Carl Klein an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Kopenhagen, Freitag, 28. Februar 1873
Einstellungen
Zeige Markierungen im Text
Kontext
Absolute Chronologie
Vorausgehend
- 1872-10-09: an Jähns
Folgend
- 1873-03-24: an Jähns
Korrespondenzstelle
Vorausgehend
- 1872-10-09: an Jähns
Folgend
- 1873-03-24: an Jähns
Mein theurer Freund!
Abermals bedaure ich, daß ich Ihnen die Zeit lang gemacht habe, durch das lange Ausbleiben dieses Schreibens, aber der Hauptgrund ist der, daß ich eigentlich nicht recht gewußt habe was ich auf Ihr mir liebes Schr. v. 10 d. M. antworten sollte. — Indessen werden Sie von mir das Original des „Kinderbildes“, so wie 4 photogr. Abnahmen für Sie u. 2 für Max Weber*, hoffentlich per Post empfangen haben, u. wird es mir angenehm sein wenn d. Abnahme ihren Beifall findet. — Das in „Illustr: Tidende“ abgebildete Gebäude stellt „das Geschäftslokal der vereinigten Dampfschiffs Gesellschaft“ vor. Vor diesem Gebäude, am Binnen Hafen liegend, löschen u. laden gegen 10–12 größere u. kleinere Dampfschiffe täglich, worauf der Vordergrund des Bildes hindeutet. Weber wohnte dahingegen in das, dem Kgl. Theater gegenüberliegende „Hôtel du Nord“ (u. zwar in No 2).
Vor einigen Abenden zurück hatte ich Zeit übrig, u. machte mich eiligst über den Weber’schen Artikel in „Illustr Tidende“ her. Er‡ Die deutsche Uebersetzung macht 8 geschriebene QuartSeiten, aber schlecht geschrieben. Sobald es mir möglich ist, unterziehe ich mich der Arbeit eine Reinschrift für Sie anzufertigen. —
Und nun zur Beantwortung Ihrer Vorfrage wegen meines „Originals“* welches Hr Heinrich in Dresden wünscht.
Sie werden verstehen wie viele Freude mir der Anblick des „Originals“ gewährt, und Viele haben es bei mir in Augenschein genommen, da es durch Besprechen in den hiesigen Blättern großes Aufsehen erregt hat. Es ist mir jetzt fest ans Herz gewachsen, u. kann ich mir es nicht recht vorstellen wie mir zu Muthe sein wird, wenn ich mich von demselben trenne u. eine Photographi dessen Platz einnimmt. Alle die es sehen, kommen mit ihrem Rath, und die Meisten sind der Meinung, daß es in Copenhagen verbleiben müsse. Um mir deshalb später keine Gewissensbisse zu machen, habe ich aufs Zurathen Vieler, — da es wohl möglich sei daß ein Verkauf desselben nach dem Auslande nicht günstig aufgenommen würde, — mich an einen Freund gewendet, der Secretair beim Cultusminister ist, nemlich den Justizrath Schwartzkopf. Er verstand sogleich was ich wollte u. sagte: „Ich verstehe Sie! Sie wollen später keine Vorwürfe hören, und vorerst bei dem Cultusminister[iu]m u. den Theater Chef vorfragen ob das neue Theater (im Bau begriffen) das ‚Original‘ als Schmuk des Foyer’s wünsche.“ Er fügte hinzu daß er dem Minister das „Original“ vorzeigen wolle, und daß ich darauf selbst mit ihn sprechen müßte. Schwartzkopf wurde ganz entzückt, als er das „Original“ sah, indem er selbst auf „Handzeichnungen“ vielen Werth setzt, selbst eine kostbare Samlung besitzt, u. gleich „Hornemann“ darin erkannte. Der Minister (Hall*) sowie der DepartementsChef (Linde) haben sich sehr gefreut über den Anblik des Bildes, aber beide dahin geäußert: „Klein dürfe sich kein Gewissen daraus machen das Original nach Dresden zu verkaufen, indem es doch auf eine Weise dahin gehöre, woselbst Weber in so vielen Jahren gewirkt habe, nur daß er es vorerst, bevor er sich mit Privat-Personen einließe, es der Kgl: Theater Direction daselbst anböte.“ Linde sagte mir persönlich: „Hier im Foyer des Kgl Theaters werden Bilder nur inländischer Künstler angebracht, u. in Dresden werden Sie viel mehr dafür erhalten wie hier.“ Er fügte hinzu: „Justizrath Schwartzkopf hat mir das Original gezeigt, u. bin ich ihnen sehr dankbar für die Freude die sie mir dadurch bereitet haben.“ — (Schwartzkopf hatte den hohen Herren das Bild für 200 r (150 r Pr Ct) angeboten.) Schwartzkopf erhielt gestern Ihre Lebensskizze zum Durchlesen worüber er in hohem Grad entzückt war. Zum Beweis wie richtig er auch die Sache auffaßt, daß das Bild nach Dresden müsse, dient folgendes welches er erzählte während unserer langen Unterredung. (Apropos ich muß doch hier bemerken, daß das Theater unter dem Cultusministerium sortirt.) —
Schwartzkopf erzählte: „Ich habe oftmals den Chef der Kunstsammlungen gebeten, daß er 2 Köpfe von Statuen des Phidias, aus Akropolis die sich hier befinden nach London schiken solle, woselbst die Körper sind. Wir würden dann vollständige Abgüsse erhalten können.“ Darin hat er ja vollkommen recht. Seine Meinung ist daher, daß das Theater in Dresden das Original haben müsse, u. wir uns mit der Photographie begnügen.
Was nun machen! „Ohne Sie kann ich nicht leben.“ — Das wissen Sie, mein theurer Freund,u. deshalb habe ich die Bitte an sie, ob Sie mir die Freundschaft erzeigen wollen bei Ihren Freund in Dresden, den Kgl Kammer-Musicus Moritz Fürstenau, vorzufragen, ob er geneigt sei den Kgl. Intendanten oder der Kgl. Theaterdirection in Dresden zu fragen ob sie das Original für das Kgl. Theater daselbst ankaufen wollen? Und welchen Preis sie dafür bezahlen wollen. So habe ich den Wunsch des hiesigen Ministeriums erfüllt, u. mir nichts später vorzuwerfen. Hierauf erwarte ich denn noch erst eine bestimmte Antwort, u. wie Sie es für mich leiten, damit bin ich zufrieden.
Sie, mein theurer Freund, können sich wohl denken, was der eigentliche Grund ist, weshalb ich den Entschluß gefaßt habe mich vom Original zu trennen. — Leider ist meine Lage nämlich etwas verzeifelt. Ein Amt welches ich gesucht habe, wird mir wahrscheinlich erst späterhin zu Theil, da Alles augenbliklich besetzt ist. Es ist nemlich die Stellung eines Lotteri Collecteurs. Sobald eine Collection durch Todesfall oder durch Errichtung einer neuen Collection vor der Thür steht, so hoffe ich eine derartige habhaft zu werden. Jetzt habe ich kaum das trokne Brodt, für mich u. d. Meinen. Was mein Gewinn betrifft, den ich durch den Verkauf m. Weberbilder erzielte, so ist die ganze Angelegenheit für mich zerschlagen. Hansen sehe ich nie. Wenn ich einmal inzwischen ihm einen Besuch mache, so spreche ich nur mit seinem Gevollmächtigten, und sagt er dann: „Hr Hansen ist krank u. liegt ins Bett.“ Das Honorar oder richtiger Gewinn den ich erziele, ist, das ich Bilder und Photographische Abdrücke von Autographen Webers erhalten habe, so wie, daß er versprochen hat mich selbst zu conterfeien, u. mir von meinen eigenen „Gesicht“ einen Theil Exemplare zu schenken. Mit Grunow hat er sich entzweit, u. die Verbindung abgebrochen, obgleich Hansen selbst die Schuld trägt u. Grunow durch sein Auftreten Schaden zugefügt hat. Was wird nun das Resultat? daß überall das Bild nachgedruckt wird. Hansen will in verschiedenen Städten das Bild verhandeln lassen; wie kann er denn Controle damit halten? das „Alleinrecht“ wird ihm schwerlich ertheilt. Bitte, wenn Sie an Grunow schreiben, so sagen Sie ihm gefälligst, daß ich vorläufig für die gesandten „Lebensskizzen“ so wie für das Honorar freundlich danke, u. daß ich bald schreiben werde, aber ich möchte doch vorerst Hansen sprechen, denn auf meine Briefe erhalte ich keine Antwort. Wie ich im vorigen Jahre mich mit Hr Heinrich einließ wegen Abgeben meines Originals, da war es nur weil ich fest auf Hr Hansen baute, daß ich durch Ihn eine Einnahme erzielen würde, welche beitragen würde mich Aufrecht zu halten bis meine Stellung sich bessere; jetzt ist alles zerfallen — Sie werden mich nun verstehen! —
Von Berggreen einen freundlichen Gruß; er schreibt bald. Er war hier vor einigen Tagen um das Original v. Weber zu sehen, u mich einen Besuch abzulegen. Er ist mit Allem vorstehenden einverstanden, u. hat mich gebeten Ihnen die ganze Angelegenheit in Händen zu geben. Er ist mein Freimaurerbruder, u. bedauert meine harte Stellung.
Und nun mein lieber Freund, sein Sie mir nicht böse, daß ich Sie mit meinem Geschreibe, und meinen pecuniairen Verhältnissen belästige, aber ich weiß ja Niemanden gegen den ich mich in dieser meiner HerzensAngelegenheit so offen aussprechen dürfte; das ist mir ja klar durch die mir Ihrerseits so oft erwiesene aufrichtige Liebe u. Freundschaft. — Meine Frau läßt herzlich grüßen. Schließlich sein Sie aufs herzlichste gegrüßt von Ihrem aufrichtigen
ergebenen Freund
C Klein
N: S: H. Heinrichs Brief folgt anbei.
‡ Meine Frau sagt: „Ich wollte wünschen, daß du bald eine Collection erhieltest, u. daß wir dadurch eine solche Einnahme erhielten, daß wir Prof. Jähns einladen könnten nach Copenh zu kommen u. bei uns Wohnung zu nehmen; denn daß verdient er für seine Freundschaft u. Aufmerksamkeit gegen dich.“ - Gott gebe das mir eine solche Freude zu Theil werde. Ihr C Klein Sie sagt eben: „Ja kein Bruder hat sich so liebreich gegen dich benommen !!!“
Apparat
Zusammenfassung
teilt mit, dass er aus finanzieller Notlage heraus gezwungen ist, das Hornemansche Weber-Porträt zu verkaufen, wollte es erst dem Hoftheater anbieten und sich vergewissern, dass man nichts gegen einen Verkauf ins Ausland habe; schlägt J. vor, bei Fürstenau anzufragen, ob er einen Ankauf durch das Dresdner Theater vermitteln könnte
Incipit
„Abermals bedaure ich, daß ich Ihnen die Zeit“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 324Quellenbeschreibung
- 2 Bl. (4 b. S. o. Adr.)
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Auszug: Ziegler, Frank, ... in schmucklosester Wahrheit vorgetragen. Christian Hornemans Weber-Porträt von 1820, in, Weberiana, 6/1997, S. 62
Textkonstitution
-
„Er“durchgestrichen
-
„… “Nachschrift am Rande von Bl. 1 u. 2 mit Bezeichnung der Reihenfolge mit 1) bis 4):
Einzelstellenerläuterung
-
„… u. 2 für Max Weber“Die beiden Foto-Exemplare nach der Weber-Porträtzeichnung von C. Horneman für F. W. Jähns sind offenbar die vom Königlichen Hof-Fotografen G. E. Hansen in Kopenhagen hergestellten Abzüge in D-B, Weberiana Cl. VIII, H. 1, Nr. 13a und 14.
-
„… Ihrer Vorfrage wegen meines Originals“Gemeint ist die Weber-Porträtzeichnung von C. Horneman.
-
„… erkannte. Der Minister ( Hall“Carl Christian Hall (1812–1888), Kultusminister.