Über die 1. Aufführung des „Oberon“ von Carl Maria von Weber in Berlin am 2. Juli 1828

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Königliches Theater.

Oberon. Oper von Carl Maria v. Weber; Text nach dem Engl. des Planché übersetzt von Th. Hell. – Und wenn Gluck vom Himmel niederstiege oder Mozart wieder lebendig würde mit allem Reichthum und Zauber seiner Melodien, so könnte – vielleicht – weder der Eine noch der Andre aus diesem Englischen Unsinn von Operntext ein herzerfreuendes, harmonisches Ganze heraus oder zusammen komponiren; und Gluck und Mozart waren doch Leute, die aus Armide und der Zauberflöte etwas zu machen gewußt. Wenigstens – dessen sind wir gewiß – hätten sie das antidramatische, unsangbare, seelenlose Textbüchlein nach dem Durchlesen des ersten Akts in den finstersten Winkel, oder besser, in das helleste Feuer geworfen, um sich daran von dem Frost, den ihnen dieser unpoetische Eisklumpen in die Glieder gejagt haben würde, einigermaßen wieder zu erwärmen. Der arme Weber! Mag seyn, daß sich die Brittischen Verse im Orginal hie und da gut lesen lassen; echte Poesie enthalten sie trotz dem nicht; und wenn der Uebersetzer mit seinem bekannten, schnellfertigen Talent den Gehalt noch vermindert hat, so wollen wir ihm dies nicht sehr zur Last legen; geschicktere Federn, als die seine, hätten daran scheitern müssen. – Daß die Aufführung dieser Reliquie mit Enthusiasmus aufgenommen werden würde, stand nicht in Frage, war vielmehr eine ausgemachte Sache. Es wurden die Ouvertüre, Duetts und sonstige Piecen da capo gefordert; wir wünschen, daß der Enthusiasmus aushalte, und dazu möge das Schönste dienen, was die Produktion bietet, nämlich die materielle Ausstattung. Wenn die Oper den nöthigen, klingenden Erfolg hat, so gebührt, nach dem Namen Webers, der Dank dafür vor Allem der Verwaltung der Bühne, welche sich um die Augenweide sehr verdient gemacht; es paßt recht eigentlich zu diesem Glanz, daß die Balletparthien dem Componsiten am besten gelungen sind. Damit soll nicht gesagt werden, daß es der Oper an cantabilem Verdienst mangle: wo sich nur immer einige Möglichkeit zeigte zum Ausdruck menschlicher Empfindung, hat sie der geistreiche Tonsetzer redlich benutzt; dahin rechnen wir – neben mehreren Chören – das Duettino im ersten Finale zwischen Fatime und Rezia und das schöne Solo der Lezteren während des gedämpften Chor-Marsches der Wachen; das Quartett „über die blauen Wogen“; zum Theil Rezias Recitativ: „Ocean, du Ungeheuer!“ – das Lied der Meermädchen – das Araberlied der Fatime: „Arabien, mein Heimathland,“ dessen Melodie (freilich etwas einfacher) uns, nebst vielen ähnlichen, vor einigen Jahren von dem Dänischen Residenten in Algier mitgetheilt wurde; dann das Duett des Scherasmin und der Fatime: „An dem Strande der Garonne“ mit dem hübschen aber nicht neuen Allegretto: „Darum fröhlich“; – und das schöne, darauf folgende Terzett: „So muß ich mich ver¦stellen.“ – Aber der Mangel an allem dramatischen Interesse im Stoffe selbst, so wie die daraus folgende Trivialität der vermittelnden Parthieen lassen die Schönheit dieser Glanzpunkte des Ganzen nur halb empfinden, indem das Ohr und das Gemüth durch eine Menge von zwar korrekt geschriebenen, aus inneren Gründen aber dennoch leeren musikalischen Phrasen ermüdet wird. – In wie fern die Besetzung und künstlerische Ausführung an dem größeren oder geringeren Gelingen der Einzelheiten Schuld, oder Verdienste darum hat, ist eine andere Frage. Herr Bader als Oberon ließ bedauern, daß er nicht mit der Parthie des Hüon beauftragt seyn konnte. Der Rezia (Madame Seidler) gebricht es nach und nach an Kraft für Heroinen dieser Art, wie hübsch sie übrigens noch immer erscheint und singt als Susanne und in ähnlichen Rollen; wobei sie überdies nicht nöthig hat, dem geistigen Ohr die Wirkung mit einer betrübenden prosaischen Diktion zu verkümmern. Ihr Spiel jedoch am Schluß des zweiten Akts, in der Scene mit den Piraten, verdient rühmliche Erwähnung, eben so ihr schöner, unforcirter Vortrag der Cavatine: „Traure, mein Herz u. s. w.“ im dritten Akt; so wie überhaupt Mad. Seidler in der Gattung des Niedlich-Muntern und Schalkhaften noch lange eine der schönsten Perlen der Königl. Oper bleiben wird. Fatime ist gewissermaßen wichtiger und interessanter als Rezia, sogar in dramatischer Hinsicht. Ihre Anhänglichkeit an ihre Herrin ist eine rührende Saite, die in jeder Menschenbrust ein Echo findet; auch scheint W. sie darum vorzüglich liebgewonnen und sie vor Rezia mit den Mitteln, Effekt zu machen, ausgestattet zu haben. Dlle. Hoffmann benutzte sie recht gut, versteht sich nach ihrer Weise, was man auch nicht anders verlangen kann. Es freut uns übrigens, an der jungen Künstlerin eine rühmliche Abnahme ihrer zuweiligen Affektation zu bemerken. Auch Scherasmin (Herr Devrient d. J.) war sehr löblich – und im Augenblick des Wiedererkennens seines Herrn (im dritten Akt) vortrefflich. Für den Gesang aber empfehlen wir hie und da mehr Delikatesse; Hr. Devrient kann schon etwas des Guten thun, wenn er aufmerksam auf sich selbst bleiben will. – Leid that es uns, daß der Emir von Tunis und seine Gemahlin Roschana nichts zu singen haben; es sind die einzigen Personen in der Oper, die sich etwas leidenschaftlich geberden, folglich gesangsfähig sind; aber – der Text-Verfasser hat es nun einmal anders gewollt.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 161 (12. Juli 1828)

Textkonstitution

  • „ez“unsichere Lesung

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