Tonkünstlers Leben. Fragment XV (Erstdruck)

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Verderbliche Wirkung der Anekdoten von großen Meistern als Schnellarbeiter &c. auf junge Gemüther, und übles Nachäffen &c.

Die Wahrheit ist der sich immer gleiche göttliche Strahl, der sich nur durch die Seelenwolken bricht und dem Prisma der Phantasie seine verschiedenen Farben leiht.

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Eitelkeit und Eigenliebe behaupten unter allen Umständen bei den Weibern ihre Rechte, man schmeichle ihnen, wenn und wo man will, selbst unter den traurigsten Umständen, immer schlürfen sie den dargebrachten Weihrauch mit Vergnügen. –

Die bösen Leute, besonders die deutschen Componisten, wollen der italienischen Oper wohl Arges nachsagen; so behaupten sie z. B., die besten der Italiener hätten gar keine Charakterzeichnung. Doch das ist wohl etwas übertrieben; es fällt doch Alles so in’s Gehör, und die Melodie geht doch über Alles. Es ist wahr, daß bei dieser Oper gerade die Prima Donna das Unglück gehabt, heiser zu werden, daß der berühmte Componist, um seine besten Stücke nicht zu verlieren, ihre Arie in einen andern Ton setzte, damit sie der Primo Basso vortragen konnte, wogegen die Seconda Donna des Bassisten Arie übernahm, ohne daß ein Mensch ein Vergreifen im Charakter hätte dadurch merken können, aber das ist doch die Schönheit der wahren Musik, die dann gefällt, es mag sie singen wer will, und sie mag aus einem Ton gehen wie sie will, doch stets die wahre ist. Universalität und eine italienische Arie passen zu allen, daher ich behaupte, die italienische Musik ist die erste.


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Compositions-Routine.

Gedanken, oder die Seele, müssen wie ein anderes Glied des Körpers genährt und gezogen werden, um in einer gewissen Form zu denken. So fehlt es dem Theater-Componisten eben so wenig an Fähigkeit, gute Symphonien zu schreiben, als umgekehrt. Das erste Stück einer andern Gattung ist immer das schwerste, es ist leicht in Nachahmung zu verfallen, hat man erst eins gemacht, seinen Ideengang in dieses neue Modell gepreßt, so geht es; daher Haydn so groß in Symphonien &c. Alle Melodien bekommen unwillkürlich diesen Charakter, diesen Zuschnitt. Das Genie ist universell, wer es hat, kann Alles leisten, Umstände, Zufälle formen es. Es ist nicht möglich, in allen Stylen und Gattungen zu gleicher Zeit groß zu seyn, man ist es aus eben diesen Gründen nur periodisch in einem Fache, alle guten Opern kommen einander nahe.


Musik–Catalog der beliebtesten Arbeiten:

Die Schöpfung, für 1 Flöte. Die Schlacht von Austerlitz, für 2 Guitarren.

Die Jahreszeiten, für 2 Flageolettchen, arrangirt von A. E. Müller in Leipzig.


Musikalisches Blumenkörbchen, eine Monatsschrift | für gebildete Dilettanten zum Selbstvergnügen am Klavier oder Forte piano enthaltend:

Das Finale des ersten Akts aus der Oper: Don Juan, mit gehörigem Fingersatze, für eine Singstimme eingerichtet.

Die Leonore von Bürger und die

Kindes-Mörderin von Schiller, nach bekannten Volksmelodien arrangirt.

Ein Stern ist das auf den Rock genagelte Patent, Alles, was man sagt, mit einer Verbeugung beantwortet zu sehen.

Nur der innig harmonisch verwandte Ton bringt die Saite zur Erzitterung, er weckt ihr inneres Leben, ohne es zu berühren, ein Glas sprengt der ihm eigne zu stark angegebene Ton. So kann auch des Menschen Herz, triffst Du dessen Ton, ergriffen, bewegt, zum Mitklingen, bis zum Zerspringen gebracht werden.


Liebhabereien. Besonders bewundere ich das Piano und Forte, das jeder sich so zu arrangiren weiß; wenn ich einmal meine Sache gelernt habe, so will ich auch hören lassen, daß ich sie kann.

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Italienische Musik. Instrumentation.

Oboi coi Flauti, Clarinetti coi Oboi, Flauti coi Violini. Fagotti col Basso. Viol. 2do col Primo. Viola col Basso. Voce ad Libitum. Violini colla parte.

Ende.

Apparat

Zusammenfassung

Satire auf Kompositionsweisen und Arrangements

Entstehung

unbekannt

Überlieferung

  • Textzeuge: Hinterlassene Schriften von Carl Maria von Weber, Bd. 1 (1828), S. 116–120

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Entwurf: verschollen
    • MMW III, S. 300–302 (Forts. Einzelne Gedanken und Notizen, ohnstreitig zur Benutzung bei Tonkünstlers Leben bestimmt)
    • Kaiser (Schriften), S. 508–510 (Forts. Gedanken und Notizen für den Roman) (Nr. 160)
    • Jaiser, S. 221f.

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