Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 16. Oktober 1817 (Teil 2 von 2)

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Die Abentheuer der Thorenburg.

(Beschluß.)

So gelangt er mit seinem treuen Knappen an den Hungerthurm, findet Gisellens Schleier an einem Strauch, ahnet ihr Schicksal, schlägt die Wächter des Thurms zurück, sprengt die Pforten, entreißt, auf seinen Armen sie tragend, die Gattin und Kinder dem Schreckensorte, belebt ihre Kräfte von neuem, und ist eben im Begriff, mit Gisellen, die nun ihm folgen will, zum heiligen Heerd seiner Väter, nach Rosenberg zu gehn, als ihm Grimoald, von der Jagd kommend, entgegentritt und ihn aufhalten will. In der Burg ist jedoch bereits die Empörung ausgebrochen, man hat die Kerker geöffnet, um die Gefangenen für sich zu bewaffnen, und eben ist Eberhard durch Gabrielens Widerstand heftig gereizt, im Begriffe, sie zu morden, als der nun befreite Siegfried hereinstürzt, ihm das Schwerdt aus der Hand schlägt, sich durch die Bewaffneten, die ihm den Ausgang verwehren wollen, einen Weg bahnt und Gabriele mit sich fort führt. Eberhard ergreift sein Schwerdt wieder und stürzt ihm nach. So kommen sie in dem Augenblicke, wo Grimoald Guido entgegen steht, in diese Gegend. Grimoald zieht sich zurück, Siegfried aber giebt sich, als die Bewaffneten stärker auf ihn eindringen, als Siegfried von der Thorenburg, zu erkennen, ein alter Knappe bestätigt seine Worte, und huldigend wirft sich alles vor ihm nieder. Da tritt Grimoald gegen ihn vor, man will nun auf diesen eindringen, aber Siegfried schüzt ihn, und bittet um Gabrielens Hand, damit er gemeinschaftlich mit ihm herrsche. Am Leben verzweifelnd, wirft ihm Grimoald das Mädchen in die Arme und stürzt in seinen Jagspieß.

Daß sich aus diesem reichen, mit Phantasie erfundenem Inhalte eine interessante Folge von Scenen ableiten lasse, leuchtet ein, und der Dichter des Stücks, dessen Name uns bis jetzt unbekannt war, und von dem wir ohnstreitig hier eine nicht ungelungene Erstlingsarbeit vor uns sahen, hatte ihn auch so dazu benutzt, daß mehrere Situationen sich ¦ ächt dramatisch bildeten und zu dem Herzen sprachen. Dahin rechnen wir besonders im zweiten Akte die Scene mit Gisella und ihren Kindern, die darauf folgende mit Guido, und im dritten die Abschiedsscene derselben, nebst der vorhergehenden mit Bertha. Ueberhaupt scheint das Gemüth des Dichters, das aus mehrern Punkten des Stücks wohlthuend sich ausspricht, mehr wahre Hinneigung zu Schilderung milder Charaktere, häuslichen Glücks und zarter Gesinnung, als zu Aufstellung von Gestalten zu haben, die durch Leidenschaften zerrissen, und durch sie wiederzerreißend, gewaltsam und glückzerstörend treten in die Blumenwege stiller Seelen. Auch können wir nicht unbemerkt lassen, daß der Stoff wohl gar zu überreich für Entfaltung der Charaktere und ungestörtes Fortschreiten der Handlung seyn dürfte, wodurch besonders im fünften Akte allzuviel Regsamkeit und dadurch unwohlthuende Verwirrung entsteht. Vielleicht wäre durch gänzlichen Wegfall der Empörung Eberhardts dem mit einemmale abzuhelfen, und indem wir den Dichter bitten, mit Rücksicht darauf, noch einmal das Ganze, besonders aber den fünften Akt, einer Revision zu unterwerfen, glauben wir gewiß, daß das gerngesehene Stück noch an Beifall gewinnen werde. Die Diktion ist so poetisch, als sie bei einem nicht rythmisch behandelten Werke es seyn darf, und durchaus rein. Einige Stellen von denen wir blos die in dem sechsten Auftritte des ersten Akts, wo Konrad, auf’s Schachbrett deutend, Grimoald gegenüber, sagt: „dem Spiele bin ich gut, es ist so lehrreich. Ein jeder Bauer muß dem Könige siegen helfen, zum Beweise, daß der Herrscher die Liebe des geringsten Knechts bedarf.“, und die zarte Hinweisung Bertha’s, in dem dritten Auftritte des vierten Akts: „Guido, was Dir theuer war, ist nicht verloren: Gisella bewahrt Deine Kinder in ewiger Klarheit zum bessern Tage,“ verrathen einen wahrhaft edlen dichterischen Sinn, und erzeugen den Wunsch, daß jener Dichter uns ferner mit seinen Gaben beschenke. Von der, fast in allen Theilen sehr gelungenen Darstellung selbst, soll bei der Wiederholung des Stückes die Rede seyn.

Th. Hell.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: „Die Abentheuer der Thorenburg“ von A. Heiter am 16. Oktober 1817

Entstehung

vor 30. Oktober 1817

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 260 (30. Oktober 1817), Bl. 2v

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