Aufführungsbesprechung Wien: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber im Juli 1822

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Novellistik.

Theater an der Wien

Dlle. Sonntag trat unlängst auch als Agathe auf. Ihr erstes Debüt als Prinzessinn von Navarra hätte beynahe manche ohne alles Kriterium der Schönheit kritisirender Leute auf den Gedanken gebracht, dass sie in der Agathe weit weniger Glück machen würde. Wer den verschiedenen Styl beyder Rollen und die Kunststufe auf welcher sie gegenseitig zu einander stehen, genau kennt, der wird sich einiger Massen wundern, dass diese Sängerinn Agathe zur zweyten Gastrolle wählte, zugleich aber auch ihr der glücklichen Leistung wegen seinen Beyfall nicht versagen.

Sie begann mit zweckmässiger Ruhe und steigerte an ort und Stelle ihre Kraft, auf eine recht kunstgerechte Art. Bey so getragenem Gesange, wirkt oft ein klug vorbereiteter Coup, eine durch langes Aufsparen recht markirte Force mehr als eine ganze Schnur musikalischer Kropfperlen oder Rouladen, auf das Gemüth des Zuhörers.

Glänzend putzen diese musikalischen künstlichen Haarnetze das Haupt der Sängerinn, und flössen dem Zuhörer bisweilen auf einige Zeit einen ordentlichen Respect ein, bis etwa endlich zum Vorschein kommt, dass die Kraft der Stimme zum Tragen des Tones nicht ausreichen wolle. Wie schön, wie innig drigt hingegen der edle Gesang in seinen schönen Formen in das Herz des Hörenden!

Gerade Dlle. Sonntag ist aber eine nicht unbedeutende Ausnahme hiervon, denn sie hat jugendliche Fraicheur und Kraft der Stimme zum Portamento genug, und weiss mit ihrem Tone auch das Herz zu rühren. Diess bewies sie in der schönen Scene des zweyten Acts. Sie trug das Gebeth mit höchster Zartheit und im wahren Sostenuto vor. | Der leidenschaftliche Wechsel in dieser Scene, welchen Weber kunstreich hineingelegt hat, wurde von der jungen, anmuthsvollen Sängerinn sehr geschickt aufgefasst und wiedergegeben.

Lauter Beyfall krönte ihre künstlerische Anstrengung Herr Rosner war weit weniger glücklich. Seine Intonation war in der Höhe des F oder G oft unrein und zu tief. Seine Stimme scheint seit einiger Zeit verschleyert.

Der Chor griff energisch ein, und trug seinen Gesang grössten Theils effectvoll vor.

Das Haus war ungeachtet des Beyfalls, welchen Dlle. Sonntag sich in ihrem ersten Debut erworben hatte, nicht eben voll zu nennen. Die übermässige Hitze wirkt hier eben so nachtheilig, als bey anderen Aufführungen.

In der That, das Theater an der Wien hat durch die Bereitwilligkeit Sr. Excellenz des Herrn Grafen Ferdinand Palfy, mit welcher derselbe kein Opfer scheut, das Vergnügen des Publicums zu vermehren, und alle Bequemlichkeiten desselben zu befördern, schon manche Verschönerung erhalten. Es befindet sich sogar ein trefflih angebrachter Ofen unter dem Theater, welcher an eisigen Wintertagen die Temperatur angenehm erwärmt. Es wäre eine Aufgabe für einen geschickten Maschinisten die Kühle des Winters in heissen Sommertagen in die Theater zu zaubern.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ran Mo

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, mit besonderer Rücksicht auf den österreichischen Kaiserstaat, Jg. 6, Nr. 62 (3. August 1822), Sp. 494–495

        XML

        Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
        so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.