Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 24. Mai bis 2. Juni 1818
Am 24. Mai. In der Stadt: Der Graf von Burgund. Histor. Schauspiel in 4 Akten, von Kotzebue.
Elsbeth war die erste Antrittsrolle der Dem. Tilly, welche vorher Mitglied des Magdeburger Theaters war. Wir können uns recht erfreun, daß sie nunmehr ein Mitglied des unsrigen geworden ist. Vor allem, seines Werthes sowohl als seiner Seltenheit wegen, müssen wir an dem jungen liebenswürdigen Mädchen rühmen, daß es ganz frei von aller Manier ist, und dadurch eine Wahrheit und wolthuende Natur in seine Darstellungen bringt, welche durch diese Pest der Kunst so leicht untergehen. Dem. Tilly’s Aeußeres ist sehr vortheilhaft und ihre Stimme wohltönend, ihre Aussprache rein, nur mit dem leisesten Anfluge eines auswärtigen Dialekts, der sich hier bald verwischen wird. Besonders gelangen ihr heut die naiven Scenen, in welchen das Gefühl etwas mehr vorwaltete. Doch bewegte sie sich in allen frei und unbefangen, und gab auch nicht selten ein recht erfreuliches Zuspiel zur Belebung der stummen Augenblicke.
Ueberhaupt ward dieses Stück, das zum großen Theile neu besetzt war, von den meisten Mitspielenden mit ausgezeichnetem Fleiße dargestellt, dieser war besonders an Mad. Hartwig zu loben, welche aus der Rolle der Mutter Gertrud, die bisher ganz im Hintergrunde gestanden hatte, ein wahres Kunstgebilde schuf. Auch lohnte ihr und Herrn Werdy als Bruder Peter, der ebenfalls seine Rolle mit Würde und Wärme spielte, allgemeiner Beifall. Herr Wilhelmi spielte den Grafen von Burgund mit jugendlichem Feuer und wahrer Herzlichkeit. Noch erinnern wir uns, wie ungemein brav unser wackrer Schirmer sonst diesen edlen Natursohn gab, der auch jetzt als Ritter Hallwyl, so wie Dem. Christ als Gräfin Mathilde, vieles Gelungene leistete.
Am 26. Mai. Auf dem Theater am Linkeschen Bade Edelsinn und Armuth. Lustspiel in 3 Akten, von Kotzebue.
Josephine war die zweite Antrittsrolle der Dem. Tilly. Auch in dieser bestätigte sie die angeneh¦men Hoffnungen, die wir von ihr nach ihrer ersten Rolle hegten. Sie war graziös in ihrer Munterkeit, und hätte sie auch wohl manchmal die Lustigkeit des Charakters noch etwas mehr bezeichnen können, – denn in der That fordert dieser gewaltige Schelm eine potenzirte Munterkeit – so überschritt sie dagegen auch nie die Gränzlinie des Anstandes. Mad. Hartwig zeigte als Frau Rose, in den, von jedem der Anwesenden – schier als Prüfstein – in verschiedener Ansicht auszusprechenden vier Worten am Schlusse des ersten Akts: „er hat sie nicht!“ wie geringen Stoffes wahre Kunst bedarf, um erheiternd oder erschütternd zu wirken. Dem Schubert war als Luise recht brav.
Am 28. Mai. In der Stadt: Elisabetta.
Am 29. Mai. Auf dem Theater am Linkeschen Bade: Die Großmama. Wir müssen Herrn Beral, der heute den Ludwig gab, nochmals erinnern, über die eckigen Bewegungen seines Körpers, besonders seiner Arme zu wachen, sonst wird sein Erscheinen nie ohne Störung des Eindrucks erfolgen.
Die Brüder Philibert. Mad. Hartwig hatte allerdings die sehr schwierige Aufgabe der unmittelbar auf einander folgenden Darstellung zweier Großmütter, von welchen sie die erste meisterhaft gab, und mit Einsicht legte sie daher den Character der Tervigni im zweiten Stück, völlig verschieden von dem ersten, an, es schien aber doch hie und da, als ob sie ihn nicht ganz gehalten hätte, welches freilich bei der Flachheit dieser ganzen Rolle sehr verzeihlich war.
Am 30. Mai. In der Stadt: Il Barbiere di Seviglia.
Am 31. Mai. Ebendaselbst. Helene.
Am 2. Juni. Auf dem Theater am Linkeschen Bade: Salomons Urtheil. Noch immer ist uns unsre theure Schirmer durch Krankheit geraubt, und Dem. Schubert spielte daher heut die Rolle der Azelia. Ihr Erscheinen war sehr anmuthig. Die Virtuosität, welche Mad. Hartwig in der Rolle der Sena, und die Würde, welche Herr Hellwig in der des Salomo entwickelt, sind schon mehr als einmal anerkannt.
Th. HellApparat
Zusammenfassung
Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater und Linkesches Bad: 24. Mai bis 2. Juni 1818, dabei besonders über „Der Graf von Burgund“ von Kotzebue.
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 141 (15. Juni 1818), Bl. 2v