Julie Brauer an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Dresden, Dienstag, 18. Oktober 1870

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Geehrtester Herr Musikdirector,

herzlichen, innigen Dank, für die warme Theilnahme, die Sie mir bei meinem schweren, ach so sehr schweren Verluste gezeigt haben. Ihre warme, treue Freundschaft für meinen lieben Mann, gehört mit zu den Sonnenblicken seines Lebens.

Für mich ist die Prüfung eine sehr schwere, denn wer wie ich, seit Jahren keinen anderen Lebenszweck gekannt hat, als dem geliebten Kranken die Leiden zu erleichtern, dem fehlt es doppelt, wenn er unserer Sorge auf immer entrückt ist. Und mit welch’ rührender Geduld trug er seine Leiden, wie liebevoll war er immer darauf bedacht, mir die Pflege so leicht als möglich zu machen. Es beschämt mich, daß man in dem, was ich ihm zu sein versuchte, etwas Außerordentliches zu | finden scheint. Er vergalt mir ja Alles, was ich nur thun konnte, durch so unendlich viel Liebe, daß die Pflege keine Last werden konnte, und die Erinnerung an diese Zeit, mir stets eine erhebende sein muß. Die ersten Tage nach seinem Tode, wurde ich durch die Herzenserleichterung, die ich bei dem Gedanken „ihm ist nun wohl[“] ‒ haben mußte, aufrecht erhalten, aber die Vereinsamung wird mir je länger, je drückender.

Es ist recht schwer dabei Entschlüße zu fassen, wie man sein künftiges Leben einrichten soll, denn obgleich ich so lange vorbereitet war, und mein guter Mann mir manchen Rath in Bezug darauf gegeben hat, so gestaltet es sich doch oft anders, als man vorher dachte.

Wohl weiß ich, daß Sie nicht eines äußeren Zeichen’s bedürfen, um meinem Mann Ihre fortdauernde freundschaftliche | Erinnerung zu bewahren, doch bitte ich das beifolgende Manuscript als ein Andenken an ihn anzunehmen. Möchten Sie zugleich darin einen Beweis erblicken, wie dankbar ich es zu schätzen weiß, daß Sie und Ihre Frau Gemahlin mir Ihre Freundes-Gesinnungen bewahren wollen, und welche Befriedigung es mir gewähren würde, Ihnen damit eine Freude gemacht zu haben.

Mit herzlichem Gruß Ihre treu ergebene
Julie Brauer.

Apparat

Zusammenfassung

dankt für die Anteilnahme am Tod ihres Mannes und übersendet ihm das Autograph der Es-Dur-Messe (inkl. Offertorium)

Incipit

Herzlichen, innigen Dank für die warme Theilnahme

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. X, Nr. 86

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)
    • am Briefkopf gestempelt: „an Jähns“

Textkonstitution

  • „ge“am Rand hinzugefügt

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