Aufführungsbesprechung Neustrelitz: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber am 12. August 1822 (EA)

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Korrespondenz-Nachrichten.

Die Aufführung des Freischützen zur Feier des Geburtsfestes unsers allergnädigsten Großherzogs zog eine Schaar von Fremden herbei, die Gasthöfe waren überfüllt, die Privathäuser bequartirt und ein reges Leben den ganzen Tag hindurch bemerkbar. Hr. Blume, vom Berliner Theater, sollte den Kasper, Mad. Maurer, Tänzerin an derselben Bühne, die Agathe, als Gast, spielen. Das Webersche Prachtwerk, der bekannte und der unbekannte Gast, waren die unversiegbare Quelle der Unterhaltung. Endlich erschien die ersehnte Stunde, und das Haus war überfüllt. Daß die Oper ungemeinen Beifall erhielt, bedarf der Erwähnung nicht, noch weniger, daß sie ihn verdient, hier nur einiges über die Ausführung derselben. Die Großherzogl. Kapelle executirte die schwierige Musik mit Präzision und Geist unter der Leitung des Kapellmeisters Wiele, welcher, trotz den neulich in diesen Blättern auf ihn gemachten animösen Ausfällen,* da steht wie ein Fels im Meere; geniales Feuer rinnt in jeder Ader des wackern Meisters, die Battuta wird in seiner Hand zum geflügelten Götterstab, und kaum vermögen die minder begeisterten Instrumente und Stimmen dem kühnen Flug zu folgen. Die Chöre gingen durchaus rein und gut und machten dem Fleiße des mühsamen und einsichtsvollen Chordirektors, Hrn. Weidner, alle Ehre. Hr. Blume, war vortrefflich in der Rolle des Kasper, eine Partie, die ganz für ihn geschaffen ist. Mad. Maurer versuchte sich nicht ohne Glück in der Rolle der Agathe, sie besitzt neben einer hübschen Gestalt eine schöne Stimme, die besonders in den mittleren und hohen Tönen klangvoll ist. Sie sang diese Rolle nicht übel und spielte wie Prima Donnen spielen. – Ein recht liebliches Annchen war Dem. Strenge, welche die Partie präzise mit ihrem hübschen Stimmchen sang und mit Lebendigkeit spielte. – Hr. Schütz sang und spielte den Max recht brav. Die Stimme des wackern Künstlers ist in der Tiefe ein wenig schwach, aber ungemein zart und klangvoll in der Höhe, er trug die ganze Partie mit Zartheit und Gefühl vor, und spielte die Rolle, wie es den Tenoristen sonst nicht eigen ist, recht gut. – Hr. Franz verdiente gleichfalls als Kuno Lob. Hr. Posch war ein wenig ungelenkig als Böhmenfürst. Hr. Meaubert ergötzlich als Kilian.

Das Stück war prächtig ausgestattet und die Maschinerien gingen bis auf einige Kleinigkeiten gut. Gegen die neuen Dekorationen lassen sich ebenfalls nur Kleinigkeiten einwenden, so z. B. begreift man nicht, wie das Bild des Urvaters Kuno der Agathe auf den Kopf fallen kann, da es so niedrig hängt, item kontrastirt die Bretterdecke in Agathens Zimmer gegen die gothischen Gewölbe &c.

Am 14. wurde Don Juan gegeben. Hr. Blume gab den Don Juan mit der ihm eigenen Virtuosität. Mad. Gley sang die Donna Anna, Mad. Maurer die Elvira. Hr. Schütz bekundete aufs neue sein Talent in der Partie des Octavio. Dem. Strenge war ungemein liebenswürdig als Zerlinchen. Hrn. Posch schien der eifersüchtige Bräutigam Masetto gar trefflich zuzusagen, er spielte ihn con amore. Leporello ließ allein zu wünschen übrig.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler

Überlieferung

  • Textzeuge: Freimüthiges Abendblatt, Jg. 4, Nr. 192 (6. September 1822), Sp. 622

    Einzelstellenerläuterung

    • „… auf ihn gemachten animösen Ausfällen,“Vgl. die Glosse auf Wieles Dirigieren im ungezeichneten Neustrelitzer Korrespondenzbericht vom 28. Februar 1822 in: Freimüthiges Abendblatt, Jg. 4, Nr. 166 (8. März 1822), Sp. 169: „In den beiden ersten Vorstellungen derselben [BoieldeieusLe petit chaperon rouge] dirigirte, bei Abwesenheit des Hrn. Kapellmeisters Wiele, Hr. Kammermusikus Weitzmann das Orchester, und zeigte sich als ein tüchtiger, ruhiger Dirigent, der weder Pantomime, noch Manual- oder Pedal-Telegraphie zu Hülfe nahm. Wir hörten also bei diesen beiden Vorstellungen, zur gewünschten Erholung für unsre Ohren, weder das störende kleine Gewehrfeuer vom Violinbogen oder Taktstäbchen auf die Partitur und das Pulpet, noch die einfallenden Kanonenschüsse aus der hohlen Erhöhung, auf welcher der Dirigent in unserm Theater-Orchester steht; – des widrigen Prospekts, den die zu beiden erforderlichen körperlichen Stellungen und Bewegungen nöthig machen, nicht zu gedenken.“

      XML

      Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
      so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.