Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 26. bis 27. Mai 1817

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Am 26. Mai. Das Gut Sternberg. Lustspiel in 4 Aufzügen, von Frau von Weißenthurn.

Die heutige Vorstellung zeichnete sich dadurch aus, daß mit ihr der Anfang der Darstellungen auf dem Theater am Linkeschen Bade, unweit von Dresden, gemacht wurde. Dieses Theater ward nämlich seit längerer Zeit jedesmal alsdann, wann die Königl. Hofschauspieler nach Leipzig reiseten, von einer andern Gesellschaft, meist von der des Joseph Seconda, während des Sommers besucht, welche nur in der Regel Darstellungen von deutschen Opern gab. Doch geschah es auch im Jahre 1807, daß die Königl. Hofschauspieler während eines Sommers auf diesem Theater bereits spielten. Gewiß eignet sich die unendlich reizende Lage desselben, die kleine, und doch zu einem Spaziergang hinreichende Entfernung von der Stadt, und die Nähe eines öffentlichen Ortes zur Restauration, sehr zu einem Sommertheater, und der ununterbrochne Besuch, der oft selbst sehr mangelhaften Leistungen dort zu Theil ward, bewies, wie sehr die Einwohner Dresdens Vergnügen daran fanden, dann und wann im Sommer das Schauspiel auf dieser Stelle zu besuchen. Die vorbeifließende Elbe erleichtert auch das Hin- und Hersichbewegen, und heiter ist es anzusehen, wenn ein Zug von niedlichen Kähnen des Nachmittags dahin schwebt. Von der Stadt aus auf dem festen Lande geht man stets in dichtschattenden Alleen bis zum Bade, und einer Wallfahrt ähnlich strömen besonders Sonntags Schaaren von Fußgängern diesem, oder andern nahe liegenden Lustorten zu. Die für die billigen Wünsche des gebildeten Publikums so aufmerksame Direktion hat daher auf den Dank desselben zu rechnen, indem von ihr auch in diesem Jahre wieder Anstalten getroffen wurden, um den Schauspielfreunden den Besuch dieses Theaters zu verschaffen, wobei sie zugleich die früher bestandenen wohlfeilen Preise des Eintritts in dieses Haus gefällig beibehalten, und dadurch manchen Individuen den Zutritt während des Sommers erleichtert hat. Zugleich sollen jedoch auch noch ein oder mehreremale in der Woche in der Stadt Vorstellungen gegeben werden, da die Zurüstungen zu manchem größern Stücke mehr Raum erfordern dürften, als das Theater am Bade – welches übrigens nicht eben klein zu nennen ist – gewähren kann, oder die in Hinsicht der Dekorationen bereits für das ¦ Hoftheater berechnet sind, und auch endlich, um denen, die nun gern nur in letztres eintreten wollen, und am Besuche des Entfernteren sich verhindert finden, auch so Zuvorkommenheiten zu beweisen. Unstreitig ist diese Einrichtung sehr zweckmäßig zu nennen, und so werden uns in den Sommermonaten gewiß von Melpomenen, Thalien und Polyhimnien die reizendsten Genüsse geboten werden.

Ueber das heutige Stück selbst ist schon hinreichend in diesen Blättern gesprochen worden. Unsre treffliche Schirmer trat nach der Rückkehr von ihrer Kunstreise nach Berlin* heut wieder zum erstenmale auf, und ward mit verdientem enthusiastischen Beifall empfangen. Am Schlusse der Vorstellung ward Herr Hellwig, der den Bolzheim mit hoher Lebendigkeit und Wahrheit darstellte, gerufen. Uebrigens schien die Veränderung am Schlusse, welche in diesen Blättern als wünschenswerth bezeichnet ward, sich recht gut zu machen, nur hätte wohl der Tanz, der früher auch nicht ländlich genug gehalten war, da er einmal aus diesen Charakter ging, nicht mit einem Walzer, sondern mit einer feststehenden Gruppe sich enden sollen.

Am 27. Mai: Ebenfalls auf dem Badetheater. Des Hasses und der Liebe Rache. Schauspiel in 5 Aufzügen von Kotzebue. Bei noch fortdauernder bedeutender Krankheit des Herrn Haffner, hatte Herr Burmeister den Dom Pardo übernommen, und gab ihn zu unsrer vollkommnen Zufriedenheit. Der hoch im Vaterlandsgefühl und Haß gegen die Mörder seines Sohnes auflodernde Grande von Spanien, sollte aber doch höchstens Truxillos schändliche Mordpläne ignoriren wollen, gewiß nicht mit in dieselben eingreifen, um einen schönen Gegensatz zu diesem Bösewicht zu bilden. Sonst ist die Anlage der Intrigue unstreitig sehr anziehend, und manches der Wahrheit höchst treu gehalten. Wen hat nicht der Schluß des dritten Akts mit dem versinkenden Bette selbst wiederkehrend in theilnehmende Spannung gesetzt? Dem. Schubert gab die Rolle Juliens. Sonst sahen wir auch diese von Mad. Hartwig. In den sanftern Stellen verdiente die Darstellerin Beifall, nur bitten wir sie recht sehr, das Dehnen der letzten Sylbe in zweisylbigen Zeitwörtern, wie lesen, gehen, sterben, zu vermeiden, das schon im Metrischen störend, im Conversationstone vollends die Rede sprachwidrig verlängert. Als Muley war die Darstellerin eine sehr liebliche Erscheinung.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: „Das Gut Sternberg“ von Weißenthurn am 26.5.1817 / „Des Hasses und der Liebe Rache“ von A. v. Kotzebue am 27.5.1817 sowie zum Theater auf dem Lincke’schen Bade

Entstehung

vor 7. Juni 1817

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Hafenstein, Deborah

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 136 (7. Juni 1817), Bl. 2v

    Einzelstellenerläuterung

    • „… von ihrer Kunstreise nach Berlin“Laut Tagebuch der deutschen Bühnen (1817, S. 137, 173–176) gastierte Friederike Schirmer in Berlin am 28. April, 1.,3., 5., 9., 12., 14. und 17. Mai 1817.

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