Tempo-Bezeichnungen nach Mälzl’s Metronom zur Oper „Euryanthe“ nach C. M. von Weber, herausgegeben von Fr. Wilh. Jähns

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Tempo-Bezeichnungen
nach Mälzl’s Metronom
zur Oper
Euryanthe.
Gegeben von
C. M. von Weber.
Nebst dazu gehörigem Aufsatze
von ebendemselben.

C. M. v. Weber’s hinterlassenen Papieren entnommen
und herausgegeben
von Fr. Wilh. Jähns.

Vorbemerkung des Herausgebers.

Indem der Herausgeber die vorbemerkte, noch ungedruckte Arbeit C. M. v. Weber’s dem Drucke übergibt, hat er zuvörderst der hinterlassenen Wittwe desselben, der Freifrau Karoline von Weber zu Dresden, seinen Dank für die Bereitwilligkeit auszusprechen, mit welcher sie ihm dieselbe zum Zwecke der Veröffentlichung überliess. Zugleich aber wünscht der Herausgeber (und er bittet ausdrücklich darum) in eben dieser Veröffentlichung nur den Ausdruck eines Gefühls der Verpflichtung sehen zu wollen, nach welchem er der musikalischen Welt im Allgemeinen eine Hinterlassenschaft eines grossen Meisters nicht glaubte vorenthalten zu dürfen, welche die Auffassung seines tiefsten, vielleicht edelsten Werkes bespricht, und welche dabei gewisse Seiten des musikalischen Vortrages zum Gegenstand einer Betrachtung macht, die, von diesem Verfasser und in dieser Weise gegeben, die Theilnahme des musikalischen Publikums unzweifelhaft in Anspruch nehmen muss. F. W. J.

  • Erster Akt.
  • Ouverture:
  • Allegro marcato, con molto fuoco: 92 =
  • Largo: 52 =
  • Tempo Imo moderato: 88 = und nun stringendo bis zum Thema, wo dann das erste Tempo wieder eintritt.
  • Nr. 1. Introduction.
  • Moderato maestoso. "Dem Frieden Heil!" 92 =
  • Maestoso. (Ernster Reigen.) 96 = Der Satz inD etwas feuriger.
  • Nr. 2. Romanze.
  • Andante con moto. "Unter blüh’nden Mandelbäumen" 72 =
  • Nr. 3. Chor.
  • Allegro. "Heil Euryanth’!" 116 =
  • Agitato assai. Recit.: "Ich trag’ es nicht!" *) 104 =
    "Des Meeres Grund" 69 =
  • Nr. 4. Terzett mit Chor.
  • Maestoso assai. „Wohlan!“ 50 =
  • Allegro. "Es gilt!" 88 =
  • Con fuoco. "Ich bau’ auf Gott" 96 = ¦
  • Nr. 5. Cavatine.
  • Andantino. "Glöcklein im Thale" 76 =
  • Moderato assai. Recit.: "So einsam" 96 =
  • Nr. 6. Arie.
  • Agitato, ma non troppo presto. "O mein Leid ist unermessen" zwischen 88 und 92 =
  • Largo. "Die ihr der Liebe Thränen" 84 =
  • Presto. "Was hab’ ich gethan! 128 =
  • Nr. 7. Duett.
  • Moderato assai. "Unter ist mein Stern gegangen" 104 =
  • NB. Die Bassfigur stets ein wenig ritardirend.
  • "Trost der Liebe" 63 =
  • Allegretto grazioso. "Ja es wallt mein Herz" 80 =
  • Nr. 8 Scene und Arie.
  • Allegro. „Bethörte“! 160 = "O der Gedanke löst mich auf in Wonne" 100 =
  • Allegro fiero. "Er konnte mich um Sie verschmäh’n" 144 =
  • Moderato nach dem Schlusse der Arie: 132 =
  • Nr. 9. Finale.
  • Vivace 2/4 Chor. „Jubeltöne“ 138 =
  • Andantino grazioso. "Graf Lysiart" 83 =
  • Allegretto. "Fröhliche Klänge" 80 =
  • Zweiter Akt.
  • Nr. 10. Scene und Arie.
  • Allegro con fuoco. "Wo berg’ ich mich?" 92 =
  • Andante con moto. „Schweigt“ 66 =
  • Allegro. "Und Er sollte leben?" 160 =
  • Andante con moto. "So weih’ ich mich" 80 =
  • Vivace feroce „Zertrümmre“ 132 =
  • Nr. 11. Duett.
  • Allegro energico. "Komm denn" 144 =
  • Con strepito "Dunk’le Nacht" 104 =
  • Nr. 12. Arie.
  • Larghetto non lento. "Wehen mir Lüfte Ruh’" 54 =
  • Allegro. "Sie ist mir nah’" 120 =
    "O Seeligkeit, dich fass’ ich kaum" 144 =
  • Nr. 13. Duett.
  • Allegro animato. "Hin nimm die Seele mein" 96 =
  • "Seufzer wie Flammen weh’n" 76 =
  • "Hin nimm die Seele mein". Tempo Imo.
    In diesem Duette wogt die Leidenschaft in allen ihren Nüancen auf und ab. Das Gefühl der Sänger und des Dirigenten muss im glühenden Vorwärtsstreben oder innigem Anhalten allein den wahren Vortrag bestimmen. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass zu viel Vorschriften leicht die Ursache sind, das Musikstück zu einem Zerrbilde zu machen. Wenn nicht das Rechte getroffen werden kann – dann lie|ber in einem Strome fortgezogen, als dieses Hyper-Gefühl!
  • Nr. 14. Finale.
  • Allegro moderato. Chor. "Leuchtend füllt" 84 =
  • Poco più moto nach dem Largo. "Jetzt schlägt der Entscheidung Stunde" 60 =
  • Allegro. "Dies Engels-Antlitz straft dich Lügen" 100 =
  • Larghetto. "Lass mich empor zum Lichte wallen" 52 =
  • Con fierezza. "Verleih’ mein Recht mir" 100 =
  • Maestoso assai. "Nimm hin das neue Lehn" 66 =
  • Allegro ma non troppo. "Komm, Euryanth’!" 144 =
  • Con tutto fuoco ed energia. Tutti. "Du gleissend Bild" 160 =
  • Dritter Akt.
  • Nr. 15. Recitativ und Duett.
  • Einleitung. Adagio non lento: 66 =
  • Allegro. "Du, die entweiht das heiligste Vertrauen" 160 =
  • Ritenuto. 2 Tacte nach: "barg des Abgrunds Grauen" 66 =
  • Moderato. Duetto: "Wie liebt’ ich dich!" 88 =
  • Più moto. "Der höchsten Liebe sprachst du Hohn" 138 =
  • Agitato. "Du klagst mich an" 96 =
  • Non tanto Allegro. "Entsetzen, rette dich" 88 =
  • Presto nach der Stelle: "will ich den Kampf bestehn!" 116 =
  • Nr. 16. Scene.
  • Molto passionato. "Schirmende Engelschaar" 152 =
  • Poco ritenuto. "Nein, das sei mir fern!" 132 =
  • Vivace. 160 =
  • Nr. 17. Scene und Cavatine.
  • Largo. "So bin ich nun verlassen" 50 =
  • Cavatine. Largo. "Hier dicht am Quell" 66 =
  • Più moto. 66 =
  • Nr. 18. Jägerchor.
  • Allegro marcato. "Die Thale dampfen" 100 =
  • Nr. 19. Duett mit Chor.
  • Larghetto. "Lasst mich hier" 100 =
  • NB. Die letzten 10 Tacte ein wenig anhalten.
  • Nr. 20. Arie mit Chor.
  • Allegro con fuoco. "Zu ihm!" 160 =
  • NB. Bei dieser Arie gilt ebenfalls alles zu Nr. 13 bereits Bemerkte.
  • Poco Ritenuto. "O lieblichste der Blüthen" 144 =
  • Nr. 21. Lied mit Chor.
  • Allegretto. "Der Mai" 80 =
  • Allegro non tanto. "Gibt keine Treu" 132 =
  • Allegro. Nach Adolar’s Stelle: "Allwaltender, wo ist dein Blitz?!" 152 = ¦
  • Nr. 22. Solo mit Chor.
  • "Vernichte kühn das Werk der Tücke" 152 =
  • Nr. 23. Hochzeitsmarsch, Scene und Chor.
  • Marcia 63 =
  • Allegro moderato. "Ich kann nicht weiter" 138 =
  • Largo. "Sieh’ Emma" 50 =
  • Più moto. „Hinweg“ 92 =
  • vivace. "Auf ewig" 160 =
  • Allegro moderato. Chor. "Welch’ Entsetzen" 104 =
  • Vivace. "Was zischest aus dem Staub" 152 =
  • Nr. 24. Duett mit Chor.
  • Con impeto. ("Trotze nicht") 100 =
  • Nr. 25. Finale.
  • Maestoso con moto. "Lasst ruhn das Schwert" 108 =
  • Agitato. "Mein König" 96 =
  • Con furia. „Triumph“ 126 =
  • Moderato assai. "So hattest du mein Flehn" 92 =
  • Poco più moto. "Ich war’s" 138 =
  • Molto passionato. "Nein! gebt ihn frei!" 112 =
  • Schluss-Chor. Presto marcato. "Nun seelig Glück" 160 =

Noch erlaube ich mir einige Bemerkungen im Allgemeinen, die sich mir unwillkürlich bei vorstehender Arbeit aufdrängten.

Die Individualität des Sängers ist die eigentliche unwillkürliche Farbengeberin jeder Rolle. Der Besitzer einer leicht beweglichen, biegsamen Kehle und der eines grossartigen Tones – Beide werden ein’ und dieselbe Rolle ganz verschieden geben; der Erstere gewiss durchaus um mehrere Grade lebendiger als der Andere: und doch kann durch Beide der Komponist befriedigt werden, insofern sie nur nach ihrem Maassstabe die von ihm angegebene Gradation der Leidenschaften richtig aufgefasst und wiedergegeben haben. Dass nun aber der Sänger sich nicht zu viel gehen lasse und blos das wolle, was ihm beim ersten Blick bequem erscheint, ist die Sache des Dirigenten.

Bei dem eigentlichen Passagen-Wesen namentlich ist es nothwendig, darauf zu sehen, dass nicht um dieser oder jener Roulade willen die Bewegung des ganzen Tonstückes leide. Wer z. B. die letzten Passagen in der Arie der Eglantine nicht mit loderndem Feuer vortragen kann, vereinfache sich lieber diese Stelle, als dass die Leidenschaftlichkeit des ganzen Musikstückes erkältet werde. Wer die racheschnaubende Arie der Elvira im Opferfest nicht auch eben so singen kann, wird dem Werke weniger schaden, wenn er sie weglässt, als wenn er sie gleich einem ruhigen Solfeggio dem Hörer gibt.

Die schwierigste Aufgabe wird es überhaupt immer sein und bleiben, Gesang und Instrumente in der rhythmischen Bewegung (Takt) eines Tonstückes so zu verbinden, dass sie in einander verschmelzen und letztere den ersteren heben, tragen und seinen Ausdruck der Leidenschaft befördern; denn Gesang und Instrumente stehen ihrer Natur nach im Gegensatze. |

Der Gesang bedingt durch Athemholen und Artikuliren der Worte schon ein gewisses Wogen im Takte, dem gleichförmigen Wellenschlage vielleicht zu vergleichen. Das Instrument (besonders das Saiteninstrument) theilt in scharfen Einschnitten, gleich Pendelschlägen die Zeit. Die Wahrheit des Ausdrucks fordert das Verschmelzen dieser entgegengesetzten Eigenthümlichkeiten.

Der Takt (das Tempo) soll nicht ein tyrannisch hemmender oder treibender Mühlenhammer sein, sondern dem Musikstücke das, was der Pulsschlag dem Leben des Menschen ist.

Es gibt kein langsames Tempo, in dem nicht Stellen vorkämen, die eine raschere Bewegung forderten, um das Gefühl des Schleppenden zu verhindern.

Es gibt kein Presto, das nicht eben so im Gegensatze den ruhigen Vortrag mancher Stelle verlangte, um nicht durch Uebereilen die Mittel zum Ausdrucke zu benehmen.

Durch das hier Gesagte glaube aber um’s Himmels willen kein Sänger sich zu jener tollhäuslerischen Vortragsart berechtigt, welche einzelne Takte nach Willkür verzerrt und dem Zuhörer eine eben so unerträglich peinliche Empfindung erzeugt, als wenn er einen alle Gliedmaassen sich gewaltsam verrenkenden Gaukler vor sich sieht. Das Vorwärtsgehen im Tempo, eben so wie das Zurückhalten, beide dürfen nie das Gefühl des Rückenden, Stossweisen oder Gewaltsamen erzeugen. Es kann also in musikalisch-poetischer Bedeutung nur perioden- und phrasenweise geschehn, bedingt durch die Leidenschaftlichkeit des Ausdruckes.

In einem Duett z. B. können zwei mit einander kontrastirende Charaktere auch verschiedene Charakterisirung ihrer Gefühlsweise fordern. Das Duett zwischen Licinius und dem Oberpriester in der Vestalin kann das Beispiel geben. Mit je mehr Ruhe alle Sätze des Oberpriesters, mit je mehr fortströmender Gewalt dagegen die Reden des Licinius gegeben werden – desto anschaulicher werden die Charaktere hervortreten, desto grösser wird die Wirkung sein.

Für alles dieses haben wir in der Musik keine Bezeichnungsmittel. Diese liegen allein in der fühlenden Menschenbrust, und finden sie sich da nicht, so hilft weder der nur grobe Mißgriffe verhütende Metronom, noch helfen diese höchst unvollkommenen Andeutungen, die ich in der Reichhaltigkeit des Stoffes um Vieles weiter auszuführen versucht sein könnte, warnten mich nicht aufgedrungene Erfahrungen, in Folge deren ich sie jetzt schon als überflüssig und nutzlos betrachte und gemissdeutet fürchten muss.

Mögen sie nun aber dastehn! Einzig veranlasst durch freundliche Anfrage.

C. M. v. Weber.

[Originale Fußnoten]

  • *) Das im Klavierauszuge befindliche Andante steht an falscher Stelle; es muss (nach Vergleichung mit der Partitur) erst bei den Worten Lysiart’s stehen: "Hör’ an, Graf Adolar."
                                                                                                                                                          Der Herausgeber.

Apparat

Zusammenfassung

Veröffentlichung der Metronomangaben inkl. Aufführungs-Hinweisen zur „Euryanthe“ von Carl Maria von Weber durch Friedrich Wilhelm Jähns, vom Hg. ergänzt um eine Vorbemerkung mit Dank an Caroline von Weber, die ihm die Ausführungen bereitstellte

Generalvermerk

vgl. Webers ursprünglichen Entwurf

Entstehung

Niederschrift der Tempo-Bezeichnungen am 6. und 8. März 1824, erläuternde Bemerkungen am 9. März 1824 sowie Versand am 12. März 1824 (laut TB)

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 50, Nr. 8 (23. Februar 1848), S. 123–127

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Kaiser (Schriften), S. 220–225 (Nr. 151)

Textkonstitution

  • „der“sic!

Einzelstellenerläuterung

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