauben zu schenken, wo es heißt: „Das Original ist Herrn Musikdirector Carl Müller in Meiningen zum Andenken geschenkt worden. 18 Nov 1856. DHL“.
Provenienz
- Stargardt, Kat. 674 (27./28. März 2001), Nr. 918, mit T-Faks
- Sotheby Auktion 5./6. Mai 1988, Nr. 505 mit T-Faks
- Henrici Kat. 76 (24./25. April 1922, mit Liepm.), Nr. 808
- Stargardt o.Nr. (24.-26. März 1902), Nr. 1688
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Rungenhagen, Carl Friedrich, Nachrichten aus dem Leben und über die Musik-Werke Carl Maria von Weber's mit dem sehr ähnlichen Bildnisse desselben, Berlin: T. Trautwein, 1826, S. 6
-
Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 180 (als Beilage zum Br. an Lichtenstein v. 18.12.)
-
Nusser, G.: „Bisher unveröffentlichte Briefe hervorragender Musiker“, in: Der Zeitgeist. Beiblatt zum ’Berliner Tageblatt’, Nr. 21 (22. Mai 1899)
-
Rudorff 1900, S. 117–119 (ebf. als Beil. zum Br. an L. v. 18.12.)
Einzelstellenerläuterung
-
„… mein Geist, o zweiflet nicht“Weber zitierte die 3. Strophe aus Friedrich von Mathissons Lied aus der Ferne (u. a. in dessen Gedichten, Ausgabe letzter Hand, Zürich 1821, S. 189f.) offenbar aus dem Gedächtnis und somit mit etlichen Textabweichungen.