Carl Maria von Weber: Tempo-Bezeichnungen nach Mälzl’s Metronom zur Oper „Euryanthe“ (Entwurf, 1824)

Zurück

Zeige Markierungen im Text

TempoBezeichnungen der Oper Euryanthe nach Mälzels Metronom

  • [Erster Act].
  • Ouverture 92 = . Largo: 52 = Tempo Imo modto: 88 = stringendo bis zum Thema, wo dann das erste Vivace wieder eintritt.
  • No: 1. Introduzione. 92 = Reigen 96 = der Saz in D# etwas feuriger.
  • 2. Romanze. 72 =
  • 3. Chor. 116 = agitato assai. 104 = des Meeres Grund pp 69 =
  • 4. Maestoso 50 = Allo: 88 = con fuoco. 96 =
  • 5. Cavatina. 76 = Modt: assai. 96 =
  • 6. Agitato zwischen 88 und 92 = . Largo. 84 = Presto. 128 =
  • 7. Duetto. 104 = NB. /: die BaßFigur stets ein wenig retardirend.:/ Trost der Liebe 63 = Allegretto 80 =
  • No. 8. Scena 160 = O der Gedanke löst mich pp 100 = Allo Fiero. 144 = Modt: 132 =
  • No. 9. Vivace 2/4 138 = Andantino 83 = Allegretto. 6/8 80 = .
______________
  • Zweyter Act.
  • No. 10. Allo: 92 = Andte. 3/4 66 = Allo. 160 = Andt:: 3/4 80 = Vivace 132 = Agitato 160 = accelerando 104 = ritenuto 88 = Allo: 160 =
  • 11. Duetto. 144 = Con Strepito 104 =
  • 12. Aria. Larghetto 3/4. 54 = Allo. 120 = O Seligkeit 144 =
  • 13. Duetto. 96 = /: In diesem Duett wogt die Leidenschaft in allen ihren Nüancen auf und ab. Das Gefühl der Sänger und des Dirigenten muß im durch glühenden Vorwärtsstreben oder innigem Anhalten am beßten allein den wahren Vortrag bestimmen. Die Erfahrung hat mich gelehrt daß zu viel Vorschriften das Musikstük leicht die Ursache sind, das Musikstük zu einem Zerrbilde zu machen. Wenn nicht ganz das Rechte getroffen werden kann, lieber in einem Strome fortgezogen, als dieses HyperGefühl! :/
  • = Seufzer wie Flammen weh’n 76 = "Hin nimm die Seele mein". Tempo Imo
  • No. 14. Finale. 9/8 Allo: mdt: 84 = . Largo poco più moto 60 = Allo 100 = Larghetto 3/4 52 = Con fierezza. 100 = Maestoso assai 66 = Allo: 144 = Con tutto fuoco ed energia 160 = .
______________
  • Dritter Act.
  • Erste Scene. Adagio 66 = Allo: 160 = ritenuto 66 =
  • No. 15: Moderato 88 = più moto 138 = Agitato 96 = non tanto Allo: 88 = Presto 116 =
  • No: 16 molto passionato 152 = poco ritenuto 132 = Vivace 160 =
  • No. 17. Largo. 50 = Cavatina. Largo. 66 = più moto, 66 =
  • No. 18. JägerChor. 3/4 100 =
  • No. 19. Duetto. Larghetto 6/8 100 = Die lezten 10 Takte ein wenig anhalten.
  • No. 20. Allo: 160 = /: Bei dieser Arie gilt ebenfalls alles zu No: 13 bereits Bemerkte. :/ ritenuto. 144 =
  • No. 21. Allegretto 6/8 80 = . Allo: non tanto 132 = Allo: 152 =
  • No. 22. 3/4 152 =
  • No. 23. Marcia 63 = Allo modt: 138 = Largo 50 = più moto 92 = Vivace 160 = Allo: mod: 104 = Vivace 152 =
  • No. 24. Con impeto, 100 =
  • No. 25. Maestoso. 108 = Agitato 96 = Con furia. 3/4 126 = moderato 92 = poco più moto 138 = molto passionato 112 = SchlußChor Presto 160 =


Ich erlaube mir noch einige Bemerkungen überhaupt, die sich unwillkührlich bei der Natürlichen Eigenthümlichkeit des Gesanges vorstehender Arbeit aufdrängten. |

Die Individualität des Sängers ist die eigentliche unwillkührliche Farbengeberin jeder Rolle. Der Besizzer einer leicht beweglichen biegsamen Kehle, und der eines großartigen Tones um – werden ein und dieselbe Rolle ganz verschieden geben; der Eine gewiß durchaus um mehrere Grade lebendiger, als der Andere: und doch kann durch Beide der Komponist befriedigt werden, in so fern sie nur nach ihrem Maaßstabe, die von ihm angegebene Gradation der Leidenschaften richtig aufgefaßt und wiedergegeben haben. Daß nun aber der Sänger sich nicht zu viel gehen laße, und blos das wolle was ihm auf der Stelle beim ersten Blik bequem erscheint, ist die Sache des Dirigenten.

Namentlich bei dem eigentlichen Paßagenwesen ist es nothwendig darauf zu sehen, daß nicht um dieser oder jener Roulade gut machen zu können willen die Bewegung des ganzen Tonstükks darunter leide. Wer Z: B: die lezten Paßagen in der Arie der Eglantine nicht mit loderndem Feuer vortragen kann, vereinfache sich lieber diese Stelle als daß die Leidenschaftlichkeit des ganzen Musikstükkes erkältet werde.

Wer die Racheschnaubende Arie der Elvira im Opferfest, nicht auch eben so singen kann, laße sie ja lieber wird dem Werke weniger schaden wenn er sie wegläßt, als wenn er sie […] gleich einem ruhigen Solfeggio dem Hörer giebt.

Es wird überhaupt immer die schwierigste Aufgabe sein und bleiben, Gesang und Instrumente so in der rythmischen Bewegung […] /:Takt :/ eines Tonstükks zu verbinden, daß sie ineinander verschmelzen, und leztere den Ersteren heben, tragen und seinen Ausdruk der Leidenschaft befördern: denn, – Gesang und Instrument stehen ihrer Natur nach im Gegensazze /: sich entgegen :/

Der Gesang bedingt durch Athemholen und Artikuliren der Worte, ein gewißes Wogen im Takte; dem gleichförmigen Wellenschlage vielleicht zu vergleichen.

Das Instrument /: besonders das Saiteninstrument :/ theilt die Zeit in scharfen Einschnitten; gleich Pendelschlägen. Die Wahrheit des Ausdrukkes fordert das Verschmelzen dieser entgegengesezten Eigenthümlichkeiten.

Der Takt, das Tempo, soll nicht ein tyrannisch hemmender oder treibender Mühlenhammer sein, sondern dem Musikstükke das, was der Pulsschlag dem Leben des Menschen ist.

Es giebt kein langsames Tempo, in dem nicht Stellen vorkämen die eine raschere Bewegung forderten: um das Gefühl des Schleppenden zu verhindern.

Es giebt kein Presto, das nicht eben so, im Gegensazze, den ruhigen Vortrag mancher Stelle verlangte: um nicht durch Uebereilen die Mittel zum Ausdrukke zu benehmen.

Durch das hier gesagte, glaube aber ums Himmelswillen kein Sänger sich zu jener tollhäuslerischen Vortragsart berechtigt, die einzelne Takte nach Willkür verzerrt; und dem Zuhörer eine eben so unerträglich peinliche Empfindung erzeugt, als wenn er Einen alle Gliedmaaßen sich gewaltsam verrenkenden Gaukler vor sich sieht. |

Das Vorwärtsgehen im Tempo, wie das Zurückhalten, darf nie das Gefühl des Rükkenden oder Gewaltsamen erzeugen. Es kann also in musikalisch und poetischer Bedeutung nur Perioden- und Phrasenweise geschehen: bedingt durch die Leidenschaftlichkeit des Ausdrukks.

In einem Duett Z. b. können zwei mit einander contrastirende Charaktere jedesmal eine andere auch verschiedene Charakterisirung ihrer Gefühlsweise fordern.

Das Duett zwischen Licinius und dem Oberpriester in der Vestalin kann das Beispiel geben. Mit je mehr Ruhe alle Säzze des Oberpriesters, dagegen die Reden des Licinius mit fortströmender Gewalt – gegeben werden; desto anschaulicher werden die Charaktere hervortreten; desto größer [wird] die Wirkung sein.

Für alles dieses haben wir in der Musik keine Bezeichnungsmittel. Diese liegen allein in der fühlenden Menschenbrust: und finden sie sich da nicht, so hilft weder der nur grobe Mißgriffe verhütende Metronom, noch diese höchst unvollkommenen Andeutungen, die ich in der Reichhaltigkeit des Stoffes um vieles weiter auszuführen versucht sein könnte; warnten mich nicht aufgedrungene Erfahrungen; in Folge deren ich sie jezt schon als überflüßig und nuzlos betrachte, und gemißdeutet hoffe.

Mögen sie nun aber dastehn. Einzig veranlaßt durch freundliche Anfrage.

C. M. v. Weber.

Apparat

Zusammenfassung

von Weber selbst angefertigte Metronom-Angaben zu seiner Oper „Euryanthe“ mit zusätzlichen Aufführungshinweisen

Generalvermerk

Die vorliegenden Metronom-Angaben verfasste Weber auf Wunsch von Aloys Präger (Kapellmeister am Leipziger Theater für die Aufführung des Werkes am 20. Mai 1825); vgl. dazu Brief von Weber an Präger vom 12. März 1824
(Teil-Vorabdruck: Einige Bemerkungen über den rhythmischen Vortrag von karakteristischen Gesangstücken, in: Berliner allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 4 1827, Nr. 28, S. 218–219).

Entstehung

Niederschrift der Tempo-Bezeichnungen am 6. und 8. März 1824, erläuternde Bemerkungen am 9. März 1824 sowie Versand am 12. März 1824 (laut TB)

Überlieferung

  • Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ms. autogr. theor. C. M. v. Weber WFN 6 (XIV), Bl. 84c/r – 84d/r

    Quellenbeschreibung

    • Ms datiert: „Dresden im März 1824.“
    • vgl. TB 6. März 1824: die ersten 2 Akte der Euryanthe nach dem Metronom bezeichnet.; 8. März: Metronom Bezeichnung der Euryanthe beendiget.; 9. März: Bemerkung zu der Metronom Bezeichnung geschrieben; 12. März: an Präger Aufsaz abgesendet. Abschrift von G. Roth in Weberiana Cl. V [Mappe XIX], Abt. 5 B, Nr. 80 Beginn der allgemeinen Bemerkungen auf Bl. 84c/r unten; unter dem Text und der Datierung kleines Nachwort von Weber: An Musikdirektor Präger in Leipzig gesendet; datiert mit: d: 12t. März. auf Bl. 1 r und v und Bl. 2 r von DBl. (Format 33,6x20,7 cm, WZ: bekröntes Posthorn, darunter: K, Gegenmarke: A. WERNER, Kettlinien ca. 2,5–2,7 cm) in HellS und MMW nicht enthalten

    Dazugehörige Textwiedergaben

Textkonstitution

  • „im“am Rand hinzugefügt
  • „durch“durchgestrichen
  • n„s“ überschrieben mit „n
  • m„s“ überschrieben mit „m
  • „am beßten“durchgestrichen
  • „das Musikstük“durchgestrichen
  • „der Natürlichen Eigenthümlichkeit des Gesanges“durchgestrichen
  • „um“durchgestrichen
  • „durchaus“am Rand hinzugefügt
  • „auf der Stelle“durchgestrichen
  • „gut machen zu können“durchgestrichen
  • „willen“am Rand hinzugefügt
  • „darunter“durchgestrichen
  • „laße sie ja lieber“durchgestrichen
  • „[…]“gelöschter Text nicht lesbar
  • „rythmischen“sic!
  • „[…]“gelöschter Text nicht lesbar
  • „jedesmal eine andere“durchgestrichen
  • „der“sic!

      XML

      Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
      so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.