Aufführungsbesprechung Hannover: „Der Freischütz“, Aufführungsserie ab März 1822, Teil 1/3

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(Webers Freischütz in Hannover.)

Ueber ein Kunstprodukt, welches Epoche im Vaterlande gemacht hat, und welches mit stolzem Triumph Deutschland der Fremde zeigt, kann wohl nicht leicht zu viel gesagt werden, denn der dabei waltende Patriotismus entschuldigt hier, wie er dort verzeihet. Auch bei uns ist Webers Meisterstück bis jetzt vierzehnmal gegeben*, und der Andrang blieb derselbe, der Musikkenner fühlte so selten wie der Schaulustige droben auf der Gallerie; denn diese Oper ist für die Directionen zu jenem Zaubersekel geworden, der, man mochte soviel heraus zählen, wie man wollte, nie leer ward, und immer sein Goldstück hergab.

Die Fabel dieser Oper ist in ihren scharfen Gegensätzen ansprechend und unterhaltend, denn sie enthält und spricht das Geheimniß der menschlichen Natur aus, die Mischung von Gut und Bös, das ewige Schwanken zwischen Tugend und Laster. Das Unterirdische, die Erde selbst, zieht die Menschen nieder zu sich mit heimlicher magnetischer Kraft, wie auch die freiere Seele die Flügel dehnt und zur himmlischen Heimath möchte. Auf diese eine Idee sind alle jene Fabeln und Legenden von Teufeln, Gnomen, Rübezahl und deren Genossen gebaut, und eine der besten dieser Art hat sich der Dichter Kind zu seiner Arbeit ausgewählt, und sie wohldramatisirt und in das Opernkleid gebracht, welches in der letzteren Zeit von gar argen Gesellen angethan, und zu[m] Fastnarrenrocke genutzt worden. Webers Composition ist eine musikalische Uebersetzung von Miltons verlorenem Paradiese, wenigstens ist Satans und Michaels Zweikampf in der Ouvertüre zu finden, und in den lyrischen Sangstücken, worin Weber seine Stärke hat, treffen wir auf Melodien, die der Unschuldswelt und der Idylle angehören, und darum jedes Herz ansprechen müssen. – Die Aufführung zeichnete sich durch Fleiß, Aufwand und Präcision aus; das Publikum war zuerst überrascht, später ertönte seine Befriedigung im tobendsten Beifalle zu. Viele neue Decorationen waren dazu verfertigt, welches, – beiläufig gesagt, für ein königliches Hoftheater gerade nicht schön und passend, – auf dem großen Anschlagzettel jedesmal verkündigt wurde; die Sänger waren fest und strengten alle ihre Kräfte an, mit ihren Talenten dem Meisterwerke gleichen Schritt zu halten. Herr Strobe war der Jäger Max, Herr Fürst der Freischütz Casper, Dem. Campagnoli die Agathe, Dem. Stenz das Annchen, und alle vier brachten das Beste, was Natur und Kunst ihnen verliehen, dem Publikum dar. Eine Recension der Abendzeitung von Hannover aus, scheint uns unvollständig und gestrichen, denn wir sind von dem hiesigen Referenten sonst gewohnt, daß er das individuellere dem allgemeineren vorzieht, da jenes auch solchen Berichten nur das eigentliche Interesse geben kann. Wir erlauben uns daher, was uns mangelhaft erschien und einer Besserung bedurfte, hier kürzlich auszuführen, und die benannte Recension dadurch gleichsam zu vollenden. –

(Beschluß folgt.)

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung des Freischütz in Hannover, Teil 1/3

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler; Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Das Sonntagsblatt, eine vaterländische Zeitschrift zur Belehrung und Unterhaltung, aus dem Gebiete des Schönen und Nützlichen, mit populärer Hinweisung auf deutsche Litteratur und Zeitgeschichte, Jg. 6, Nr. 28 (14. Juli 1822), S. 224

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Meisterstück bis jetzt vierzehnmal gegeben“Der Erstaufführung am 13. März 1822 folgten Wiederholungen am 15., 17., 19., 22. März, 9., 14., 26. April, 5. Mai, 2., 9., 16. Juni sowie 1. Juli 1822 (danach erst wieder 20. September); es fanden also insgesamt 13 Vorstellungen bis zu diesem Bericht statt.

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