Webers Bemerkungen zur szenischen Umsetzung des Freischütz
Einige Bemerkungen die Szenischen Anordnungen des Freyschützen betreffend.
Der Adler im 1t Akt. wurde im Berliner Museum ausgestopft*, und so bereitet daß man ihm die Flügel abnehmen und wieder ansezzen kann.
er hängt an einer doppelten, zusammen gedrillten Schnur. nach dem Schuße läßt man das eine Theil derselben los, er dreht sich dann in der Luft und stürzt endlich wenn die Schnur zu Ende, herab.
Finale des 2. Aktes. von den 2 Gewittern kann nur eines angebracht werden, da das ganze Theater so erbaut ist, daß der Mond selbst wenig Raum mehr im Hintergrunde behält.
Der Todtenkopf ist cachirt.
Die Eule von Holz sizt fest, und bewegt Kopf und Flügel, die Augen transparent.
Samiel erschien in Berlin im Felsen. Kasper macht seinen Kreis etwas seitwärts, um den größern Theil des Theaters für die Erscheinungen frey zu halten. an der Kouliße steht dann ein Felsenstük das auf Marly* gemahlt ist. hinter diesem ist eine Vorrichtung daß es von hinten schnell erleuchtet werden kann. so lange es dunkel ist steht Samiel ungesehen dahinter, so wie es aber beleuchtet wird, bewährt der Marly /:oder grobe braune Gaçe:/ seine Durchsichtigkeit. hier hatte man den Samiel mit einem langen Scharlachmantel bekleidet, auch einen transparenten‡ rothen Todtenkopf, darauf seinen Hut, gegegeben, um ihn in diesem Augenblik als Höllenfürst in seinen Schreknißen zu zeigen.
Der Todtenkopf mit dem Hirschfänger geht mit der Versenkung hinab, und mit eben dieser komt der kleine Heerd mit glimenden Kohlen pp herauf.
Reisig wird nicht aufgelegt, weil es zu viel Geruch‡ macht. hingegen liegt etwas Pulver von bengalischem Feuer, oder sonstig grünlich brennendes dabei, wovon Kasper unbemerkt vom Zuschauer zuweilen etwas in die Kohlen wirft.
Die Felsenspitze auf der Max erscheint wurde wegen des Gesangs auch ganz vorn, aber sehr hoch angebracht. um aber die Dekoration nicht zu dekken hatte sie folgende Form [Zeichnung, s. Faksimile]
und Max kletterte hinten herunter.
Die Erscheinung der Mutter, und Agathens von Kindern dargestellt waren im Hintergrunde auch in den Felsen angebracht, eben so hinter Marly, und nur durch die neben ihnen befindlichen schnell auf sie gerichteten Lampen, sichtbar und | unsichtbar nach Erforderniß.
da das Hüpfen der Waldvögel leicht lächerlich wird. ließ man nach Eins, auch Schlangen, und Kröten am Boden sich bewegen, und Fledermäuse an Drähten vorbeyschwirren.
Der Eber kann ein halb cachirter sein. er läuft in einen Kanal hinter Kasper über das Theater. /: so wie überhaupt alle Erscheinungen nicht zu weit vorn sein dürfen:/‡ Er braucht nicht beweglich zu sein, weil er zu schnell vorüber geht als daß man dieß bemerken könnte.
Die feurigen Räder, sind leichte Räder von‡ Reifen an einer Stellage; die in dem Kanal übers
Theater läuft: [Zeichnung, s. Faksimile] an diesen Rädern die sich natürlich an einer Axe drehn, sind kleine Raketen befestiget. sobald diese angezündet sind drehen sie von selbst die Räder mit Schnelligkeit.
Die wilde Jagd. sind Figuren von Jägern, Hunden, Hirschen, als Skelette, oder den Hals umgedreht pp auf Leinwand gemahlt, weiß und grau, und dann ausgeschnitten wieder auf Marly geklebt und so in langen Streifen und Zügen unter den Soffitten über das Theater gezogen. da man den Marly nicht sieht, so schweben alle Gestalten frey in der Luft.
Am Schluße müssen alle Regen, Einschlage und Donner Maschinen in Bewegung sein. Die Irrlichter, in Spiritus getränkte Schwämchen an Drähten und die Flammen aus der Erde müßen haufig sein. in den hinteren Koulißen hatte man wirklich Tannenbäume herausstürzen laßen die dann krachten und praßelten.
Samiel steht hinter dem verdorrten Baume und hält seinen Arm so hinter deßen Ast, da߇ Max ihn schon gefaßt hält wenn der Baum verschwindet.
Apparat
Zusammenfassung
gibt genaue Anweisungen zu Aufbau und Verwendungen von Requisiten und Bühnenkulissen sowie zu Aktionen im „Freischütz“, betrifft überwiegend die Wolfsschluchtszene
Generalvermerk
Webers Niederschrift der nachfolgend wiedergegebenen Bemerkungen bezüglich szenischer Effekte bzw. Requisiten, die bis auf den ersten Absatz ausschließlich die Umsetzung des II. Finales der Oper betreffen, wird allgemein fälschlich mit der Dresdner Einstudierung (EA 26. Januar 1822) in Verbindung gebracht. Eine erste falsche Spur in dieser Hinsicht legte Friedrich Wilhelm Jähns, der das ihm gehörige Autograph des Weber-Textes im Katalog seiner Weberiana-Sammlung folgendermaßen annotierte: „Wahrscheinlich amtlich für die dresdener Hofbühne geschrieben“. Eine dermaßen ausführliche Darlegung für den Dresdner Regisseur Friedrich Hellwig war allerdings nicht nötig, denn Hellwig hatte sich persönlich mit der Berliner Inszenierung vertraut machen können. Webers Tagebuch gibt Hinweise zu dessen Berlin-Aufenthalt vom 9. bis 18. Juni 1821: Am ersten Tag besuchte Hellwig gemeinsam mit Weber den Bühnenbildner Carl Gropius; am 18. Juni, unmittelbar nach der Uraufführung, reiste er nach Dresden zurück. Probenbesuche Hellwigs in Berlin sind zu vermuten, allerdings nicht dokumentiert. Das Tagebuch ermöglicht auch die richtige Einordnung des Schriftstücks; am 14. Januar 1822 vermerkte Weber darin: „Notizen Szenische zum Freyschützen nach München.“ Der Versand ist vier Tage später nachgewiesen: „an Stich nebst Notizen […] geschrieben.“ Die Bemerkungen sind demnach für den Bayerischen Hoftheater-Intendanten Joseph Stich bestimmt, dürften also bei der Münchener Erstaufführung (15. April 1822) berücksichtigt worden sein. Erstaunlicherweise fand Webers Text keine Aufnahme in die Ausgaben seiner Schriften; erstmals vollständig abgedruckt wurde er von Schünemann (S. 64f.).
Entstehung
vor 14. Januar 1822 (lt. TB); Versand an Joseph Stich in München am 18. Januar 1822 (lt. TB)
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Frank Ziegler; Solveig Schreiter
Überlieferung
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Textzeuge: Entwurf: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. II A. g, Nr. 2Quellenbeschreibung
- 2 b. S.
Dazugehörige Textwiedergaben
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Georg Schünemann, Einleitung, in: Der Freischütz. Nachbildung d. Eigenschrift aus dem Besitz der Preußischen Staatsbibliothek; zur Zweihundertjahrfeier der Berliner Staatsoper 1742–1942, hg. von Georg Schünemann, Berlin 1942, S. 64f.
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Der Freischütz. Kritische Textbuch-Edition, hg. von Solveig Schreiter, München 2007, S. 244–246 und ,
Textkonstitution
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„transparenten“„feurigen“ durchgestrichen und ersetzt mit „transparenten“
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„Geruch“„Rauch“ überschrieben mit „Geruch“
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„/: so wie … vorn sein dürfen:/“am Rand hinzugefügt
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„Räder von“am Rand hinzugefügt
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„ß“„s“ überschrieben mit „ß“
Einzelstellenerläuterung
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„… wurde im Berliner Museum ausgestopft“Vgl. auch Gottfried Mauersberger, Der Adler der Wolfsschlucht. Eine Randnotiz zum 200. Geburtstag von Carl Maria von Weber, in: Der Falke Monatsschrift für Ornithologie und Vogelschutz, Jg. 33, Nr. 11 (November 1986), S. 363.
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„… ein Felsenstük das auf Marly“Marly, benannt nach der französichen Stadt Marly-le-Roi bei Versailles, ist ein gazeförmiges Gewebe aus Baumwollgarn oder -zwirn.