Bericht zur Erstaufführung der Euryanthe in Dresden am 31. März 1824
Korrespondenz und Notizen.
Aus Dresden *).
Das Wochenbette der Minna Devrient, welche Maria v. Weber gleich Anfangs zur Euryanthe erlesen hatte, hatte die Aufführung derselben auf 3 Monate verspätet. Endlich fand sie am 31. März vor einem gedrücktvollen Hause Statt. Das einstimmige Zeugniß aller dabei betheilten Virtuosen im Orchester und des ganzen Sängerpersonals, die sich die Mühe der vielen Proben nicht verdrießen ließen, hatte das beste Vorurtheil ins neugierige Publikum gebracht. Auf der andern Seite aber gehörte es in den obern Regionen zum guten Ton, den Wienern nachzubeten. Man kam mit Abgunst. Aber der Erfolg war der glänzendste. Parteilichkeit konnte allenfalls bei der Ouvertüre, die eine Welt voll Töne doch wohl der Klarheit entbehrt, und beim Jägercorps, worin sich Weber nicht zu überbieten vermochte, etwas in die Hände der Klatschenden einwirken. Aber das Ganze wirkte durchaus so begeisternd, daß eine solche Resonanz kommen mußte. Freilich beeiferte[n] sich Orchester und das sämmtliche Sängerpersonale das Möglichste zu leisten. Auch bei der Probe ist Weber genial. Die höchste Unparteilichkeit und Strenge ist da mit Liebe und Humor auf eine unwiderstehliche Weise gemildert.
Auch hatte der Direktor durch einen ungewöhnlichen Aufwand auf ganz neue Kostüms in echten Stoffen und 4 sehr gelungenen Dekorationen mit dem feinsten Geschmack der Schaulust ein Opfer gebracht. Es war deutlich, daß, wo bei einem so viele Virtuosität umfassenden Orchester die zwei weiblichen Hauptrollen, auf welchen alles beruht, so gesungen und gespielt, sämmtliche Chöre so ganz im Sinne des Meisters mit höchster Präcision, die höchst genialen Rezitatife (die Kenner für das Herrlichste, Motivirteste in der ganzen Komposition erklären) und alle Einzelheiten in solche Haltung organisch zusammengefügt das Ganze fortleiten; Niemand, der sich ganz hinzugeben verstand, im geringsten bei der Aufführung an die Mühe erinnert wird, die das neue in regester Lebensfülle vor ihm stehende Werk dem Tonsetzer und den ausübenden Künstlern kostete, um ein so durchaus gediegenes, großes Werk zu gestalten. Das Rezitatif herrscht wundersam vor, dann kommen die mannigfaltigsten Chöre, dann die 3 herrlichen Duetts, dann die wunderlieblichen Cavatinen, endlich die eigentlichen Arien, die bei aller Vortrefflickeit doch nicht alle gleich ansprachen. Alles ist Motive. Es ist eine plastische Musik. Nirgends ein Haschen nach falschen‡ Effekt. Eine einzige Erinnerung an den Freischütz ausgenommen, finden Kenner alles neu; deutscher Ernst, deutsches Gemüth durchdringt, durchhaucht das Ganze. Der durch welsche Leckereien verwöhnte Gaumen findet daher durchaus nicht seine Rechnung. Wie leicht hätte sichs der hochbegabte Meister machen können! |
Aber wie viel sind nun der Theater, die einem solchen Werke solche Einübung, solche Kräfte widmen wollen und können. Darum wird diese hohe, ja vielleicht bis jetzt einzige Tonschöpfung in Deutschland nie die Popularität erhalten, die leichteren, volksthümlichen Kompositionen zu Theil wird. Man begreift es, wie bei mancherlei Mangel und Vernachlässigung dasjenige in einzelnen Partien sogar langweilte, was bei der hiesigen Aufführung durchweg unterhielt und fortriß. Auch die Fabel des Stücks und die Diction der Dichtung hat unverkennbares Interesse. Nur der Ring, auf welchem die Verwicklung beruht, bleibt räthselhaft, selbst dem, der das vollständige Textbuch in der Hand hat. Eine besondere Gunst wiederfährt hier dem Stück durch die sichtbare Rivalität der Eglantine-Funk mit der Euryanthe-Devrient. In Vortrag und Kraft der Stimme hatte die Funk offenbar das Uebergewicht. Durch die Herrlichkeit des Organs und das wahrhaft tragische Spiel siegte die Devrient. Sie ist die Erstgeborne der großen tragischen Schauspielerin, der Schröder. Ihre Darstellung der schuldlos Verzweifelnden, der unter der Weide niedersinkenden, der hin zu ihm! Ausrufenden waren die gelungensten Momente. Solche Euryanthen mögen wohl selten zu finden seyn! Schon nach dem ersten Akt, dem Kenner den Preis zuerkennen, rauschte ein zweimal wiederholtes allgemeines Bravo und Klatschen dem Meister. Duett und Chor wurde durchaus applaudirt. Am Schluß stürmendes Herausrufen des Meisters. Endlich trat er vor den Vorhang hervor und zeigte mit sprechender Pantomime aufs Orchester und auf die, welche hinter dem Vorhang sich befänden. Nun wurde Euryanthe, nun abwechselnd die Funk gerufen. Der Vorhang fliegt auf. Euryanthe und die Funk stehn voran; Euryanthe auf ihre Nebenbulerin weisend; im Halbkreis das ganze übrige Personal. Allgemeiner Jubel; höchste Zufriedenheit!
Apparat
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Frank Ziegler
- Korrektur
- Eveline Bartlitz
Überlieferung
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Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 24, Nr. 73 (10. April 1824), Sp. 590–591