Johann Gottfried Wohlbrück an Ernst Schleiermacher in Darmstadt
Darmstadt, Juli 1811

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An
des Geheimen Cabinetts Secretair Herrn Schleiermacher

Hochwohlgeboren.

Ew. HochWohlgeboren, erfüllt mir regem Sinn und warmen Eifer für jedes Gute, verzeihen es mir gewiß, wenn ich über einen Gegenstand Ihnen meine Ansichten und Wünsche darzulegen wage, für welchen des Großherzogs Königl Hoheit sich mit besondrer Gnade interessiren und dessen Gedeihen auch Ihnen, dem Kenner und Freunde der Kunst, nicht gleichgültig ist.

Es geruhten nehmlich Se Königliche Hoheit gegen mich allergnädigst zu äußern, daß Allerhöchstdieselben gesonnen wären, das Geschäft der TheaterRegie, mit nächstem so zu ordnen, daß dem bisherigen alleinigen Regisseur, bei seiner ausgebreiteten Kenntniß der Musik, die Aufsicht über die Oper, mir aber die Aufsicht über das recitirende Schauspiel übertragen werden solle. – – Seitdem ich in meiner Kunst zu einigem Bewußtseyn gekommen bin, war es der höchste Wunsch meines Lebens, mit einem solchen Vertrauen von einem kunstliebenden Fürsten beehrt zu werden, um unter dessen Aegide das verwirklicht ans Licht zu bringen, was ich nach meinen Anschauungen und Erfahrungen in meiner Kunst für gut und wahr erkannt, und in meinem T...wesen mit frommer Sehnsucht bewahrt hatte, und ich stünde also jezt nahe am Ziel aller meiner Bestrebungen, indem ich fühle, daß der Weg den meine Kunstbildung genommen, mich vielleicht noch mehr zum Vorsteher eines artistischen Instituts als zum Künstler gebildet hat, da ich, als jener die Beschränktheit individueller Organisation nicht fühle, die ich als dieser oft mit Bedauern an mir wahrnehme.

Je mehr ich nun aber von der Freude über meinen Beruf durchdrungen bin um so schmerzlicher würde mir jedes Hinderniß in derselben seyn. – Der bisher alleinige Regisseur wird die Entnehmung der Hälfte seines Geschäfts und seines Einflusses auf das Ganze der hiesigen Bühne nicht gleichtültig ansehen. Er hat mir Proben genug gegeben, daß er meiner und der Meinigen Wirksamkeit, als darstellende Glieder schon, lieber Hindernisse in den Weg legt, als Vorschub leistet und es ist meine Pflicht dies hier zu beweisen.

Er hat meiner Frau seit ihrem Debüt nicht Eine gefällige Rolle ihres Fachs zugetheilt, dagegne Mad. Grahn in Zeit von 2 Monaten Zehen sehr ausgezeichnete Parthieen empfing, die sämmtlich in dem Verzeichniß der von meiner Frau gespielten Rollen, ihm angezeigt waren.

Er hat meinem Kinde, Louise, die mit ihrem Debüt so beifällig aufgenommen worden, seit ihrem Hierseyn nicht Einmal Gelegenheit gegeben, sich in einer neuen Rolle zu zeigen, ohngerechnet ich ihn gebeten habe, das Talent dieses Kindes, welches wahrscheinlich in ein paar Jahren schon den Kinderrollen entwachsen seyn wird, doch einigermaßen zu beachten. Ein jüngeres Kind von mir, welches Anlage zeigt, hat trotz meiner Bitte, noch gar nicht auftreten können und lieber ist die Kleine unnatürliche Illenberger beschäftigt worden.

Wenn ich einiges Talent zur Darstellung komischer Rollen habe, so fühle ich es doch, bei den allzuvielen Lustspielen und Possen unsers Repertoirs, schier erschöpft. Mein Sehr zahlreiches RollenVerzeichniß, verstattet eine so mannigfaltige Auswahl, daß ich den Zuschauer nicht durch Einerley zu ermüden fürchten darf, wenn mir nur die Gelegenheit nicht ganz entzogen wird. Aber die Regie giebt die Rolle des Königs Christian, der ein Seitenstück zu Shakespears Reichard d. III. ist, einem Anfänger, Herrn Möbus, indeß sie mir in demselben Stück die Rolle eines Viehhändlers zutheilt. – Den Regulus wünschte ich schon als Gast hier darzustellen. Damals, hieß es, fehle es an Decorationen. Jezt ist das Stück zur Aufführung bestimmt, mir aber die Rolle entzogen, in welcher ich mich so gern, nach der Rückkehr von meiner Reise, zuerst gezeigt hätte. Sie ist einem Mitgliede übertragen, welches sie erst neu einstudiren muß.

Wenn nun schon bisher, wo etwa nur die freundliche Aufnahme meiner kunstleistungen, die Eifersucht reitzen konnte, mein Verhältniß nach Möglichkeit gedrückt wurde, was hätte ich für Hindernisse bey meiner Wirksamkeit fürs Ganze zu erwarten? – Die Rivalität des Singspiels mit dem recitirenden Schauspiel, würde dem freien Gange beider hinderlich werden, da doch die Oper wie das Trauerpsiel, das Drama wie die Posse, mit gleiche Energie behandelt werden müssen, so bald sie zur Vorstellung gebracht werden sollen. Keines darf dem andern hinderlich werden.

Diesem nun wäre, meiner Überzeugung nach, nur abzuhelfen, wenn Sr Königliche Hoheit einen Director an die Spitze des Geschäfts stellten, der den Vortrag über das Aufzuführende an Allerhöchstdieselben oder an Allerhöchstdero Intendance hätten, die Befehle, in Folge desselben empfienge, die er dann durch den Regisseur der Opern, den Orchesterdirector und den sämmtlichen Personal in Ausübung stellte. Nach den eingeholten Befehlen hätte der Director alleinige Macht, wie alleinige Verwantwortlichkeit; so käme Einheit in den gesammten Gang des Theaterwesens die allein zum Guten führen kann und den Regisseur kann es nicht kränken, wenn eine Stelle creirt wird, welche bisher noch nicht vorhanden war.

Wenn Sr Königliche Hoheit mir die Fähigkeiten dazu zutrauen, so lebt in mir der Muth dieser Stelle gewachsen zu seyn. Finden Allerhöchstdiesen nach Jahresfrist nicht eine merkbare Verbesserung des Instituts und seiner Produktionen, so trete ich freiwillig von dem Posten zurück. – Daß jezt nicht lales so ist, wie es seyn sollte, fällt zwar in die Augen, doch will ich keinesweges die Regie darüber anklagen, die im Allgemeinen ohngefähr so verfährt, wie größtentheils bei Theater-Verwaltungen in Deutschland verfahren wird.

Aber nach dem Interesse, welches des Großherzogs Königl: Hoheit an dem Institute nehmen, darf es nicht bey dem Gewöhnlichen bleiben. Ein Enthusiasmus für Alles, was zur Vervollkommnung der Kunst führt, muß, aus einer dafür erfüllten Seele, in jedem Theilnehmer am gemeinsamen Geschäft überströmen, damit der erhabene Kunstfreund eine Erndte sieht, die Seiner reichen Saat nicht unwürdig ist.

Dies ist der schwache Umriß meiner Ansicht. Finden Ew. HochWohlgeboren ihn nicht verwerflich, so glaube ich nichts dabey zu wagen, wenn er der Würdigung Sr Königlichen Hoheit vorgelegt wird, da Allerhöchstdieselben, nach Ihrer Weisheit, darüber entscheiden, aber gewiß nicht meine gränzellose Verehrung Ihrer allerhöchsten Person und meinen Eifer für die Kunst verkennen werden.

Ew HochWohlgeboren haben mich durch so manche Beweise Ihres Wohlwollens beehrt und erhoben. Ihre Freude ist das Gute wo es sich findet. Möge mir die Gelegenheit werden, das Gute zu bereiten, damit ich Ihres Wohlwollens würdig und auf die einzige mir mögliche Weise, dankbar dafür erscheinen kann.

Mit inniger Verehrung verharre ich
Ew. HochWohlgeboren gehorsamster Diener
GWohlbrück

Apparat

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Darmstadt (D), Hessisches Staatsarchiv (D-DSsa)
    Signatur: D 12, Nr. 24/7

    Quellenbeschreibung

    • 2 DBl. (8 b. S. o. Adr.)

Textkonstitution

  • „T...wesen“unsichere Lesung

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