Antonie Weber an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Darmstadt, Freitag, 5. Januar 1866
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Hochgeehrter Herr.
Da ich die Feder ergreife um Ihnen, geehrter Herr zu schreiben — weiß ich wirklich nicht Worte zu finden um es zu entschuldigen u zu erklären warum ich dieß erst heute thue, wenn Sie nicht die einfache Erklärung gelten lassen daß ich, den ganzen Sommer u Herbst auf Reisen, erst Ende Oktober hierherzurückkehrte u seit dieser Zeit fast beständig unwohl, es nicht wagen konnte in kalten Räumen nach Manuscripten u Papieren zu suchen. Seit mehreren Tagen nun damit beschäftiget, fühle ich doppelt die Schwere der Verantwortung Sie in Ihrer Arbeit villeicht aufgehalten zu haben u die Vorwürfe die Sie mir wohl deßhalb im Stillen machen. Darum eile | ich auch heute Ihnen das zu schicken was ich bis jetzt gefunden u welches Sie einstweilen durchsehen können. Ich behalte mir vor was ich noch weiter finde Ihnen in einer nächsten Sendung zukommen zu lassen. Was beifolgende Partitur des „ersten Ton“ anbelangt, so halte ich dieselbe für eine von Schreibers Hand gefertigte Abschrift des Originalmanuscriptes (obgleich ich bisher als Tradition immer nur wußte wir besäßen das Original selbst.) Die in einem besonderen Hefte beigelegte, umgearbeitete Fuge aber ist jedenfalls von Karl M. W. selbst geschrieben u OriginalManuscript wie auch das Datum auf der letzten Seite bezeugt*.
Was den fraglichen Canon betrifft, so bin ich ganz Ihrer Meinung die mir noch durch eine halb scherzhafte Äußerung C. M.s in einem Briefe an Gottfrd W. bestätiget scheint u welche Sie bei der Dur[ch]lesung finden werden. Es müßte denn noch die | Auslegung meines Onkels, A. v. Dusch Geltung finden können: daß beide Männer oft zusammengearbeitet hätten u auch diese Kleinigkeit so entstanden sein könne. Ich schicke Ihnen den ganzen Kalender* hier noch einmal mit, den ich von einem Freunde unseres Hauses bekam, einen hiesigen Musiker, welcher als junger Mann bei Gassner einige Zeit studierte. Auch er kann jedoch weiter keine nähere Erklärung mehr‡ geben, als daß unter der „Landstraße“ wohl der kahle Kopf Gassners gemeint sei‡ u dieser die mittlere Figur auf dem Bilde sein müsse*. Aus der Vorrede geht hervor daß dieser vorliegende wohl der erste Jhrgang gewesen ist. Aus andern Notizen desselben, sowie aus Ankündigungen des 6ten u 7ten Jhrganges, in den Intelligenzblättern des 6ten u 7ten Bandes der Cäcilia (z. B. „ Ankündigung: der musik. Hausfreund 7ter Jhrgg. 1828“) – geht hervor daß dieser erste Jhrgg. im Jahr 1822 | erschienen ist. Direktor Gassner in Giessen war Redakteur der beiden ersten Jahrgänge, tratt dann zurück u übernahm die Redaktion wieder vom 6ten Jahrgange an.
Die Briefe C. M.s an meinen Vater können dießmal noch nicht beigelegt werden, weil sie alle noch in Händen Herrn v. Webers in Dresden sind, welcher, auch auf Reisen sich befand und unser Begehren deßhalb lange nicht beantworten konnte. Erst nach seiner Rückkehr, vor einigen Wochen bat er uns ihm dieselben noch bis Mitte Januar zu lassen, da er sich noch einige Notizen über das von ihm daraus benützte machen mögte. Sobald sie in unseren Händen sind, seien Sie überzeugt daß ich sie Ihnen umgehend werde zukommen laßen. Noch schicke ich auf Ihren Wunsch hier die beiden Beilagen zurück welche mich sehr interessirten u wofür ich herzlich danke.
Glauben Sie meiner nochmaligen Versicherung | wie leid es mir thut Ihnen nicht früher habe dienen zu können u wie sehr ich bedauerte Sie nicht persönlich gesprochen u kennen gelernt zu haben.
Ich verharre mit ausgezeichneter Achtung
Ihre ergebene
Antonie Weber
Darmstadt. d. 5ten Jan. 1866
Apparat
Zusammenfassung
schickt ihm die Abschrift der Partitur zum Ersten Ton, die umgearbeitete Fuge in der Beilage ist Autograph von C. M. von Weber, legt ferner den von Gassner redigierten Musikalischen Hausfreund in Gänze bei; die Briefe Webers an ihren Vater kann sie ihm noch nicht schicken, weil sie noch Max Maria von Weber habe, will es aber tun, wenn sie zurück kommen werden
Incipit
„Da ich die Feder ergreife um Ihnen, geehrter Herr zu schreiben“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
Textkonstitution
-
„mehr“über der Zeile hinzugefügt
-
„gemeint sei“über der Zeile hinzugefügt
Einzelstellenerläuterung
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„… auf der letzten Seite bezeugt“Sowohl die Abschrift des Werks mit dem Schlusschor in der Urfassung als auch das Autograph des Schlusschors in der überarbeiteten Fassung gelten heute als verschollen; vgl. WeGA, Bd. II/1, S. 187f.
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„… schicke Ihnen den ganzen Kalender“Musikalischer Haus-Freund. Neuer Kalender für das Jahr 1822 [= Jg. 1], hg. von F. S. Gassner, Mainz: Schott’s Söhne (VN: 1667).
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„… auf dem Bilde sein müsse“Gemeint ist die Titel-Illustration des Musikalischen Haus-Freunds.