Rezension: 2. Konzert für Klarinette (WeV N.13) von Carl Maria von Weber, Stimmendruck
Second Concerto per il Clarinetto principale, composto da C. M. di Weber. Berolino, A. M. Schlesinger. Pr. 2 Thlr. 25 Sgr.
Gretry sagt in seinem, von Spazier übersetzten und recht sehr zusammengestrichenen Buche: „wenn in einem Gefängnisse getanzt werden sollte, so müsste die Klarinette dazu gespielt werden.“ Die Klarinette hat weiche melancholische Töne, und diese sind des Sanften und Milden in so vielen Graden fähig, dass sie vor allen andern Instrumenten am mehrsten zum Ausdrucke der Wehmuth und Sehnsucht geeignet ist, und somit hat denn auch der Gretry’sche Ausspruch etwas wahres in sich. Dennoch wird die Klarinette, heutiger Zeit, ganz gegen ihren eigenthümlichen Karakter angewandt. Die Veranlassung dazu liegt in ihrem schönen Ton, ihrem grossen ¦ Umfang und der nicht schweren Behandlung des Instruments überhaupt. Zum Ausdrucke des Herrischen, des Pompösen, überhaupt zu allem, wo helle und schallende Lebendigkeit herrschen soll, ist die Klarinette nicht geeignet. Ihr bedeutender Tonumfang – der grösste, den ein Blaseinstrument hat, als: zerfällt in zwei verschiedene Tonregister, und zwar sind die Töne in diesen Gränzen: von ganz anderm Tongehalt, als die in diesen: Die Töne: sind schwach unbedeutend, ja bei manchem Bläser fast klanglos, und Figuren wie diese: wenn sie auch in diesen Tönen noch ganz anders gestellt werden, sind sehr schwer herauszubringen und klingen immer matt. Wenn nun diesemnach, die Töne der Klarinette und ihre Beherrschung, dem Brillanten und Glänzenden gar nicht zusagen, indem hier alles gleich klar und gleich deutlich, selbst in den rollendsten Figuren hervortreten soll und muss, wenn Leben und Bewegung da sein soll: so ist es nicht zu begreifen, wie manche Tondichter sogenannte brillante Konzerte für die Klarinette schreiben können. Dennoch werden dergleichen Konzerte geschrieben, und selbst das hier vorliegende muss in diese Klasse gezählt werden. Das erste Allegro, Es-dur, C-Takt fängt mit ff an und bewegt sich rasch und lebendig fort. Das erste Solo der Klarinette ist molto Risoluo überschrieben und beginnt mit: | Mancher Klarinettist wird dieses Solo nicht ohne Bangen beginnen; denn wie leicht kann auch den Besten diese Klippe zum Scheitern bringen! Ueberwindet er aber auch diesen gefahrvollen Sprung, was ist dann erreicht? Manche meinen, sehr viel, denn der Bläser zeigt gleich, dass er den Umfang seines Instruments beherrscht. Die Kunst, mit wenigen Tönen Viel zu sagen, ist fast verloren gegangen, dagegen mit vielen Tönen Wenig oder gar Nichts zu sagen, diese Kunst ist sehr Mode. Man sehe nur die Meisterwerke, wie da mit Wenigem sehr Viel gesagt wird, und wie, um hier ein Beispiel anzuführen, der kolossale Chor in Händels Messias, das Halleluja, sich fast nur immer in D-dur und in den Tönen der Tonleiter von D bewegt. Doch wo sollen und können die Augen und Ohren zu den Meisterwerken kommen? es ist ja so viel Neues zu sehen und zu hören, dass keine Zeit mehr übrig bleibt. Das Geschnatter, welches sich jetzt so häufig über die Meisterwerke verbreitet, ist darum schon nichtswürdig, weil die meisten Schnatterer noch nicht die Grammatik der Musik begriffen haben. Doch wir kehren zu unserm Konzerte zurück. In dem ersten Allegro ist manches Schöne, auch recht vieles Passagenwerk, womit der Bläser vollauf zu thun hat. Der zweite Satz, ein Andante con moto in G-moll 6/8 Takt, hat sehr schönen Gesang und wird nur in der Mitte etwas beweglicher, worauf denn ein Recitativ von einigen Takten folgt, endlich aber wieder das Cantabile eintritt und den Satz endigt. Der letzte Satz ist ein Polacca und hat Schwierigkeiten in Menge. Ja diese werden gegen das Ende, wo sie mit „Brillante“ überschrieben sind, fast unüberwindlich. Doch auch dieses zweite Konzert hat Weber seinem Freunde Bärmann gewidmet, gleichwie das erste, und er wird wohl gewusst haben, wie weit der Freund es treiben kann, und das mag in der That weit genug sein. Passagen wie diese: wird wohl mancher Bläser sehr des Uebens werth finden und sich viel darauf einbilden, wenn er sie wirklich gut herausbringt. Der Bläser aber, der eine solche Passage nur übt, weil er sie üben muss, um das Ganze mit Ordnung und Gleichheit hervortreten zu lassen, sie aber für unbedeutend und nichtssagend, auch der Klarinette nicht für eigenthümlich hält, steht in der Erkenntniss seines Spiels und des Wesens der Musik höher wie jener. Zu diesem Konzert gehört ein vollständiges Orchester.
b.Apparat
Zusammenfassung
Rezension: 2. Konzert für Klarinette (WeV N.13) von Carl Maria von Weber, Stimmendruck.
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
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Textzeuge: Berliner allgemeine musikalische Zeitung, Jg. 4, Nr. 9 (28. Februar 1827), S. 68–69