Carl Maria von Weber an Aloys Fuchs in Wien
Hosterwitz, Donnerstag, 27. Mai 1824

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Durch das hingebende Vertrauen, mit dem Sie sich Δmir nahen, fühle ich mich berechtiget, IhnenΔ mit jener Offenheit zu sprechen, die man überhaupt dem Leben und der Kunst schuldig ist, die aber in ihrer UngeschminktheitΔ leicht von einem heissfühlendenΔ jugendlichen Gemüthe für Kälte und Härte angesehen sind. Ich wünsche daher zu Ihrem Besten und meiner Beruhigung, dass Sie Alles was ich Ihnen sage, dem herzlichsten Wohlwollen entsprungen glauben mögen.

Sie wollen sich der Kunst weihen. Es ist meine Pflicht, Sie auf die unendlichen Schwierigkeiten aufmerksam zu machen, die Sie daΔ zu überwinden haben. Ich kenne das Talent nicht, das Ihnen Gott verliehen hat, ich weiss nur, dass selbst das Ausserordentliche noch der günstigstenΔ Umstände bedarf, um Bedeutendes zu leisten und in der Welt etwas zu gelten.

In Ihrem Alter, wo das kritische Vermögen schon immer sehr die Oberhand gewonnen hat, (bei je mehrΔ Bildung, jeΔ stärker,) ist es ungemein schwer, Rückschritte zu thun und den technischen und grammatikalischenΔ Theil der Kunst auf solche Weise und mit solchem Erfolg nachzuholen, dass man nicht ob der Anstrengung erlahmt, oder irre an dem eignen Talente wird. Man weiss schon zu sehr, was uns wie die Kunst wirkt, als dass man sie bloss um ihrer selbst willen in der Unschuld treibe,Δ die am Ende allein die Herrschaft über alle Mittel giebt. Man will gleich selbst Wirkung hervorbringen; man singt nicht seiner selbst unbewusst wie der Vogel, weil er nun eben Vogel ist, man hat den Erfolg des Sanges gesehen und will ihn auch erzwingen. Die Sache geht von Aussen nach Innen, statt dass sie ihrer wahren Natur von Innen nach Aussen gehen soll. – Zugegeben, dass Ihre Anlagen und Ihr Fleiss diess Alles überwinden, und Sie ein tüchtiger Künstler werden. Sind Sie dannΔ auch schon überzeugt, dass Sie es auch der Welt werden beweisen können, dass Sie nicht dem Druck der tausendfältig dem Künstler entgegentretenden Verhältnisse erliegen? Wie manches Grosse geht so unter, und wer weiss, ob nicht Mancher, der auf eine Höhe gelangt ist, mit Freuden seinen Ruhm für das hingäbe, was er ihm gekostet, und das täglichΔ mit zunehmendem Drucke auf ihm lastet, ihn sich und den Seinigen und am Ende auch der Welt vielleicht, raubt.

Was giebt denn Δdas wirkliche Leben eigentlichΔ dem Künstler? und wie darf er hoffen, durch seinen Stand sich einen Platz im bürgerlichen Verhältniss zu erwerben?

Sind Sie ausübender Künstler; – ein Platz in einer Kapelle schwerΔ zu erlangen, auf jeden Fall dürftig besoldetΔ, oder ein Geisttödtender Lebens-Erwerb durch Unterricht geben, sind Ihre Aussichten.

Sind Sie Komponist? welche Jahre gehen darüber hin, ehe das Publikum Sie beachtet, Verleger Sie bezahlen, Direktionen Ihre Werke aufführen. Im glücklichen Fall, doch wieder eine kärgliche Existenz.

Es giebt Ausnahmen von alle diesemΔ. Aber was berechtigt Sie zu glauben, dazu zu gelangen? und wodurch sind diese Ausnahmen glücklich? nur in dem, durch dasΔ es jeder tüchtige Mensch ist; in dem Gefühl der erfüllten Pflicht nach Vermögen und Einsicht und dem ruhigen Vertrauen auf Gott in allen Anfeindungen, Verkennen ihres redlichen Wollens, und leichtsinnigen Ueberschätzungen oder Nichtbeachtungen der Welt. – Nehmen Sie alles hier Gesagte, weder für ein Ab- noch Zurathen. In solchen, für das LebenΔ entscheidenden Fällen, muss die innere Stimme der einzige Richter sein. – – [*]

Δ

Apparat

Zusammenfassung

Antwortbrief Webers an einen jungen Künstler, in dem er Ratschläge für die Komponisten- bzw. Musikerlaufbahn erteilt und auf Schwierigkeiten hinweist; empfiehlt Gänsbacher und Seyfried zu konsultieren

Incipit

Durch das hingebende Vertrauen, mit dem Sie

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung in 2 Textzeugen

  • 1. Textzeuge: Aloys Fuchs, Karl Maria von Weber an die, welche sich der Kunst widmen möchten, in: BamZ, Jg. 3, Nr. 38 (26. Sept. 1826), S. 301–302
  • 2. Textzeuge: Theodor Hell, Hinterlassene Schriften von Carl Maria von Weber, Bd. 1, Dresden & Leipzig 1828, S. XXXII–XXXV

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Laux, Karl: Kunstansichten. 1977, S. 241–242
    • Kaiser (Schriften) Nr. 152 und S. 52–54

Textkonstitution

Die Erstveröffentlichung, obgleich in ihr der letzte Absatz und die Datierung fehlen, wurde als Hauptquelle benutzt, es werden nur die gewichtigeren Textvarianten bei Hell nachgewiesen, nicht aber Abweichungen, die lediglich die Orthographie, Interpunktion und Typographie betreffen, bzw. einzelne fehlende bzw. ergänzte Buchstaben. Insgesamt scheinen die Abweichungen bei Hell oftmals auf Verlesungen oder Textglättungen zurückzugehen.

      Lesarten

      • Textzeuge 1: sich
        Textzeuge 2: Text nicht vorhanden.
      • Textzeuge 1: Ihnen
        Textzeuge 2: zu Ihnen
      • Textzeuge 1: Ungeschminktheit
        Textzeuge 2: Ungeschmücktheit
      • Textzeuge 1: heissfühlenden
        Textzeuge 2: heißen
      • Textzeuge 1: da
        Textzeuge 2: dann
      • Textzeuge 1: günstigsten
        Textzeuge 2: günstigen
      • Textzeuge 1: je mehr
        Textzeuge 2: mehr
      • Textzeuge 1: je
        Textzeuge 2: um so
      • Textzeuge 1: grammatikalischen
        Textzeuge 2: grammatischen
      • Textzeuge 1: treibe,
        Textzeuge 2: triebe;
      • Textzeuge 1: dann
        Textzeuge 2: denn
      • Textzeuge 1: was er ihm gekostet, und das täglich
        Textzeuge 2: was er ihn gekostet, und was täglich
      • Textzeuge 1: denn
        Textzeuge 2: Text nicht vorhanden.
      • Textzeuge 1: eigentlich
        Textzeuge 2: denn
      • Textzeuge 1: schwer
        Textzeuge 2: der schwer
      • Textzeuge 1: besoldet
        Textzeuge 2: besoldet ist
      • Textzeuge 1: alle diesem
        Textzeuge 2: allem diesen
      • Textzeuge 1: durch das
        Textzeuge 2: wodurch
      • Textzeuge 1: das Leben
        Textzeuge 2: das ganze Leben
      • Textzeuge 1: Text nicht vorhanden.
        Textzeuge 2: Beharren Sie bei Ihrem Entschlusse, so rufe ich Ihnen aus Grund des Herzens die besten Wünsche zum Gedeihen Ihres Strebens zu. Der jezt eben in Wien zum Dom-Kapellmeister ernannte Joh. Gänsbacher, oder der Kapellmeister und Opern-Direktor des Theaters an der Wien, Ritter von Seyfried in Wien, scheinen mir die Männer zu seyn, die Sie mit kundiger Meisterhand auf den wahren Weg führen können. Mit wahrer Theilnahme und freundlicher Achtung u.s.w. am 27. May 1824. [ohne Unterschrift]

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